Der Urlaub ist vorbei – oder doch nicht?

Urlaub verfällt nur bei klarer, individueller Information durch den Arbeitgeber. Ohne Hinweis kann er sogar rückwirkend noch eingefordert werden.
Lesezeit: 4 Minuten
Rückansicht eines Mannes in Badehose, der in die Luft springt, links oben DSSV-Logo.
Urlaub genießen: Klarheit über Ansprüche sorgt für Planungssicherheit im Studioalltag
Jahr für Jahr passiert es in deutschen Unternehmen: Mitarbeitende lassen ein paar Urlaubstage liegen und Arbeitgeber gehen davon aus, dass diese spätestens zum 31. März des Folgejahres verfallen. Ein vermeintlich alltäglicher Vorgang, der inzwischen jedoch erhebliche rechtliche Konsequenzen haben kann. Warum Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden aktiv über den Urlaubsanspruch informieren müssen – und welche rechtlichen Folgen ein Versäumnis hat.

Das geltende Recht sieht heute vor: Urlaub verfällt nur dann, wenn der Arbeitgeber vorher klar und individuell über den Anspruch, die Frist und den drohenden Verfall informiert hat. Geschieht das nicht, bleibt der Urlaub bestehen – und kann sogar rückwirkend geltend gemacht werden.

Diese gravierende Veränderung in der Rechtsprechung ist vielen Unternehmen noch nicht ausreichend bewusst. Dabei geht es um mehr als nur ein paar Tage Freizeit: Es geht um finanzielle Risiken, rechtliche Verpflichtungen – und um die Notwendigkeit, Prozesse im Personalwesen anzupassen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben mit ihren Entscheidungen eindeutige Maßstäbe gesetzt. Arbeitgeber sind jetzt in der Pflicht – und wer das ignoriert, läuft Gefahr, rückwirkende Ansprüche begleichen zu müssen.

Urlaub verfällt nicht automatisch zum 31. März

Viele Unternehmen glauben noch, dass nicht genommener Urlaub automatisch zum Jahresende oder spätestens zum 31. März des Folgejahres verfällt. Doch das ist längst nicht mehr haltbar. Ohne einen klaren, individuellen Hinweis des Arbeitgebers auf den konkreten Urlaubsanspruch und die drohende Verfallsfrist bleibt der Anspruch bestehen – und kann über Jahre hinweg nachträglich eingefordert werden.

Diese neue Rechtslage basiert auf einem Urteil des EuGH, das bereits 2019 (C-684/16) gefällt wurde. Das BAG hat dieses Prinzip am 31. Januar 2023 nochmals ausdrücklich bestätigt. Damit wurde endgültig klargestellt: Arbeitgeber haben eine sogenannte Mitwirkungspflicht. Das bedeutet, sie müssen aktiv dazu beitragen, dass Beschäftigte ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen können – und sie müssen rechtzeitig und nachvollziehbar über mögliche Fristen informieren.

Konkret heißt das: Nur wenn ein Arbeitgeber nachweislich und individuell über Urlaubsansprüche und Verfallsfristen informiert, kann ein Urlaubsanspruch tatsächlich verfallen. Unterlässt er dies, bleibt der Urlaub erhalten – auch über Jahre hinweg. Die Folgen zeigen sich vor allem dann, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Denn dann müssen alle offenen Urlaubsansprüche ausbezahlt werden. Ohne vorherige Information kann das mitunter auch Jahre zurückreichen.

Urteile zeigen klare Richtung

Ein konkreter Fall vor dem Bundesarbeitsgericht macht das deutlich: Ein Arbeitnehmer war seit Mitte Januar 2016 krankgeschrieben und schied 2019 aus dem Unternehmen aus. Er forderte die Abgeltung seines Urlaubs aus dem Jahr 2016 – obwohl dieser nach der 15-Monatsregel am 31. März 2017 eigentlich verfallen wäre. Doch der Arbeitgeber hatte ihn Anfang Januar 2016 – als er noch gearbeitet hatte – nicht über seine Urlaubsansprüche und deren drohenden Verfall informiert. Ergebnis: Der Urlaub blieb bestehen und musste ausgezahlt werden.

Verfallshinweise richtig übermitteln

Arbeitgeber sind also nicht nur moralisch, sondern auch juristisch verpflichtet, ihre Mitarbeitenden über bestehende Urlaubsansprüche aufzuklären. Und das muss in einer Form geschehen, die keine Zweifel offen lässt. Eine allgemeine Mitteilung im Intranet oder ein Aushang in der Teeküche reicht nicht. Entscheidend ist die individuelle Information in Textform.

Dabei sind folgende Punkte unbedingt zu beachten:

  • Konkretisierung des Anspruchs: Wie viele Urlaubstage stehen dem Mitarbeitenden im laufenden Jahr zu?
  • Hinweis auf Frist: Bis wann muss der Urlaub genommen werden?
  • Verfallserklärung: Was passiert, wenn der Urlaub nicht rechtzeitig beantragt wird?
  • Aufforderung zur Handlung: Mitarbeitende müssen ausdrücklich zur rechtzeitigen Urlaubsnahme aufgefordert werden.

So könnte eine rechtssichere Urlaubsmitteilung aussehen:

Ohne Mitteilung beginnt keine Verjährung

Ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt: Ohne Mitteilung beginnt keine Verjährung. Das bedeutet, dass alte Urlaubsansprüche nicht automatisch verfallen – sie bleiben bestehen, solange der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nicht nachgekommen ist. Erst wenn eine ordnungsgemäße Information erfolgt, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen (§§ 195, 199 BGB).

Wie häufig muss informiert werden? Das Bundesarbeitsgericht sieht eine einmalige, jährliche Information zu Jahresbeginn als ausreichend an. Empfehlenswert ist es dennoch, im Laufe des Jahres – insbesondere in der zweiten Jahreshälfte – eine Erinnerungsmail zu verschicken. Das erleichtert nicht nur die Personalplanung, sondern stärkt auch die rechtliche Position des Unternehmens.

Dos and Don'ts

Typische Irrtümer rund um den Urlaubsanspruch zeigen, wie viel Aufklärungsbedarf noch besteht:

  • „Ein Aushang reicht.“ – Nein. Die Information muss individuell und schriftlich erfolgen.
  • „Ein Hinweis im Arbeitsvertrag genügt.“ – Falsch. Die Pflicht besteht jährlich neu.
  • „Krankheit lässt den Urlaub automatisch verfallen.“ – Nur, wenn vorher korrekt informiert wurde.

Was bedeutet das nun für die betriebliche Praxis? Unternehmen sollten klare Prozesse definieren:

  • standardisierte Urlaubsmitteilungen zu Jahresbeginn
  • automatisierte Erinnerungen bei Resturlaub
  • nachvollziehbare Dokumentation der Kommunikation

Ein solches Vorgehen schützt nicht nur vor Nachforderungen, sondern schafft auch Klarheit und Vertrauen in der Belegschaft. Es lohnt sich also, diese scheinbar formale Pflicht ernst zu nehmen.

Zu allen rechtlichen Fragen rund um den Studioalltag bietet die Rechtsabteilung des DSSV im Rahmen einer bestehenden Mitgliedschaft die Möglichkeit, eine kostenlose rechtliche Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage zu erhalten, beispielsweise nach Erhalt einer Attestkündigung, zur Überprüfung von Vertragsklauseln oder zu arbeitsrechtlichen Themen.

Fazit

Urlaub verfällt nicht automatisch. Arbeitgeber müssen aktiv informieren – individuell, rechtzeitig und eindeutig. Versäumt ein Unternehmen diesen Hinweis, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und kann rückwirkend geltend gemacht werden. Das Risiko dabei ist hoch, der Aufwand für rechtssicheres Handeln hingegen überschaubar. Es gilt: Rechtssicherheit beginnt mit Information.

Der DSSV unterstützt seine Mitglieder mit praxisnahen Vorlagen, Checklisten und individuellen Beratungsmöglichkeiten. Wer hier auf Nummer sicher geht, verhindert unnötige Konflikte – und sorgt zugleich für mehr Transparenz im Unternehmen.

Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:

Cihan, G. (2025). Der Urlaub ist vorbei – oder doch nicht? fitness MANAGEMENT international, 4 (180), 62–64.

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