Die Fitnessbranche aus volkswirtschaftlicher Sicht
Regelmäßige körperliche Aktivität wie Fitnesstraining ist gut für die Gesundheit. Dieser Fakt ist auch in der breiten Gesellschaft allgemein bekannt. Daneben ist die Fitness- und Gesundheitsbranche auch von hoher Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und trägt einen wichtigen Teil zur Bruttowertschöpfung, zum Volkseinkommen und zu den Steuereinnahmen der Bundesrepublik bei. Im Folgenden erfahren Sie, welchen Mehrwert die 9.669 Fitness- und Gesundheits-Anlagen mit ihren 11,66 Millionen Mitgliedern für Deutschland generieren.
Eine inaktive Lebensweise, gepaart mit einem, sich allgemein negativ auf die Gesundheit auswirkenden Lebensstil, bleibt nicht ohne Konsequenzen für unsere Gesundheit. Laut der WHO sterben weltweit über 16 Millionen Menschen an den Folgen von vermeidbaren Zivilisationskrankheiten. Bei vielen Erkrankungen von Herz oder Lunge, bei Bluthochdruck oder Diabetes mellitus, bei Osteoporose und Tumorleiden, aber auch bei Depressionen oder Demenz sollte je nach gesundheitlicher Verfassung regelmäßige körperliche Aktivität wie Fitnesstraining in den Therapiekonzepten verankert werden. Denn Fakt ist: Vermehrte Aktivität und Bewegung sorgen nachweislich für eine Verbesserung der Lebensqualität und führen zu einer Reduktion der genannten, aber auch vieler weiterer Krankheitsbilder.
Dementsprechend ist Fitnesssport ein wirkungsvolles „Medikament“ gegen viele dieser Volkskrankheiten. Die 9.669 Fitness- und Gesundheits-Anlagen in Deutschland sind Orte, an denen jeder – unabhängig seines Alters – seinen Gesundheitszustand, sein Immunsystem sowie seine Leistungsfähigkeit und auch seinen mentalen Zustand erhalten und stärken kann. Mit Fitnesstraining schaffen wir viele positive Effekte gleichzeitig. Der Stellenwert eines gesundheitsbewussten Lebens in der Bevölkerung steigt und somit auch die gesellschaftliche Bedeutung unserer Branche. Fitness und aktives Gesundheitstraining gehören heute zu einem modernen Lebensstil.
Volkswirtschaftliche Relevanz der Fitnessbranche
Neben den genannten gesundheitlichen Aspekten ist die Branche auch aus ökonomischen Gesichtspunkten von hoher Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und trägt einen wichtigen Teil zur Bruttowertschöpfung, dem Volkseinkommen und den Steuereinnahmen bei. Über zwei Drittel der deutschen Bruttowertschöpfung werden im tertiären Wirtschaftssektor generiert. Dieser Sektor umfasst die Dienstleistungsbereiche, die für ihre Leistungserstellung auf den Arbeitsfaktor Mensch angewiesen sind. Genauer gesagt: gesunde, arbeitsfähige Menschen – die Arbeitnehmer.
Ein Ausfall der Arbeitnehmer, z. B. durch Krankheit, führt zu Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tage). Diese hindern das Wachstum der deutschen Wirtschaft und kosten Geld. Die Handwerkskammern beziffern die Produktionsausfallkosten auf rund 100 EUR pro AU-Tag/Arbeitnehmer. In Dienstleistungsbetrieben liegen die Kosten für einen AU-Tag je nach Branche und Betriebsgröße sogar zwischen 200 und 400 EUR pro Arbeitnehmer.
Mehrwert durch Reduktion von AU-Tagen
Im Februar 2020 hat das statistische Bundesamt rund 45 Millionen Erwerbstätige in Deutschland registriert. Werden Kosten durch AU-Tage von 100 EUR angenommen, liegen die Ausfallkosten auf alle Erwerbstätige hochgerechnet bei 4,5 Mrd. EUR pro Tag. Oder anders ausgedrückt: Wenn es durch gesundheitsorientiertes Fitnesstraining gelingt, die durchschnittlichen AU-Tage um einen Tag zu senken, kann unsere Wirtschaft 4,5 Mrd. EUR mehr an Wertschöpfung generieren.Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zufolge liegt der jährliche Gesamtausfall an Produktion und Bruttowertschöpfung durch AU-Tage bei etwa 145 Mrd. EUR. Das Potenzial ist somit groß.
Durch das Wachstum der Fitness- und Gesundheitsbranche in den vergangenen Jahren wurden viele Arbeitsplätze geschaffen, die positiv zum Volkseinkommen beitragen. Per 31. Dezember 2019 sind rund 217.400 Beschäftigte in der Fitnesswirtschaft tätig. Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Arbeitsplätze ist an dieser Stelle zu betonen. Kaum einer dieser Beschäftigten ist „outsourcebar“. Die Arbeitsplätze umfassen i. d. R. eine persönliche Dienstleistung, die durch den Mitarbeiter, z. B. den Trainer, direkt am Kunden durchgeführt wird. Dazu kommt, dass sich die Fitness- und Gesundheitsbranche kontinuierlich professionalisiert. Laut den „Eckdaten 2020“ des DSSV handelt es sich bereits bei einem Fünftel der Mitarbeiter um Akademiker. Die Tendenz ist steigend, da 80,2 Prozent der Fitnessbetriebe mindestens einen dual Studierenden beschäftigen. Diese fachlich kompetenten Mitarbeiter tragen aktiv zu einer besseren Wirtschaftlichkeit des Unternehmens bei.
Die Berechnung der Umsatzsteuer bezieht sich auf das Gesamtjahr 2019 und unterliegt der Annahme, dass die Nebenumsätze i. H. v. 0,52 Mrd. EUR netto hälftig mit dem regulären (19 %) und dem ermäßigten Steuersatz (7 %) entstanden sind.
Steuereinnahme in Milliardenhöhe
Laut der Eckdaten-Studie 2020 generierten die deutschen Fitness- und Gesundheits-Anlagen im Jahr 2019 rund 5,51 Mrd. EUR netto. Davon sind 4,99 Mrd. EUR Umsatzerlöse aus Mitgliedsbeiträgen, die mit 19 Prozent versteuert werden. Dies entspricht 948 Mio. EUR Steuereinnahmen. Hinzu kommen die Zusatzumsätze von 0,52 Mrd. EUR netto, die teilweise auch dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent unterliegen, wie z. B. Nahrungsergänzungsmittel zum Verzehr außer Haus. Unter der vereinfachten Annahme, dass sich diese Umsätze zur Hälfte aus 19 und 7 Prozent zusammensetzen, generiert die Branche hierdurch weitere 67 Mio. EUR Steuereinnahmen. Insgesamt erzielt die Fitnessbranche also mehr als eine Milliarde Euro Umsatzsteuereinnahmen für die Bundesrepublik. Zur genannten Umsatzsteuer kommen weitere Steuerarten hinzu. Diese umfassen beispielsweise die Lohn-, die Einkommens-, die Energie- sowie die Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Auch bei diesen Steuerarten tragen die Fitnessstudios ihren Teil zu den Steuereinnahmen für die Länder und Gemeinden bei.
Fazit
Fitness-Anlagen sind nicht nur als Gesundheitsanbieter relevant, sondern generieren für die Bundesrepublik Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Zudem bietet die Branche ein hohes Potenzial für Kosteneinsparungen, wenn durch gesundheitsorientiertes Training die AU-Tage reduziert werden können. Des Weiteren existieren durch die Fitness- und Gesundheitsbranche über 200.000 Arbeitsplätze, die vom Outsourcing ausgeschlossen sind.
Über den Autor
Florian Kündgen ist für die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) als Dozent tätig. Zudem ist er als freier Mitarbeiter im Bereich Unternehmensbewertungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Fitness- und Gesundheits-Anlagen sowie als Mitarbeiter im Bereich der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung tätig. Ab 1. Juli 2020 ist er stellvertretender Geschäftsführer des DSSV.
Auszug aus der Literaturliste
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (2020). Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit. Zugriff am 04.05.2020 unter https://www.baua.de/
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (2020). WHO-Bericht zu Zivilisationskrankheiten. Zugriff am 04.05.2020 unter https://www.inform.de/wissen/meldungen/profiportal/who-bericht-zu-zivilisationskrankheiten/
Kamberovic, R. et al. (2020). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2020. Hamburg: DSSV.
Meyer, M., Wenzel, J. & Schenkel, A. (2018). Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft. Berlin: Springer.
Statista (2020). Anteil der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung in Deutschland im Jahr 2019. Zugriff am 04.05.2020 unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36846/umfrage/anteil-der-wirtschaftsbereiche-am-bruttoinlandsprodukt/
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 03/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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