Management | Autor/in: fM Redaktion |

Digitalisierung in der Fitnessbranche durch die Industrie bestimmt

Wunsch und Wirklichkeit: Die Digitalisierung ist eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Oft gehen die Auffassungen, was damit gemeint ist, jedoch weit auseinander. Wir haben mit Siegfried Manz und Christian Hörl gesprochen, Geschäftsführer DSB, Digital-systemische BETRIEBSKONZEPTE. Beide verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in der Fitnessbranche. Zu ihren Referenzen zählen viele namhafte Fitnessbetriebe.

Siegfried Manz und Christian Hörl, Geschäftsführer DSB, Digital-systemische BETRIEBSKONZEPTE

fM: Die Digitalisierung ist eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Oft gehen die Auffassungen, was damit gemeint ist, weit auseinander. Was ist Ihr Verständnis von „Digitalisierung“ in der Fitnessbranche?
Christian Hörl:
Die Digitalisierung im Fitnessbereich umfasst das gesamte Unternehmen inklusive seiner Prozesse und Arbeitsabläufe. Damit ist eine Transformation von klassischen, analogen Vorgängen im Studio hin zu digitalen Abläufen gemeint.

Bisher wird die Digitalisierung in der Fitnessbranche weitgehend durch die Industrie bestimmt und betrifft hauptsächlich die Trainingsfläche und die Trainingsangebote. In der Prozesslandschaft ist sie noch nicht sehr weit und genau da setzen wir mit unserem Verständnis an.

In einem voll digitalisierten Club kann dann der Kunde alles selbst steuern und praktisch „rund um die Uhr“ von zu Hause oder bereits im Club Leistungen buchen, Termine koordinieren, Ergänzungen vereinbaren etc. Die Menschen von heute brauchen keinen, der etwas erklärt, was sie mit einem Klick oder einem Wisch selbst in Erfahrung bringen können. Diese Erwartung haben die Kunden heute nicht mehr.

Siegfried Manz: Nach aktuellen Untersuchungen ist der tägliche Handy-Gebrauch von ca. vier Stunden Normalität. Die Kunden von heute sind es gewöhnt, alles sofort zu erhalten. Sie kaufen mit ein paar Klicks online ein und bekommen auch Informationen sofort geliefert. Das ist ihre Erfahrungswelt.

In vielen Fitnessstudios herrscht dagegen noch eine alte Denkweise. Das Geschäftsmodell, die Mitgliedschaften über Abos zu verkaufen, hat wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg der Branche beigetragen. Es stammt aber aus den 1990er Jahren und entspricht nicht mehr den modernen Kommunikationsgewohnheiten.

Die Abo-Modelle vieler Clubs sind sehr komplex und nicht mehr transparent genug. Das ist vergleichbar mit der Angebots- und Preisstruktur des Pay-TV-Senders Sky: Verschiedene Pakete, Preise und Laufzeiten.

Der Wettbewerb kommt mittlerweile aus dem Internet. Streamingdienste wie Netflix, DAZN oder auch Spotify bieten ihre Produkte sehr viel flexibler und transparenter an: ein Preis, mit wenigen Klicks sofort erreichbar, ohne lange Vertragsbindung und auch mit wenig Aufwand zum Monatsende kündbar. Diese leicht zugängliche, klare Leistungsstruktur sind die Kunden gewöhnt.

Die Fitnessbranche muss hier dringend nachjustieren. Zum Prozess der Digitalisierung gehört auch, sich auf die Menschen einzustellen, die digital denken.

fM: Das Angebot an digitalen Lösungen und Anwendungen wird immer größer. Dadurch fällt es schwerer, das Sinnvolle vom Überflüssigen zu unterscheiden. Welche Tipps zur Auswahl digitaler Assistenten und Ausstattung geben Sie Studiobetreibern und Trainern?
Christian Hörl:
Wir haben auf der FIBO gesehen, dass für die Clubbetreiber die Digitalisierung ein Riesenthema ist. Aber wie sie es angehen, ist das Problem. Der erste Schritt ist, sich zu überlegen, was meine Vision und mein Weg ist. Wenn ich die Digitalisierung tatsächlich konsequent umsetze, verändert sich jeder Arbeitsablauf.

Digitalisierung bedeutet nicht, dass ich einen digital generierten Lead manuell durch Menschen anrufen oder kontaktieren lasse. Dann habe ich die gleichen Kosten wie vorher, zusätzlich der Ausgaben für das Tool zur Leadgenerierung. Betriebswirtschaftlich wirkt sich das nicht positiv aus.

fM: Wo liegen für Sie aus heutiger Sicht die Grenzen der Digitalisierung, insbesondere im Fitnessbereich?
Christian Hörl:
Ich sehe noch gar keine Grenzen, weil wir erst am Beginn sind. Wo das noch hinführt, wäre zum jetzigen Zeitpunkt zu früh zu diskutieren. Generell ist unsere Gesellschaft im deutschsprachigen Raum im Vergleich zur weltweiten Entwicklung zwei Schritte zurück.

Siegfried Manz: Wir sehen in der Mehrzahl unserer Clubs das Personal als sehr wichtigen Faktor – allerdings nur in den Bereichen, wo es direkt zur Wertschöpfung beiträgt und das Mitglied auch einen Nutzen daraus zieht. Da brauche ich einen Trainer.

Unsere Kursprogramme sind sehr gut besucht und werden von hochqualifizierten Mitarbeitern geleitet, die wir auch entsprechend bezahlen. Im Kernbereich Fitness werden sie sehr wichtig bleiben und die Grenzen des technologischen Fortschritts aufzeigen.

fM: In welchen Bereichen wird digitale Ausstattung bzw. werden digitale Assistenten im modernen Studio in Zukunft unabdingbar sein?
Siegfried Manz:
Die digitale Ausstattung wird in allen Bereichen unbedingt notwendig sein. Das beginnt bei der Art und Weise, wie die Studio-Webseite gefunden wird und geht weiter mit den Fragen, wie verkaufe ich, wie bringe ich den Menschen ins Training, auf welche Art und Weise verwalte ich Termine und den Dienst am Kunden, wie motiviere ich ihn und tracke sein Training, wenn er das möchte?

Häufig wird die Standardfrage aber vergessen: Wie bezahlt der Kunde? Unsere Clubs sind schon seit Jahren bargeld- und papierlos. Betreiber müssen sich die Frage stellen, wie sie mit ihren Mitgliedern interagieren wollen. Diese neue Form der Ausstattung wird auch die Architektur beeinflussen.

Wenn sie heute einen digital transformierten Club sehen, dann gibt es die Rezeption im klassischen Sinne nicht mehr. Bei uns gibt es schon jetzt einen Concierge-Point für die Interaktion mit den Kunden. Das sind alles Details, die ineinandergreifen müssen, weil einzelne digitalisierte Prozesse nicht wirtschaftlich sind.

fM: Wie können Fitnessstudios der digitalen Konkurrenz begegnen? Was müssen Studios und auch Trainer ihren Mitgliedern anbieten, damit sie langfristig nicht durch digitale Angebote ersetzt werden können?
Christian Hörl:
Im Mittelpunkt steht auch bei der Digitalisierung immer der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Natürlich wird es durch den technologischen Fortschritt möglich sein, immer und überall mit einem digitalen Assistenten zu trainieren. Es ist aber kein realistisches Zukunftsbild, dass jeder alleine zu Hause seine Übungen macht. Die Leute wollen sich auch in Zukunft zum gemeinsamen Training treffen und miteinander interagieren.

Siegfried Manz: Wir sehen Online-Fitness nicht als Konkurrenz, weil wir auch entsprechende Erfahrungen gemacht haben. In all unseren Clubs haben wir Online-Fitness als Bonus für unsere Kunden installiert, der kostenlos dazu gebucht werden kann.

Wer bei uns Mitglied ist, hat also die Möglichkeit, Online-Fitness ohne Mehrkosten zu verwenden. Tatsächlich liegt die Quote derer, die die gebührenfreie Leistung annehmen, unter einem Prozent. Auf der anderen Seite kommen Nutzer von Online-Angeboten gar nicht erst ins Studio.

Damit will ich sagen: Online-Angebote sind keine Konkurrenz. Online-Fitness bedient eine ganz andere Zielgruppe als wir. Unsere Zahlen – und wir haben über 30.000 Mitglieder – belegen das.

fM: Wie können sich Clubbetreiber für die Digitalisierung fit machen? Welche Schritte empfehlen Sie?
Siegfried Manz:
Unser Grundansatz ist immer, dass man sich zuerst die strategische Frage stellt: Wo möchte ich hin? Wie sieht für mich der ideale Club aus, wenn ich ihn jetzt komplett neu planen würde?

Die Frage darf nicht sein, was ich mir gerade leisten kann. Der strategische Gedanke muss an allererster Stelle stehen. Der Unternehmer sollte damit auch immer die Fragestellung verbinden: „Wie habe ich als Unternehmer in Zukunft Spaß daran, meinen Club zu leiten?“

Es geht darum, mit der neuen veränderten Situation seiner Kunden und deren Erwartungshaltung umzugehen. Das erfordert vielleicht sogar eine komplett neue Grundstruktur sowie den unternehmerischen Mut, möglicherweise ein paar „heilige Kühe zu schlachten“.

Unternehmer müssen bereit dazu sein, etwas anders zu machen als vor zwanzig Jahren. Das ist der erste Schritt der Digitalisierung, bevor irgendetwas eingekauft wird.

Wir werden oft angerufen und gefragt, ob wir ein Angebot schicken können, man stünde gerade vor der Entscheidung, in eine neue Software zu investieren. Das ist aber nicht das, was das Fitnessstudio wirklich braucht. Die digitale Transformation kann nicht gelingen, indem man die alten, analogen Abläufe in digitale Technik packt.

Einen Strategietag mit dem Unternehmen zu verbringen und grundsätzlich zu ermitteln, was der Club überhaupt braucht, wäre zielführender. Es geht zuerst um die Sichtweise, die Strategie, die Prozesse und erst dann wissen wir, was das Studio braucht und können ein passendes Angebot machen.

Christian Hörl: Die gesamte Branche befindet sich in einem dramatischen Wandel hin zur digitalen Welt. Für bestehende Fitnessclubs oder für Unternehmer ist das eine große Herausforderung, weil man bereit sein muss, alles infrage zu stellen.

Das ist aber für viele so nicht denkbar. Es ist aber vorstellbar, eine Strategie zu entwickeln und aus dieser nach einem Zeitplan aufgestellte Maßnahmen abzuleiten. Und das ist auch der Weg, die Digitalisierung erfolgreich umzusetzen – „Structure follows Strategy“!

Zur Person

Siegfried Manz verfügt über 25-jährige Berufserfahrung mit IT-Systemen für die Fitnessbranche. Zu seinen Referenzen zählen die namhaftesten Fitnessbetriebe. Gemeinsam mit Christian Hörl betreibt er 14 MYGYM Clubs, das MYGYM Franchisekonzept und die DSB Unternehmensberatung zur digitalen Transformation.

Christian Hörl hat 30 Jahre Berufserfahrung in dieser Branche. Er ist Inhaber von vier Premium-Clubs inklusive Ernährungs- und Kosmetikzentrum sowie einem Ambulatorium für Physiotherapie. Gemeinsam mit Siegfried Manz betreibt er 14 MYGYM Clubs, das MYGYM Franchisekonzept und die DSB Unternehmensberatung zur digitalen Transformation.