Fitness, Management | Autor/in: Anke Sörensen |

Oliver Muelbredt & Raphael Holzdeppe im Interview: Alle Arbeitsfelder kooperieren Hand in Hand

OSP-Athletiktrainer und Geschäftsführer von sportsmed-saar Oliver Muelbredt und der ehemalige Stabhochsprungweltmeister und sportsmed-saar-Trainer Raphael Holzdeppe geben im Interview spannende Einblicke in ihr forderndes, abwechslungsreiches und vielseitiges Arbeitsumfeld in der Betreuung von Breitensportler, Profiathleten und Patienten bei ihren individuellen Trainings-, Wettkampf- und Rehabilitationszielen.

Interview mit Oliver Muelbredt und Raphael Holzdeppe von sportsmed-saar

fM: Herr Muelbredt, als Athletiktrainer am Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland (OSP) und Geschäftsführer von sportsmed-saar betreuen Sie täglich Athletinnen und Athleten aus den unterschiedlichsten Sportarten. Was macht für Sie den besonderen Reiz dieser Tätigkeit aus?

Oliver Muelbredt: Der Reiz liegt in der Mischung. Bei sportsmed-saar betreue ich vorwiegend Patienten beziehungsweise Athleten mit Verletzungen und versuche, diese über die Schiene der Rehabilitation möglichst schnell wieder auf die Beine zu bekommen, damit sie wieder in ihrer Sportart performen können.


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Als Athletiktrainer am Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland betreue ich Athleten auf ihrem Weg in die Weltspitze und bereite sie dort auf Wettkämpfe wie z. B. Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympische Spiele vor.

Welche Athletinnen und Athleten betreuen Sie derzeit am OSP und wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Oliver Muelbredt: Ich betreue die Triathlon-Nationalmannschaft des Bundesstützpunkts Saarbrücken, die Ringer Etienne Kinsinger und Gennadij Cudinovic, Leichtathleten im Bereich Elite/Nachwuchs/Paralympics sowie Nachwuchsathleten aus dem Bereich Taekwondo und viele weitere. Die Schwerpunkte liegen jeweils in den sportartspezifischen Bereichen Kraft, Schnelligkeit, Propriozeption und Ansteuerung.

Herr Holzdeppe, Sie kennen sowohl die Athleten- als auch die Trainerperspektive: Wie kam es zu der Entscheidung, auf der 'anderen Seite' zu arbeiten?

Raphael Holzdeppe:Tatsächlich kam es durch eine Verletzung und die damit verbundene Reha zu dieser Entscheidung. Die Reha hat mich wirklich beeindruckt und dazu inspiriert, in diesem Berufsfeld zu arbeiten. 

Derzeit absolvieren Sie ein duales Studium. Inwiefern können Sie dieses Know-how in Ihre praktische Arbeit einbringen?

Raphael Holzdeppe: Das Know-how über Training im Allgemeinen habe ich natürlich über meine jahrelange Erfahrung als Profisportler erlangt. Der neue Bachelor-Studiengang Sport- und Bewegungstherapie an der DHfPG schlägt nun die Brücke zur Therapie.


 

Über unsere Interviewpartner

Oliver Muelbredt ist Diplom-Sportlehrer mit dem Schwerpunkt „Rehabilitation“ und Athletiktrainer am Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland. Er bereitet Athletinnen und Athleten diverser Disziplinen auf Weltmeisterschaften sowie die Olympischen Spiele vor und betreut Spitzensportlerinnen und -sportler, u. a.Etienne Kinsinger, die Triathlon-Nationalmannschaft sowie Gabriel „Gaga“ Clemens. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer des Rehazentrums sportsmed-saar, das ebenfalls seinen Sitz am Olympiastützpunkt hat und 16 Mitarbeitende beschäftigt.

Raphael Holzdeppe ist seit 2009 Profileichtathlet und war Sportsoldat der Bundeswehr. 2013 war er Weltmeister im Stabhochsprung und gewann zuvor 2012 Bronze bei Olympia. Aktuell ist er im letzten Profisportjahr und befindet sich in der Qualifikation für Paris 2024. Parallel studiert er an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) den B. A. Sport- und Bewegungstherapie und arbeitet als dual Studierender bei sportsmed-saar in Saarbrücken.


Das Studium schlägt nun die Brücke zur Therapie. Hier werden die anatomischen, physiologischen und pathologischen Gegebenheiten vermittelt, um Patienten jeder Art adäquat behandeln zu können. Da meine bisherige Erfahrung eher in die Richtung Performance ging, ergänzt sich beides hervorragend. 

Wie gehen Sie bei der Trainingsplanung auf die individuellen Bedürfnisse der Athletinnen und Athleten und die sportartspezifischen Besonderheiten der unterschiedlichen Disziplinen ein?

Oliver Muelbredt: Grundsätzlich funktioniert die Trainingsplanung nur dann optimal, wenn wir, also Trainer, Athlet und ich, uns austauschen, engmaschig als Team zusammenarbeiten und die jeweiligen Trainingsschwerpunkte und Inhalte miteinander absprechen. Offenheit und Transparenz sind hier wesentliche Merkmale für den Erfolg.

Raphael Holzdeppe: Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist für den sportlichen Erfolg extrem wichtig. Nur dadurch kann ein ziel- und erfolgsorientiertes Training stattfinden. 

Im Leben eines Athleten sieht jeder Tag anders aus und das Training muss immer an den optimalen Leistungszustand des jeweiligen Tages angepasst werden. Dafür ist allerdings eine gute Kommunikation wichtig und dafür benötigt es wiederum eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Inwiefern profitieren Sie bei Ihrer jetzigen Trainertätigkeit bei sportsmed-saar von Ihrer langjährigen Erfahrung als Profisportler? Machen Sie manche Dinge bewusst anders als Ihre früheren Trainer?

Raphael Holzdeppe: Ich profitiere tatsächlich davon. Zum einen habe ich Verletzungen selbst erlebt und durchlebt – mit allen psychosozialen Zusammenhängen. Daher kann ich mich gut in die Patienten hineinversetzen. 


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Zum anderen habe ich Training am Limit betrieben und erfahren, welche Art von Training dafür erforderlich ist und wie widerstandsfähig der menschliche Körper ist. In puncto Unterschiede bin ich tatsächlich ein Fan von „Weniger ist mehr“ und „Qualität über Quantität“. 

Auf welche Trainingstools und Geräte greifen Sie bei der Betreuung zu?

Oliver Muelbredt: Wir unterziehen unsere Athleten einer standardisierten Testbatterie, um im Vorfeld Defizite und Dysbalancen im Bereich Ansteuerung und Kraft aufzuzeigen.

Hierzu nutzen wir sowohl für die Testung als auch für das Training diverse isokinetische Testgeräte, Kraftmessplatten, EMG, Laufanalysen, Muskelfunktionstests, Beweglichkeitstests, Speedcourt, Alter-G und eine computergesteuerte KI-basierte Biofeedback-Beinpresse.

Raphael Holzdeppe: Für mich gibt es nicht „DIE Tools“, auf die ich in der Betreuung immer zurückgreife. Ich versuche stattdessen, mich durch Gespräche an die Erwartungen der Patienten anzupassen, da Training auch in der Reha Spaß machen soll, und setze daraufhin dann Intensitäten und Umfänge fest. 

Wie wichtig sind Kraft-, Koordinations- sowie Beweglichkeitstraining, aber auch Mental- und/oder Neurotraining für die sportliche Leistungsfähigkeit und wie decken Sie diese Bereiche bei sportsmed-saar ab?

Oliver Muelbredt: Die genannten konditionellen und koordinativen Parameter stellen nicht nur die Grundlage der sportlichen Leistungsfähigkeit dar, sondern sind auch Grundlagen der Prävention. Diese Parameter sind wegweisend hinsichtlich der sportlichen Entwicklung, aber auch der Verletzungs(un)anfälligkeit, z. B. wenn ich in Richtung muskulärer Dysbalancen denke.

Kraft stellt die Grundlage jeglicher Bewegung dar, allerdings nutzt mir Kraft nichts, wenn ich den Muskel nicht optimal feinmotorisch ansteuern kann. Ist diese Komponente gegeben, eröffnet dies dem Athleten dann zum Beispiel, energetisch sparsamer zu agieren und den Kraftimpuls auf den Punkt zu bringen, was wiederum in der jeweiligen Sportart ein entscheidender Faktor sein kann.

Wie unterscheiden sich Training und Betreuung in der Off-Season von der Wettkampfvorbereitung in Bezug auf Trainingsschwerpunkte, Umfang, Intensität etc.?

Oliver Muelbredt: In der Off-Season sind die Inhalte des Trainings natürlich sehr viel allgemeiner gehalten und die Spezifizierung nimmt dann Richtung Wettkampf stark zu. Je nach Sportart steht hier zum Beispiel im letzten Block das Thema Explosivität im Vordergrund. Der Umfang des Trainings reduziert sich deutlich zum Wettkampf hin und die punktuelle Intensität fährt hoch.

In der Wettkampfvorbereitung steigen die physischen und mentalen Belastungen durch Reisen, Trainingslager, Qualifikationsdruck etc. Wie kann man in dieser wichtigen Phase Überlastungen und Verletzungen vorbeugen? 

Raphael Holzdeppe: Ich habe über die Jahre hinweg eine Routine entwickelt, die mir ermöglicht, sowohl physisch als auch psychisch Abschaltmöglichkeiten während der Reisen und vor Ort zu entwickeln, die mich sowohl entspannt als auch fokussiert durch die Saison tragen. Dabei gibt es nicht den einen Weg – vielmehr muss jeder Athlet hier seinen eigenen finden.

Welche Rolle spielen dabei die Trainer und Physiotherapeuten? Und wie wichtig ist das Thema Regeneration?

Raphael Holzdeppe: Beide spielen eine sehr große Rolle. Trainer und Athlet bilden eine Einheit und so hat sich auch über die Jahre zwischen meinem Trainer und mir eine Balance entwickelt.


Weitere Hintergründe

Lesen Sie unseren Artikel 'Fitness meets Competition' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum Artikel.


Aber auch Physiotherapeuten, mit denen ich über Jahre hinweg zusammengearbeitet habe, spielen eine wichtige Rolle. Hier kommt es nicht mehr auf eine spezielle Behandlung an, sondern es ist bekannt, was mir in welcher Situation guttut. 

sportsmed-saar schlägt die Brücke zwischen Therapie und Training: Wie unterstützen und begleiten Sie Athletinnen und Athleten dabei, nach Rückschlägen und Verletzungspausen wieder fit zu werden und zeitnah in den Wettkampfalltag zurückzukehren? 

Raphael Holzdeppe: Zuerst einmal unterstützen wir die Athletinnen und Athleten durch eine hoffentlich gute Reha. Allerdings gehört es auch dazu, den Patienten das nötige Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit sie wieder Vertrauen in den eigenen Körper erlangen.

Da hilft mir die Tatsache, diese Situationen selbst durchlebt zu haben und dann durch Gespräche auch diese psychische Komponente abzudecken. 

Stichwort Koordination: Wie sieht die Zusammenarbeit mit den beteiligten Athleten, Bundeskader-/Stützpunkttrainern, Sportmedizinern, Physiotherapeuten aus? Ist der Organisations- und Arbeitsaufwand im Supersportjahr 2024 größer als sonst?

Oliver Muelbredt: Das Supersportjahr 2024 und die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris hat für uns ja schon Ende 2022 begonnen. Eine große Herausforderung ist die Tatsache, dass die letzten Olympischen Spiele um ein Jahr verschoben wurden. Uns ist damit ein regeneratives Vorbereitungs- und Grundlagentrainingsjahr verloren gegangen.

Wie bereits erwähnt, funktioniert das erfolgreiche Konstrukt „Hochleistungssport“ aus meiner Sicht nur, wenn alle Arbeitsbereiche Hand in Hand kooperieren. Ich bin in der glücklichen Lage, dass das hier am Olympiastützpunkt der Fall ist.

Was braucht es, um den Sportlerinnen und Sportlern vor Ort bestmögliche Trainingsbedingungen und eine optimale Vorbereitung/Betreuung zu bieten?

Oliver Muelbredt: Perfekte Trainingsbedingungen ergeben sich aus einer perfekten Infrastruktur aus Trainern, medizinischer Abteilung und Trainingsmöglichkeiten (Hallen, Krafträumen, Wohnmöglichkeiten, Mensa usw.) sowie einem Olympiastützpunkt, der die Athleten hinsichtlich Physiotherapie, Athletik-/Präventivtraining, Psychologie, Ernährungs- und Laufbahnberatung unterstützt – und das mit möglichst kurzen Wegen.

Lassen sich Ihre Betreuungs- und Trainingsstrukturen für Athleten im Ansatz auch in Fitness- und Gesundheitsstudios umsetzen? Welche Voraussetzungen wären dafür nötig?

Oliver Muelbredt: Absolut. Wir bei sportsmed-saar sind hierfür das beste Beispiel. Alle vorhin genannten Geräte setzen wir ebenso bei unseren Patienten zur Diagnostik und für das Training ein. 

Natürlich hat ein verletzter Patient erst einmal ein anderes Ziel und eine ganz andere Trainingsintension als ein Leistungssportler aufgrund des Rehabilitationsprozesses, aber im Endeffekt geht es auch hier um eine Steigerung der Belastungsverträglichkeit, um eine Verbesserung der muskulären Situation, Propriozeption, Beweglichkeit …

Raphael Holzdeppe: In den Gesundheitsstudios sehe ich für die Umsetzung eher eine Chance als in den klassischen Fitnessstudios. Normalerweise gibt es in einem Fitnessstudio keine Eins-zu-eins-Betreuung, außer wenn Personal Trainings gebucht werden. Daher stelle ich es mir hier durchaus schwierig vor.

Allerdings beobachte ich einen Trend hin zum Gesundheitsstudio mit mehr Gruppenangeboten und Präventionskursen. Hier wird eine derartige Betreuungssituation wahrscheinlicher. 

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 03/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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