Management | Autor/in: Thorsten Clemann |

Der Umgang mit unternehmerischen Risiken

Selbstständige und Unternehmer sind großen finanziellen und unternehmerischen Risiken ausgesetzt. Ständig gibt es neue Trends und Entwicklungen, die den Markt verändern. Bestehende Wettbewerber, Neueinsteiger und Ersatzprodukte können von heute auf morgen zu einer großen Gefahr werden und Krisen erschüttern generell die gesamte Branche. Aber wie geht man als Selbstständiger oder Unternehmer mit diesen Risiken um? Und gibt es Möglichkeiten, die genannten Risiken zu reduzieren?

Erfolgsstrategien zur Risikoreduktion

Risiko ist nicht gleich Risiko! Es gibt ganz unterschiedliche Arten von unternehmerischen Risiken, denen Selbstständige und Unternehmer heutzutage ausgesetzt sind.


„Das Gefährliche am Risiko ist nie das Risiko selbst, sondern wie man mit ihm umgeht.“

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Felix Gerg, Experte für digitale Produkte und Prozesse


 

Die verschiedenen Risikoarten auf einen Blick

Innovative Unternehmer haben nach Fredmund Malik in der Regel ein zwiespältiges Verhältnis zum Thema „Risiko“. Einerseits wissen sie, dass unternehmerische Erfolge eng mit der Risikobereitschaft verbunden sind. Andererseits ist ihnen aber auch bewusst, dass zu hohe Risiken zum Untergang bzw. zur finanziellen Schieflage des Unternehmens führen können. Sie sind aber in der Lage, die verschiedenen Risikoarten klar voneinander abzugrenzen, um im unternehmerischen Alltag sinnvolle Entscheidungen treffen zu können.

Die vier Risikoarten, die Malik (2014) hier unterscheidet sind:

  1. Das Risiko, das unvermeidlich mit allem Wirtschaften verbunden ist: So wie das Leben an sich schon Lebensgefahr bedeutet, ist auch in der Unternehmenswelt nichts sicher. Die Gefahr des Scheiterns besteht immer.
  2. Das darüber hinausgehende zusätzliche Risiko, das man eingehen kann: Hier besteht die Gefahr, dass man „ein blaues Auge“ davonträgt, aber es kommt nicht zum absoluten Scheitern.
  3. Das weiterführende Risiko, das man definitiv nicht eingehen kann: Der Eintritt des Risikofalls würde das unternehmerische bzw. persönliche Ende bedeuten.
  4. Das Risiko, das man eingehen muss, weil man keine andere Wahl hat: Das Nichteingehen des Risikos würde den unternehmerischen Tod bedeuten.

Der Umgang mit den Risikoarten

Mit dem Risiko der ersten Art müssen sich alle Beteiligten „anfreunden“. Jeder Selbstständige und Unternehmer muss mit der Gefahr des Scheiterns leben, wie auch jeder Angestellte, der im schlimmsten Fall mit einem Jobverlust rechnen muss.

Zusätzliche Risiken der zweiten Art kann man eingehen, sofern das Ganze in einem beherrschbaren Rahmen bleibt und nur ein überschaubares Restrisiko besteht.

Risiken der dritten Art müssen aber unbedingt gemieden werden. Wenn das Worst-Case-Szenario bei einer unternehmerischen Entscheidung den finanziellen Ruin bedeuten kann, darf dieses Risiko unter keinen Umständen eingegangen werden, egal wie hoch die voraussichtliche Rendite und die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg sind. Das Ziel sollte hier sein, alternative Wege zu finden, die aus dem Risiko der dritten Art ein Risiko der zweiten Art machen.

Die Möglichkeiten sind dabei kluge Vertragsgestaltungen oder die Zusammenarbeit mit weiteren Partnern, die das Risiko (mit-)tragen können.

Wenn ein Unternehmen aber finanziell „mit dem Rücken zur Wand“ steht und das Nichteingehen des Risikos den sicheren „Tod“ des Unternehmens bedeuten würde (Risikoart 4), wie es häufig bei Innovationen oder in Krisen der Fall ist, muss das unternehmerische Risiko eingegangen werden.

Ein Blick in die Branche

Klassische Geschäftsmodelle in der Fitness- und Gesundheitsbranche sind in der Regel sehr kapitalintensiv. Da das unternehmerische Risiko meist mit der Höhe des finanziellen Investments steigt, sind viele Akteure der Branche damit generell schon erhöhten Risiken ausgesetzt.

Diese Situation verschärft sich umso mehr, je höher die Fixkosten sind und je stärker das Unternehmen fremdkapitalfinanziert ist. Denn damit steigt auch die Abhängigkeit von Fremdkapital und von Kreditgebern wie Banken, Investoren usw.

Gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit ist zudem die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens deutlich wichtiger für den langfristigen Erfolg geworden als dessen tatsächliche Größe. Da die klassischen Geschäftsmodelle in der Fitnessbranche oft recht starr sind, weil ein Großteil des Kapitals in die Anlagen geflossen ist, steigen die unternehmerischen Risiken hier zusätzlich.

Mikrostudios, Special-Interest-Anbieter und Selbstständige, z. B. Personal Trainer, deren Geschäftsmodelle aufgrund der Marktentwicklungen und Branchentrends der letzten Jahre immer populärer werden, da sie viele unternehmerische Möglichkeiten bieten, haben hier einige Vorteile: Aufgrund ihrer überschaubaren Größe und schlanken Prozesse können sie sich oft deutlich schneller und besser an Marktveränderungen anpassen. Zudem haben sie wegen geringerer Investitionsvolumina und vergleichsweise weniger Fixkosten ein reduziertes unternehmerisches Risiko.

Spezialisierungsrisiken beachten

Doch auch im Nischenmarkt lauern strategische Gefahren: Wer sich auf ein bestimmtes Leistungsangebot als Problemlösung konzentriert (z. B. auf eine bestimmte Trainingsform/ein bestimmtes Trainingssystem) setzt sich hohen Spezialisierungsrisiken aus.

Sobald es zu veränderten Marktbedingungen kommt oder innovative Wertangebote der Mitbewerber das Kundenproblem besser lösen, kann die eigene Existenz schnell in Gefahr geraten.

Eine Spezialisierung muss daher immer mit Blick auf einen konstanten Kundennutzen vorgenommen werden (z. B. Schmerzreduktion, Muskelaufbau, effektives und zeitsparendes Training) und darf nie auf einer variablen Problemlösung basieren.

Je stärker die Unternehmensstrategie auf die eigene Zielgruppe ausgerichtet ist und je offener, innovativer und flexibler das Unternehmen dabei agiert, desto weniger Risiken setzt es sich aus (Friedrich, Malik & Seiwert, 2009, S. 208).

Eine solide Finanzplanung ist essenziell

Neben diesen strategischen Aspekten sind eine solide Finanzplanung sowie die Sicherung der Liquidität und damit die Wahrung der Flexibilität die Basis zur Reduktion unternehmerischer Risiken, denn Liquidität bedeutet immer auch Handlungsfähigkeit.

Wichtige Fragen an dieser Stelle sind u. a.:

  • Wie viele Monate brauchen Sie, um Ihr Geschäftsmodell im Worst-Case-Szenario neu auszurichten?
  • Wie hoch sind Ihre monatlichen Fixkosten?
  • Wie flexibel ist Ihre Kostenstruktur?
  • Wie viele finanzielle Reserven haben Sie zurückgelegt?

Je stärker die zu erwartenden Umsatzschwankungen im Geschäftsmodell sein können, desto flexibler muss die Kostenstruktur bleiben. Die liquiden Rücklagen sollten unter Berücksichtigung des Minimalumsatzes im Worst-Case-Szenario für mindestens sechs Monate reichen.

Auch wenn dieses Ziel für viele Unternehmer im ersten Moment vielleicht realitätsfern erscheint, ist es mit einem stimmigen Geschäftsmodell und einer soliden Finanzplanung durchaus realisierbar und schafft Planungssicherheit. Trotz der wirtschaftlich „fetten Jahre“ nach 2008 sind zumindest ein Teil der Unternehmen in Deutschland sehr wahrscheinlich weit von dieser unternehmerischen Sicherheit entfernt bzw. haben diese finanziellen Pufferreserven bisher nicht gebildet.

An dieser Stelle besteht möglicherweise Handlungsbedarf, um auch für eine nächste Krise bzw. für zukünftige Marktveränderungen ausreichend gewappnet zu sein.

Fazit

Die Corona-Krise hat aufgezeigt, wie wichtig es ist, die verschiedenen Risikoarten klar voneinander abzugrenzen und auf ein mögliches Worst-Case-Szenario vorbereitet zu sein. Mit den richtigen Strategien und einem soliden Finanzplan können viele Risiken reduziert werden.

Das Gefährliche am Risiko ist nie das Risiko selbst, sondern wie WIR damit umgehen. Dies sollten wir als Selbstständige oder Unternehmer bei all unseren unternehmerischen Entscheidungen deshalb immer im Hinterkopf behalten.

Der Autor

Thorsten Clemann, B. A. Betriebswirtschaftslehre, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist freiberuflicher Berater und unterstützt Existenzgründer, Selbstständige und Unternehmer in der Planungs-, Gründungs-, Aufbau- und Wachstumsphase.
Er ist Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie an der BSA-Akademie.

Literaturliste

Friedrich, K., Malik, F. & Seiwert, L. (2009). Das große 1x1 der Erfolgsstrategie: EKS – Die Strategie für die neue Wirtschaft (13., völlig überarbeitete und erweiterte Neuauflage). Offenbach: GABAL-Verlag.

Malik, F. (2014). Wenn Grenzen keine sind: Management und Bergsteigen. Frankfurt am Main: Campus-Verlag.

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