Fitness, Gesundheit | Autor/in: Prof. Dr. Friederike Rosenberger |

Krebsbetroffene mit Knochenmetastasen

Auch bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen kann Training dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Wenn die Krebserkrankung in die Knochen metastasiert, ist das Frakturrisiko allerdings erhöht. Das sieht man Patient:innen nicht unbedingt an. Eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung ist daher unerlässlich.

Nutzen-Risiko-Abwägung für das Training bei Knochenmetastasen

Auch für Menschen mit fortgeschrittener Krebserkrankung kann körperliche Aktivität ein wichtiger Bestandteil des Lebens sein. Wenn Knochenmetastasen vorhanden sind, besteht jedoch ein erhöhtes Frakturrisiko. Inzwischen liegen erste Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis vor, die zeigen, was bei der Trainingsgestaltung zu berücksichtigen ist.

Was sind Knochenmetastasen?

Knochenmetastasen sind Absiedlungen bösartiger Tumoren im Knochen. Etwa 60 bis 75 Prozent der Patient:innen mit fortgeschrittenem Brust- oder Prostatakrebs entwickeln sie im Laufe ihrer Erkrankung.

Die meisten Knochenmetastasen sind im Achsenskelett (Wirbelsäule, Brustkorb, Schädel) lokalisiert, aber auch Röhrenknochen können betroffen sein. Man unterscheidet osteolytische Knochenmetastasen (das Knochengewebe löst sich auf) und osteoplastische Knochenmetastasen (das Knochengewebe wuchert). Gemischte Formen sind ebenfalls möglich.

Bei allen Arten büßt der Knochen Stabilität ein, bei den osteolytischen jedoch mehr als bei den osteoplastischen. Von einer pathologischen Fraktur spricht man, wenn ein Knochen im Bereich der Metastase bei zum Teil nur geringer Krafteinwirkung bricht.

Bei Wirbelkörperfrakturen können Knochensplitter das Rückenmark verletzen. Etwa 35 Prozent der Brustkrebspatientinnen mit Knochenmetastasen weisen pathologische Frakturen auf – mitunter unbemerkt als Zufallsbefund. Knochenmetastasen können auch unabhängig von Frakturen starke Schmerzen verursachen.

Betroffene sind deshalb zum Teil mit Opiaten als Schmerzmedikation eingestellt (Sheill et al., 2018).

Beurteilung des Frakturrisikos

Die Stabilität betroffener Knochen wird in der Regel von Fachärzt:innen für Orthopädie oder Radiologie beurteilt. Bekannte Risikofaktoren für pathologische Frakturen sind osteolytische Metastasen, große Läsionen, Schmerz (insbesondere Belastungsschmerz), zahlreiche Knochenmetastasen sowie vorangegangene pathologische Frakturen (Saad et al., 2007; Sheill et al., 2018).

Es liegen verschiedene klinische Scores zur Stabilitätsbeurteilung für medizinische Therapieentscheidungen vor. Hierzu gehören der Spinal Instability Neoplastic Score (SINS) und der Taneichi Score für die Wirbelsäule sowie der Mirels‘ Score für die Röhrenknochen (Fisher et al., 2010; Mirels, 2003; Taneichi et al., 1997).

Bei sehr hoher Frakturgefahr wird der Knochen durch ein Korsett, Unterarmgehstützen oder Bettruhe entlastet. Zur Stabilisation kommen Medikamente (Bisphosphonate, Denosumab), Strahlentherapie oder operative Verfahren infrage.


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Einige Expert:innen gehen davon aus, dass das Frakturrisiko in den ersten Wochen nach Strahlentherapie durch Umbauprozesse zunächst steigt, bevor der Knochen bei Therapieerfolg rekalzifiziert.

Eine Stabilitätsbeurteilung im Hinblick auf körperliche Aktivität gehört nicht zum Routinevorgehen. Sie sollte von Patient:innen aktiv erfragt werden. Einige Autor:innen schlagen vor, die oben genannten Scores auch zu diesem Zweck zu verwenden. Andere Kliniker:innen lassen die Informationen ohne formale Score-Bildung in ihre Entscheidung einfließen.

Datenlage zu körperlichem Training

Bislang gibt es erst relativ wenige Studien zu körperlichem Training für Patient:innen mit Knochenmetastasen. Ein aktuelles systematisches Review fasst 17 Studien zusammen, von denen vier spezielle Trainingsprogramme für Patient:innen mit Knochenmetastasen untersuchten und 13 unter anderem Patient:innen mit Knochenmetastasen einschlossen (Weller et al., 2021).

In den meisten Studien wurde Krafttraining allein oder in Kombination mit Ausdauertraining durchgeführt. Zwei Studien beschäftigten sich mit reinem Ausdauertraining und zwei mit Fußball. Das Training wurde mindestens zu Beginn von Sport- und Bewegungstherapeut:innen supervidiert.

Verletzungsrisiko beim Training

Insgesamt traten vier Verletzungen auf (0,5 %), die sich beim Fußball ereigneten und nicht im Zusammenhang mit Knochenmetastasen standen. Allerdings hatten die meisten Studien strenge Teilnahmevoraussetzungen. Patient:innen mit instabilen oder schmerzhaften Knochenmetastasen oder funktionellen Beeinträchtigungen nahmen meist nicht teil.

Erwähnenswert sind die Trainingsansätze in den Studien, die speziell für Patient:innen mit Knochenmetastasen gestaltet waren. In zwei australischen Studien ließen die Teilnehmer:innen Übungen weg, bei denen betroffene Knochen belastet wurden.

So war allgemeines Fitnesstraining sicher möglich (Cormie et al., 2013; Galvao et al., 2018). In zwei Heidelberger Studien wurde hingegen die betroffene Körperregion gezielt trainiert. Patient:innen mit Wirbelsäulenmetastasen absolvierten unter Eins-zu-eins-Betreuung freie isometrische Übungen, um die wirbelsäulenstabilisierende Muskulatur zu kräftigen (Rief et al., 2014; Rosenberger et al., 2021).

Insgesamt zeigen die Studien, dass körperliches Training für Patient:innen mit Knochenmetastasen sicher und machbar ist, sofern Teilnahmevoraussetzungen definiert werden und das Training von qualifizierten Sport- und Bewegungstherapeut:innen angeleitet wird.

Trainingsempfehlungen: ein Expert:innenkonsens

Für evidenzbasierte Trainingsempfehlungen reicht die wissenschaftliche Datenlage bislang nicht aus. Kürzlich wurde jedoch ein erster Expert:innenkonsens publiziert (Campbell et al., 2022)(Lesen Sie mehr: 'Neues zur Krebstherapie').

Darin wird betont, dass das Risiko einer Knochenkomplikation gegen den potenziellen Nutzen des Trainings abgewogen werden sollte. Hierfür werden fünf Hinweise gegeben:

Folgende Informationen sollten eingeholt werden

a) zu den Knochenmetastasen: Lokalisation(en), Größe, Art, Erstdiagnose, Verlauf, Schmerz, Schmerzmedikation, sonstige Symptome,
b) allgemein: Krankheitsgeschichte, Therapie, Stürze und Frakturen, Knochendichte (falls verfügbar), bisheriges Training, Trainingsziele.

  • Für die Risikobeurteilung sollte unbedingt eine ärztliche Stabilitätseinschätzung eingeholt und ggf. mit dem:der Arzt:Ärztin besprochen werden.
  • Für die Trainingsbetreuung sind Physio- oder Sport- und Bewegungstherapeut:innen mit onkologischer Zusatzqualifikation und Erfahrung am besten geeignet.
  • Vor Leistungstests (z. B. Krafttests) sollte man abwägen, ob diese weggelassen oder angepasst werden müssen.
  • Bei der Trainingsdurchführung sollte auf Folgendes besonderer Wert gelegt werden:

    a) Körperhaltung und Bewegungsausführung,
    b) Vorsicht bei Übungen, die betroffene Knochen belasten,
    c) Fortlaufendes Monitoring und ggf. Anpassung der Übungen.

Welche Belastungen sind kritisch?

Welche Belastungen zu Frakturen führen, ist kaum systematisch beschrieben. Man geht davon aus, dass hoher Impact und nicht achsengerechte Belastungen kritisch sind.

Daher rät man mit zunehmender Instabilität vom Heben schwerer Lasten und von Stößen (z. B. Sprüngen) ab – im Extremfall bis hin zur Entlastung vom eigenen Körpergewicht.


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Bei Wirbelsäulenmetastasen sollten je nach Grad der Instabilität unter Last und endgradig oder generell zudem Rotation, Flexion, Extension und Lateralflexion vermieden werden. Bei Metastasen der Röhrenknochen erscheinen Scherkräfte und Torsion risikobehaftet.

Zudem sollte der Kraftfluss berücksichtigt werden. Beispielsweise kann beim Training an der Beinpresse je nach Gerät hoher Druck auf der Wirbelsäule oder dem Schultergürtel lasten, obwohl die untere Extremität trainiert wird. „Start low, go slow“ ist ein gängiger Hinweis in der Praxis.

Im schmerzfreien Bereich zu trainieren ist hingegen nicht immer ein sinnvoller Indikator, da einige Patient:innen ständig Schmerzen haben oder durch starke Schmerzmedikation keinen Schmerz spüren.


Fazit

Erste Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zeigen, dass körperliches Training für Patient:innen mit Knochenmetastasen sicher ist, wenn definierte Teilnahmevoraussetzungen eingehalten werden und das Training von qualifizierten Physio- oder Sport- und Bewegungstherapeut:innen betreut wird.

Expert:innen sind sich einig, dass das Risiko für eine Knochenkomplikation gegen den potenziellen Nutzen des Trainings abgewogen werden muss. Hierfür sollten Informationen zu den Knochenmetastasen und der Krankheitsgeschichte sowie eine ärztliche Stabilitätseinschätzung eingeholt werden.

Beim Training sollten die Übungen sorgfältig gewählt und besonderer Wert auf die Bewegungsausführung gelegt werden. So können auch Menschen mit fortgeschrittener Krebserkrankung und Knochenmetastasen von körperlichem Training profitieren.


Über die Autorin

Prof. Dr. Friederike Rosenberger, Sportwissenschaftlerin, ist Co-Leiterin der Arbeitsgruppe Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Dozentin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG)


Auszug aus der Literaturliste

Rosenberger, F., Sprave, T., Clauss, D., Hoffmann, P., Welzel, T., Debus, J. et al. (2021). Spinal stabilization exercises for cancer patients with spinal metastases of high fracture risk: feasibility of the DISPO-II training program. Cancers, 13 (201), 1–11.
Sheill, G., Guinan, E. M., Peat, N. & Hussey, J. (2018). Considerations for exer- cise prescription in patients with bone metastases: A comprehensive narrative review. PM R, 10 (8), 843–864.
Weller, S., Hart, N. H., Bolam, K. A., Mansfield, S., Santa Mina, D., Winters-Stone, K. M. et al. (2021). Exercise for individuals with bone metastases: A systematic review. Critical Reviews in Oncology/Hematology, 166, 1–9.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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