Fitness, Management | Autor/in: Florian Schmidt & Jürgen Wolff |

Edith Gribs im Interview: „Wir brauchen empathische, kommunikativ starke Persönlichkeiten“

Um neuen Herausforderungen optimal zu begegnen, benötigen Unternehmer ein strukturiertes Innovationsmanagement und kreative Lösungen. Wie können Fitnessunternehmen eine Innovationskultur etablieren und das eigene Studio durch neue Lösungs- und Führungsansätze fit für die Zukunft machen? Darüber haben wir mit Edith Gribs, Inhaberin der Halle 22, gesprochen.

Innovationskultur im Fitnessstudio: Edith Gribs (Halle 22) im Interview

Edith Gribs studierte an der Deutschen Sporthochschule Köln und eröffnete 1982 nach einer kurzen Lehrtätigkeit ihr erstes Fitnessstudio auf 300 Quadratmetern. Im Mai 2000 folgte in der denkmalgeschützten Halle eines ehemaligen Stahlwerks auf 1.350 Quadratmetern die Eröffnung des Studios mit dem neuen Namen „Halle 22 Sport und Fitness“. Die heutige „Halle 22 Fitness & Gesundheit e. K.“ verfügt inzwischen über 4.450 Quadratmeter Fläche inklusive einer Praxis für Physiotherapie und bringt den alten Charme des Gebäudes mit den modernen Erweiterungen in Einklang. Die Positionierung der Halle 22 zielt auf Gesundheit und Wohlbefinden. Seit 2010 betreibt Edith Gribs auch erfolgreich einen zweiten Fitnessclub in Willich.

 

fM: Welche Innovationen waren aus Ihrer Sicht für den Markt allgemein und insbesondere für Ihr Unternehmen in den letzten Monaten besonders wichtig?

Edith Gribs: Wenn wir von Innovationen sprechen, sind es alle digitalen Tools, die Lösungen für die einfache Kommunikation, für schnelle, zeitnahe Informationsweiterleitungen sowie  Bindungssysteme für die Mitglieder und unser Team bereitstellen. Die digitale Außendarstellung durch die Optimierung unserer eigenen App inklusive Interaktionsmöglichkeiten mit unseren Mitgliedern, durch Online-Buchungssysteme etc. sowie durch Nutzung verschiedener Social-Media-Kanäle, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen, war besonders wichtig.

Über diese Tools und Kanäle konnten wir weitere Innovationen wie digitale und hybride Trainings- und Kursangebote, Webinare mit Expert:innen, Online-Lösungen zu den Themen Abnehmen und Stressabbau sowie allgemeine, digitale Coachings und Personal Trainings präsentieren.

Darüber hinaus haben wir umgedacht, neue Trainingsräume geschaffen und Outdoorangebote entwickelt. Wir werden im März oder April diesen Jahres einen 650 Quadratmeter großen Outdoorbereich für verschiedene Zielgruppen eröffnen, den wir teilweise schon umgesetzt haben.


 


Welchen Stellenwert hat Innovationsmanagement für Sie?

Innovationsmanagement heißt, den Markt zu beobachten, neue Trends zu erkennen und zu bewerten sowie Ideen zu sammeln und auf Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen.

Genau das haben wir bereits seit über 16 Jahren mit einem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) in das Unternehmen integriert. Dieser Prozess hat uns schon immer wichtige Impulse gegeben, die sowohl von unseren Mitarbeiter:innen als auch von den Kund:innen bzw. Mitgliedern gekommen sind. Auswertungen hierzu werden regelmäßig in den einzelnen Unternehmensbereichen vorgenommen und präsentiert.


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Inwiefern hat sich dieser Stellenwert aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und der Erfahrungen der Corona-Jahre 2020 und 2021 verändert?

Der Wert von Innovation hat durch die neue „Herausforderung Corona“ noch mehr an Bedeutung gewonnen und uns in einigen Bereichen zum Umdenken gezwungen. Mithilfe digitaler Tools konnten wir Prozesse im Unternehmen beschleunigen – insbesondere die Umsetzung der notwendigen Hygienekonzepte, die Veränderung der Kommunikations- und Meetingstruktur via Zoom oder Teams sowie die Mitarbeitendenführung durch Online-Coachings und Online-Befragungen.

Wie haben Sie das Management von Innovationen in Ihrem Unternehmen – personell oder hierarchisch – organisiert?

In unserem etablierten Managementprozess gibt es neben einem transparenten Organigramm eine feste Kommunikationsstruktur, fest definierte Teams und klare Verantwortlichkeiten mit den dazugehörigen Aufgabenmatrizen. Innerhalb der gesetzten „Leitplanken“ sollen die Mitarbeiter:innen eigenverantwortlich handeln und je nach Position auch führen. Das Controlling erfolgt durch Rechenschaftsberichte und Reportingregeln.

Der KVP ist offen für alle Mitarbeiter:innen sowie auch für unsere Mitglieder und berücksichtigt Vorschläge von beiden Seiten. Jede:r Mitarbeiter:in hat über Innovationsbögen, die wir verteilt haben, die Möglichkeit, regelmäßig und systemisch Innovationen einzubringen, mindestens aber einmal im Jahr vor der Jahreszielplanung. Für die direkte und stetige Mitgliederbefragung nutzen wir das System von SayWay.



Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter:innen für die Weiterentwicklung Ihres Unternehmens? Welche Fähigkeiten und Qualifikationen müssen diese heute mitbringen?

Die fachliche Qualifikation ist die Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit. Weiterbildung und Spezialisierung sind bei uns gewünscht und werden gefördert. Es sind aber andere Qualitäten, die unser Unternehmen für die Zukunft wirklich weiterbringen: Was sich in den letzten Jahren besonders herausgestellt und jetzt in Pandemiezeiten erst recht an Bedeutung gewonnen hat, sind die Mitarbeiter:innen, die in ihrer sozialen Kompetenz und ihrer emotionalen Intelligenz stark sind. Wir brauchen empathische, kommunikativ starke Persönlichkeiten, Menschen, die Menschen mögen und den Begriff Dienstleistung positiv besetzen, d. h. ihren Job gern machen. Dabei ist wichtig, dass die Mitarbeiter:innen ehrgeizig sind, Flexibilität beweisen, unser Leistungsangebot kennen und den persönlichen Nutzen für unsere Mitglieder verständlich machen können.

Wir wollen uns als Premiumanbieter über den Faktor Mensch noch stärker abgrenzen. Aufgabe der Unternehmensführung ist es, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter:innen zu schaffen, Anreize zu setzen, Perspektiven aufzuzeigen, adäquate Arbeitszeitmodelle und faire Honorierungssysteme anzubieten.


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Welche Medien oder Plattformen nutzen Sie, um sich über potenzielle Innovationen zu informieren und woher kommen die Impulse für relevante Neuentwicklungen?

Wir nutzen verschiedene Medien und Plattformen, weil wir ein breitgefächertes Publikum haben, in dem alle Altersklassen vertreten sind. Auch ein Newsletter sowie klassische Mailings und Pushnachrichten gehören dazu. Videobotschaften kommen bei unseren Mitgliedern sehr gut an.

Impulse für Neuentwicklungen kommen primär aus der Branche: Fachzeitschriften, Branchenveranstaltungen und Messen, Fachverbände, Netzwerke und Herstellerpräsentationen.

Wir schauen aber auch gern über den „Tellerrand“ unserer Branche hinweg auf die allgemeine Entwicklung von Märkten, wie z. B. der Hotellerie und Gastronomie, der Gesundheitsbranche, der Freizeitbranche sowie anderer Konsumsparten, wie z. B. Streamingdienste oder Online-Handel.

Welche Management- bzw. Führungstools nutzen Sie in der Praxis, um die Weiterentwicklung Ihres Angebotes und der Prozesse im Studioalltag zu gewährleisten?

Wir leben seit 16 Jahren einen klar strukturierten Managementprozess mit fest definierten, qualitativen und quantitativen Zielen. Dieser Prozess, den wir in Zusammenarbeit mit Andreas Schmaler von Charisma Inhouse Coaching (CIC) durchführen, schafft für alle Mitarbeitenden Klarheit und gibt Sicherheit.

Bei unseren alljährlich im November stattfindenden Strategietagen reflektieren wir gemeinsam mit jeweils wechselnden Teammitgliedern das vergangene Jahr nach den Gesichtspunkten „Was war gut?“ und „Was ist verbesserungswürdig?“. Nach der Analyse beginnen wir mit der Planung des neuen Jahres. Im Vorfeld dieser „Planungstage“ ist durch das Ausfüllen der Innovationsbögen immer das gesamte Team eingebunden. Mit den Ergebnissen und den gesammelten Ideen gehen die Bereichsleitungen in die Planung. Nach Abschluss der Jahreszielplanung gibt es Anfang Januar eine Kick-off-Veranstaltung mit unserem gesamten Team. Innerhalb der folgenden 14 Tage werden in den einzelnen Bereichen Auftaktmeetings durchgeführt. Alle Mitarbeitenden sind dann an Bord und werden informiert. Jede:r Mitarbeiter:in hat einmal im Jahr ein Eins-zu-eins-Gespräch. Harmonisierung, ein Abgleich der gegenseitigen Erwartungshaltung und Vereinbarung der Ziele jedes:jeder Einzelnen sind dabei unsere Intention.

Die wichtigste Basis aller Unternehmensstrukturen aber ist unsere Unternehmenskultur, die auf einem gemeinsam entwickelten Leitbild basiert, das alle Mitarbeiter:innen einbindet. Gemeinsam definierte Werte und gemeinsam entwickelte „Goldene Regeln“ stärken den Teamgeist, regeln das Miteinander und fördern die Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Zielen. Die Kombination all dieser Maßnahmen fördert und sichert langfristig unseren Erfolg.

In welchen Bereichen sehen Sie für die Fitness- und Gesundheitsbranche aktuell den größten Innovationsbedarf?

Der größte Innovationsbedarf der Fitness- und Gesundheitsbranche ist sicherlich das Erstreiten einer Anerkennung unserer Branche in der Gesellschaft, der Politik und dem öffentlichen Leben als relevanter Teil des Zweiten Gesundheitsmarktes. Hierfür muss die Aufklärung allgemein forciert werden, insbesondere beim Lehrpersonal, bei Ärzt:innen und Politiker:innen.

Schon der Sportunterricht in den Schulen müsste reformiert werden. Damit einhergehend bedarf es einer höheren Wertschätzung der Mitarbeitenden und ihrer Leistungen. Das sollte sich unter anderem in gut bezahlten Jobs zeigen. Wertschätzung für die Leistungen unserer Top-Mitarbeiter:innen muss auch den Kund:innen klargemacht werden. Diese Leistungen dürfen nicht – wie bislang üblich – immer inklusive sein. Eine adäquate Preispolitik sowie eine klare Positionierung und Erkennbarkeit im Markt zu zeigen, ist hier die Aufgaben der Unternehmer:innen.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 01/2022 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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