Digital, Anzeige | Autor/in: Prof. Dr. Marco Speicher |

Wohlbefinden steigern durch digitale Systeme

Die Digitalisierung hat unser Leben in vielen Bereichen positiv beeinflusst und verändert. Gleichzeitig zählen eine anhaltende Informationsflut, Augenbelastungen und körperliche Fehlhaltungen zu den negativen Folgen. Damit wir aus der Digitalisierung ausschließlich positiven Nutzen ziehen können, wurden wiederum digitale Systeme entwickelt, die Probleme lösen und unser Wohlbefinden nachhaltig steigern können.

Anwendungen der Sport- und Gesundheitsinformatik: Teil 6

Ein Schwerpunkt bei der Digitalisierung im Sport-, Fitness- und Gesundheitsbereich liegt auf der Nutzung von Sensordaten, um Menschen gesund zu halten (durch Prävention und Früh-
erkennung) oder ihnen zu helfen, mit bestehenden Erkrankungen zurechtzukommen.

Dabei wird sowohl das körperliche als auch das geistige Wohlbefinden berücksichtigt. Bei den Lösungen muss sich der Fokus aber auf Benutzerfreundlichkeit und Benutzerakzeptanz richten.


 


Im Folgenden möchten wir Ihnen kleinere Beispiele vorstellen, wie digitale Assistenzsysteme Sie heute schon unterstützen können.

Digitale Informationsflut gezielt begrenzen

Mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones zeigt sich auch ein problematisches Phänomen: Die Menschen ändern ihre Gewohnheiten und können sogar süchtig nach verschiedenen Apps oder Diensten werden, die diese Geräte bieten.

Bereits 2013 wurde zu Forschungszwecken eine App – AppDetox – entwickelt, mit der Benutzer bewusst Regeln erstellen können, die sie von der übermäßigen Nutzung bestimmter Apps abhalten.

In einer Beobachtungsstudie mit über 11.700 Nutzern konnten die Forscher feststellen, dass die Probanden bei der Einschränkung des Gebrauchs von bestimmten Apps ziemlich rigoros vorgehen und dass sie die Nutzung von Social-Networking- und Messaging-Apps meist unterdrücken.

Ein paar Jahre später wurde dem Betriebssystem der Smartphones eine Funktion hinzugefügt, die dafür sorgt, dass man nicht durch eine ständige Flut von E-Mails oder lustigen Videos abgelenkt wird.

Dabei ist es ganz gleich, ob man sich auf die Arbeit konzentrieren muss, sich Zeit für die Familie nehmen oder einfach nur ein paar Stunden für sich selbst haben möchte.

Dieser sogenannte Konzentrationsmodus (oder 'Focus Mode') ist im Grunde eine verfeinerte Version des 'Nicht stören'-Modus. Während diese Funktion aktiv (also der Nutzer 'konzentriert') ist, blockiert sie Benachrichtigungen von bestimmten Anwendungen, entfernt offene Mitteilungen von ausgewählten Apps bzw. Diensten und verhindert, dass weitere Benachrichtigungen angezeigt werden.

Darüber hinaus wird auch die Nutzung störender Apps während des Konzentrationsmodus blockiert, sodass man sie nicht „versehentlich“ öffnen kann, wenn man eigentlich etwas anderes tun sollte.

Dunkle Bildschirme senken Augenbelastung

Jeder kennt das Problem, wenn man sich in einem dunklen Raum befindet und der weiße Bildschirm blendet. Viele beliebte Anwendungen bieten daher neuerdings den 'dunklen Modus' als optionales Design an.

Es handelt sich dabei um einen einfachen Umschalter, mit dem man die Hintergrundfarbe eines App-Fensters auf dunkel bzw. schwarz ändern kann. Es sind jedoch nicht nur die trockenen und schmerzhaften Augen, die man nach einem langen Tag an einem hellen blauen Bildschirm hat.

Hier wird auch die Ausschüttung des Hormons Melatonin unterdrückt, das für den Schlaf wichtig ist. Ein Beispiel hierfür ist der Blauanteil im Licht, der bei sogenannten Tageslichtlampen höher als bei gewöhnlichen Schreibtischlampen ist und damit die Konzentration steigern soll.

Doch wann sollte man den 'dunklen Modus' nicht verwenden? Es sind nicht alle dunklen Hintergründe gut. Wenn man zum Beispiel ein Gerät in einem gut beleuchteten Raum oder in direktem Sonnenlicht verwendet, kann Text auf dunklem Hintergrund schwer lesbar sein und so wiederum die Augen belasten.

Der einzige Grund, keinen Dunkelmodus anzubieten, wäre also, wenn man sich sicher ist, dass die App ausschließlich bei hellem Tageslicht benutzt wird, wie z. B. bei außerhäuslichen Sportaktivitäten.

Aus diesem Grund könnte aber eine automatische Umschaltung von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang oder bei stark veränderten Lichtverhältnissen ein interessantes Feature einer App sein.

Man kennt dieses Feature aber auch schon von Navigationsgeräten in Autos, die beispielsweise in Tunneln oder nachts automatisch umschalten.

Falsche Körperhaltung vermeiden

Leider verbringen die meisten Menschen in der heutigen modernen Welt den größten Teil ihrer Tage „zusammengefallen“ über einem Computerschreibtisch bei der Arbeit und abends gebückt vor digitalen Geräten.

Nur selten am Tag befinden wir uns nicht in dieser gekrümmten Haltung. Hier können unterschiedliche digitale Assistenzsysteme unterstützen, wie beispielsweise ein simpler Erinnerungsdienst.

In regelmäßigen Abständen lässt man sich so daran erinnern, eine gesunde Körperhaltung beizubehalten oder diese wiederherzustellen. Verschiedene Anbieter geben zudem auch über Browsererweiterungen oder mobile Apps hilfreiche Tipps in Form von Videos oder Illustrationen, wie man sich im Arbeitsalltag fit halten kann.

Doch wie verhindert man, dass diese Form der Erinnerung nicht einfach nur eine weitere in der sowieso schon großen Flut an Mitteilungen und Benachrichtigungen wird?

Die Idee wäre hier die Kopplung der Erinnerungsfunktion an körpernahe Sensoren oder instrumentierte Büromöbel, wie zum Beispiel einen Stuhl, der die Ergonomie erkennt und weiß, wie lange man bereits sitzt.

Ein Beispiel für körpernahe Sensoren könnte ein intelligenter Schultergurt sein, den man einfach unter der Kleidung tragen kann. So wäre eine Quantifizierung des Büroalltags möglich und man verfolgt die Bürofitness in Echtzeit.

Nach einer Kopplung mit dem Smartphone erhält man dann konkrete Bewegungsempfehlungen von einem virtuellen Coach. Auch das Trainieren mit Biofeedback oder die Verbesserung der Körperhaltung können so möglich gemacht werden.

Um dann auch weg von der üblichen Art der Notifikation zu kommen, nämlich der Pushnachricht auf dem Telefon, wäre eine weitere Kopplung an die Umgebung denkbar.

Solche 'Ambient Notifications', wie zum Beispiel eine künstliche Zimmerpflanze im Blickfeld, die ihre Blätter hängen lässt, oder eine blinkende Schreibtischlampe wären Möglichkeiten, den 'Benachrichtigungsdschungel' zu entzerren und nicht alles an einem Ort zu bündeln.

Fazit

Die zunehmende Verbreitung von Smartphones und Tablets hat ihre Verwendung in der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche besonders in der Form von Trainings- und Gesundheits-Apps gefördert und damit zur Entstehung des Begriffs mHealth (= mobile Health) geführt.

mHealth-Lösungen wurden in den letzten Jahren sowohl für Ärzte als auch für Patienten entwickelt, die an einer Vielzahl von Krankheiten wie Tinnitus oder Depressionen leiden.

Die Benutzerfreundlichkeit und -akzeptanz ist jedoch eines der Haupthindernisse für die Einführung von mHealth-Systemen. In benutzerfreundlichen Anwendungen hingegen mangelt es häufig an Fachwissen aus der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche.

Absolventen des neuen dualen Studiengangs B. Sc. Sport-/Gesundheitsinformatik vereinen Expertise aus diesen Gebieten und können so einen klaren Vorteil gegenüber existierenden Ansätzen, aber auch einen echten Mehrwert für die Zufriedenheit der Benutzer darstellen.

Über den Autor

Prof. Dr. Marco Speicher ist Dozent an der DHfPG. 2019 promovierte er im Fachbereich Informatik an der Universität des Saarlandes zum Thema 'Measuring User Experience for Virtual Reality'.

Von 2014 bis 2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Dort war er Teil des Forschungs- und Entwicklungsteams des Ubiquitous Media Technologies Lab (UMTL) und des Innovative Retail Laboratory (IRL).

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 06/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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fMi 06/2020