Verstärktes Risiko der Scheinselbstständigkeit: Vorsicht bei Beschäftigung externer Fachkräfte
Aktuell wenden sich sehr viele Mitglieder an das Juristenteam des DSSV e. V. Grund dafür: Im ganzen Land finden seit einiger Zeit verstärkt Prüfungen der Deutschen Rentenversicherung zur Scheinselbstständigkeit statt. Für Studios enden solche Prüfungen meist sehr negativ. Die Folge sind oft Aufforderungen zu horrenden Nachzahlungen. Aber es gibt auch risikolose Möglichkeiten, um im Trainings- und Kursbereich up to date zu bleiben: die Ausbildung von dual Studierenden.
Auf der Suche nach einer Form der Vereinbarung, die es erlaubt, spezielle und ggf. zeitlich limitierte Angebote von Spezialisten oder Selbstständigen anzubieten, stoßen die meisten Studios über kurz oder lang auf sogenannte freie Mitarbeiter oder Honorarkräfte.
Es ist nicht nur in der Fitness- und Gesundheitsbranche, sondern auch in der Bildungsbranche üblich, auf Rechnung zu arbeiten und Honorarverträge zu schließen. Allerdings ist die Zusammenarbeit mit Honorarkräften aus verschiedenen Gesichtspunkten äußerst risikoreich.
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So kann es passieren, dass es zur Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung und Feststellung des 'abhängigen Beschäftigungsverhältnisses' eines Trainers kommt. Außerdem kann die Durchführung der Statusklärung sinnvoll sein.
Betriebsprüfung
Nicht selten schließen Fitnessstudios Honorarverträge mit Kurstrainern, die ihre Leistungen auch über längere Zeiträume anbieten.
Gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV müssen Arbeitgeber regelmäßig, in der Regel mindestens alle vier Jahre, im Rahmen einer Betriebsprüfung gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) nachweisen, dass sie die einbehaltenen Sozialabgaben vorschriftsmäßig ermittelt und in richtiger Höhe abgeführt haben.
Wird erst im Nachhinein festgestellt, dass ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, droht die Nachzahlung aller Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigung von rückwirkend bis zu vier Jahren. Wird ein Vorsatz festgestellt, können sogar Ansprüche von bis zu 30 Jahren geltend gemacht werden.
Über die Autoren
Gülizar Cihan, DSSV-Juristin, war jahrelang als selbstständige Rechtsanwältin in verschiedenen Fachrichtungen tätig. Gleichzeitig war sie einige Zeit in einem mittelständischen Unternehmen rechtsberatend aktiv. Seit August 2021 gehört sie zur Rechtsabteilung des DSSV und berät die Mitglieder vor allem in verwaltungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen.
Tel.: 040 – 766 24 00, E-Mail: jurist@dssv.de
Dr. jur. Hans A. Geisler ist Mitbegründer und Namensgeber der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Geisler, Dr. Franke & Kollegen. Vor dem Beginn seiner Tätigkeit als selbstständiger Anwalt war er Unternehmer und Inhaber mehrerer Fitnessstudios. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bau- und Architektenrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, gewerblichen Rechtschutz sowie Strafrecht.
Tel.: 0521 – 557 519 0, E-Mail: kanzlei@kgfk.de
Solche oft empfindlichen Geldbeträge können für Studios ein herber wirtschaftlicher Schlag sein. Wer dieses schier unkalkulierbare Risiko nicht eingehen möchte, kann auf die Qualifizierung eigener Fachkräfte bauen. Eine sehr smarte, bewährte und preiswerte Lösung ist der Einsatz von dual Studierenden.
Beispielsweise können Studierende der DHfPG bereits während ihres Studiums kostenfrei zahlreiche Trainerlizenzen, wie z. B. 'Gruppentrainer/in-B-Lizenz', 'Kursleiter/in Cardio' oder 'Kursleiter/in Workout', durch das Absolvieren bestimmter Studienmodule erhalten.
Scheinselbstständigkeit
Die Überprüfung der Rentenversicherung findet nach der Maßgabe des Sozialgesetzbuches IV statt. Dort werden die Vorschriften für die Sozialversicherung gesetzlich geregelt.
Ausschlaggebend für die Prüfung, ob es sich um einen echten Selbstständigen oder um einen Scheinselbstständigen handelt, ist zunächst die relativ kurze Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV:
§ 7 SGB IV (Beschäftigung)
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Über die Anhaltspunkte, die nach der Vorgabe des Gesetzestextes für ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis sprechen, sind nicht nur endlose Abhandlungen geschrieben worden, sondern sie wurden auch von der Rechtsprechung ausgelegt und erläutert.
Wichtig hierbei: Die Bezeichnung einer Tätigkeit (z. B.: 'Vertrag freier Mitarbeiter', 'Honorarvertrag') kann den Beschäftigungsstatus nicht festlegen, sie hat lediglich eine Indizwirkung.
Kriterien, an denen eine Selbstständigkeit scheitert
Die übliche Argumentation der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), die zur Einschätzung der Scheinselbstständigkeit führt, ist die folgende: Beschäftigter ist, wer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Das ist immer der Fall, wenn eine Person Leistungen erhält, die nur im Arbeitsverhältnis gewährt werden, wie beispielsweise Urlaub und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall.
Die persönliche Abhängigkeit erfordert weiter eine Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung.
Im Gegensatz dazu würde eine freie Einteilung der Arbeitszeit, eine freie Gestaltung der Arbeitsleistung, das Tragen eines eigenen, erheblichen Unternehmerrisikos eine selbstständige Tätigkeit bedeuten.
Besonders wird in letzter Zeit das unternehmerische Risiko, das für die zu beurteilende Person besteht, geprüft.
Das Bundessozialgericht (BSG) betonte bereits in einer frühen Entscheidung, dass es ein maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
Eingliederung in die Organisation des Weisungsgebers
Bei Fitnessstudios wird von Gerichten immer wieder bemängelt, dass wegen der Kurspläne und Öffnungszeiten Zeit und Ort nicht frei gewählt werden können.
Wenn allerdings ein Trainer mit einem Angebot an das Studio herantritt und dem Studio freie Termine anbietet, begibt er sich aus freien Stücken zu seinen Konditionen an einen bestimmten von ihm gewählten Ort.
So trat z. B. ein Trainer mit folgendem Angebot an ein Studio heran:
„Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin XY, habe eine Ausbildung im Bereich Z und bin Z-lizenzierter Trainer. Ich könnte bis Oktober dieses Jahres jeden Montag und Donnerstag jeweils um 17, 18 oder 19 Uhr meine Rückenkurse auch in Ihrem Studio anbieten. Ich bringe das nötige Equipment und meine Musik mit. Pro Kurs berechne ich eine Gebühr von XXX EUR. Bei einer Anmeldezahl von unter fünf Teilnehmern stelle ich dem Studio frei, den Kurs ersatzlos zu streichen. Sie müssten mir dann bitte lediglich 24 Stunden vor Beginn des Kurses die Anzahl der Anmeldungen mitteilen. Gern höre ich von Ihnen, wenn Ihnen mein Vorschlag gefällt.“
Leider ist dieser Fall noch nicht von der Rentenversicherung geprüft worden. Durch ein solches Angebot würden jedoch die Argumente im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeit, Ort und Inhalt der Leistung entfallen.
Auf der anderen Seite ist die Weisungsgebundenheit ein relativ schwaches Kriterium, da die Rechtsprechung und auch die Deutsche Rentenversicherung anerkennt, dass ein Arbeitgeber, je qualifizierter die Tätigkeit eines Mitarbeiters ist, oft von seinem Direktionsrecht kein oder kaum Gebrauch macht.
In diesen Fällen wird die Ausübung des Weisungsrechts mithin 'verwässert' und verliert an Bedeutung.
Allerdings achtet die Rentenversicherung auch auf kleinere Details: Wenn etwa der Trainer ein T-Shirt des Studios trägt, die Hanteln oder Yogamatten mitbenutzt oder im Firmen-PC nach der Teilnehmerliste sucht, sind dies gleich Hinweise auf seine Eingebundenheit in die Organisation des Inhabers.
Präzedenzfall mit Wirkung
Tatsächlich hat sich die Bewertungspraxis der Deutschen Rentenversicherung seit Anfang dieses Jahres erheblich geändert, weshalb aktuell kein Fall bekannt ist, in welchem eine selbstständige Tätigkeit seitens der Rentenversicherung Bund noch angenommen worden ist.
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Grund hierfür ist vor allem ein Beschluss des Landessozialgerichts Bayern (Beschluss vom 18.08.2023, Az.: L 7 BA 72/23 B ER):
Ein Fitnessstudio wurde von der Deutschen Rentenversicherung geprüft und die dort als freien Mitarbeiter tätigen Trainer als scheinselbstständig bewertet. Es folgte ein Beitragsbescheid über Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 59.107,76 EUR.
Da entsprechende Bescheide sofort vollstreckbar sind, hat das Fitnessstudio in einem Eilverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung herzustellen.
In solchen Eilverfahren findet nur eine summarische Prüfung durch das Gericht statt, weshalb dieses Verfahren, auch aufgrund der bereits existierenden Rechtsprechung, ungeeignet und auch aussichtslos war.
Das LSG München hat erwartungsgemäß zulasten des klagenden Fitnessstudios entschieden. Zudem hat es einen sehr deutlich formulierten Leitsatz aufgestellt: „In fremden Fitnessstudios tätige Fitnesstrainer sind regelmäßig abhängig beschäftigt.“
Scheinselbstständige Arbeitnehmer sind sozialversicherungspflichtig
Schuldner der gesamten Sozialversicherungsbeiträge, also der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile, ist der Arbeitgeber.
Es besteht für die Arbeitnehmeranteile zwar ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer, dieser ist jedoch gem. § 28g SGB IV auf drei Monate unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze beschränkt. Damit trägt faktisch der Arbeitgeber das sozialversicherungsrechtliche Risiko.
Kriterium 'unternehmerisches Risiko'
Zu den wichtigsten Kriterien einer Selbstständigkeit gehört das unternehmerische Risiko der Honorarkraft.
Das unternehmerische Risiko soll nach einem Urteil des BSG nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit sein, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25.04.2012, - B 12 KR 24/10 R).
Vorsicht bei Provisionsregelungen
Provisionsregelungen können für eine Selbstständigkeit des Trainers sprechen. Das unternehmerische Risiko wird in den meisten Fällen nicht anerkannt, wenn der Trainer kein eigenes Kapital mit dem Risiko des Verlustes einsetzen muss.
Einen sicheren Weg zur Vermeidung empfindlicher Nachzahlungen die Sozialversicherungsbeiträge betreffend lässt sich damit also auch nicht erschließen.
Außerdem ist zu prüfen, ob weitere Honorartätigkeiten für andere Studios vorhanden sind. Die Bindung an nur einen Vertragspartner ist ein deutliches Indiz für Scheinselbstständigkeit.
Umgekehrt hat der Umstand, dass der freie Mitarbeiter eine Vielzahl weiterer Auftraggeber hat, leider keine Bedeutung. Hat der Honorartrainer hingegen einen angestellten Mitarbeiter, der ihn im Bedarfsfall vertreten kann, spricht dies wiederum für eine Selbstständigkeit.
Statusfeststellungsverfahren
Das Risiko, dass im Nachhinein Sozialversicherungsbeiträge für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren (die Summen sind meistens mindestens fünfstellig) nachgezahlt werden müssen, kann man lediglich minimieren, indem man vor Aufnahme der Tätigkeit, spätestens aber innerhalb eines Monats danach, ein Statusfeststellungsverfahren durchführt.
Auch die Honorarkraft selbst kann allein ein solches Verfahren durchführen lassen. Es lohnt sich daher, zu fragen, ob der freie Mitarbeiter bereits seinen Status hat feststellen lassen.
Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Feststellung des Status aktuell ist; im Zweifel kann auch der Auftraggeber selbst noch ein Statusverfahren durchführen lassen.
Soweit jedoch die Zusammenarbeit schon länger als ein Monat andauert, muss bei einer negativen Feststellung auch rückwirkend gezahlt werden, weshalb es sich in diesen Fällen nicht empfiehlt, einen solchen Antrag zu stellen.
Stellt die DRV eine Selbstständigkeit fest, kann der Honorartrainer bedenkenlos als solcher tätig werden. Um all diese Hürden und die Gefahr einer horrenden Nachzahlung bereits von Beginn an zu umgehen, können Studiobetreiber auf die Beschäftigung von dual Studierenden setzen und so ganz ohne Mühen ihren Kursbereich up to date halten.
Umdenken bei der Deutschen Rentenversicherung?
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) hat ihre Prüfpraxis aufgrund des sogenannten Herrenberg-Urteils (Az. B 12 R 3/20 R vom 28. Juni 2022) weitgehend umgestellt.
Das Bundessozialgericht hat mit dieser Entscheidung die Messlatte für die Bejahung einer selbstständigen Tätigkeit, in diesem Fall für Musiklehrer, sehr hoch gesetzt. Seither wendet die Deutsche Rentenversicherung diese strengeren Maßstäbe auch im Rahmen ihrer Prüfungen in Fitnessstudios an.
Da zwischenzeitlich der Dachverband des DSSV e. V., die BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V.), Fachgespräche mit dem Bundesarbeitsministerium gestartet hat, werden Verfahren zwischenzeitlich ruhend gestellt.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund verfolgt ihre Leitlinie im Bereich 'Lehrberufe' weiter und stellt aktuell daher auch entsprechende Prüfverfahren in der Fitnessbranche ruhend.
Im Oktober 2024 wird die BDA den Dialog mit dem Bundesarbeitsministerium fortsetzen. Der DSSV e. V. setzt sich durch die enge Zusammenarbeit mit der BDA aktiv dafür ein, dass die DRV von ihren restriktiven Prüfmaßstäben endgültig Abstand nimmt.
Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage
Zu allen rechtlichen Fragen rund um den Studioalltag bietet die Rechtsabteilung des DSSV im Rahmen einer bestehenden Mitgliedschaft die Möglichkeit, eine kostenlose rechtliche Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage zu erhalten, beispielsweise nach Erhalt einer Attestkündigung, zur Überprüfung von Vertragsklauseln oder zu arbeitsrechtlichen Themen. Weitere Informationen von Dr. Hans Geisler zu diesem Thema erhalten Mitglieder im internen Bereich des DSSV.
Der Bildungspartner des DSSV, die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG), berät Sie unter Tel.: + 49 681 6855 580 gern zu den Vorteilen des dualen Studiums inklusive der bis zu 17 Zusatzlizenzen im Individual- sowie Gruppentrainingsbereich, die dual Studierende kostenfrei während ihres Studiums über das Schwesterunternehmen, die BSA-Akademie, erwerben können.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 04/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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