Die zentrale Rolle der richtigen Standortwahl
Kaum ein Fitness- und Gesundheitsunternehmen zweifelt an der Bedeutung des Standortes für den späteren wirtschaftlichen Erfolg des Studios. Dennoch wird die Standortauswahl in der Praxis häufig nur „aus dem Bauch heraus“ getroffen. Aber ist das der richtige Weg oder geht es besser? Mit den folgenden Ansatzpunkten erhalten Sie hilfreiche Umsetzungstipps für die Praxis.
Robert Schumann, ein bekannter deutscher Komponist und Pianist, sagte einmal: „Der Verstand irrt, das Gefühl nie“. Das Wechselspiel zwischen Logik und Intuition ist ein interessantes Gebiet der Psychologie und Entscheidungsforschung.
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Prof. Gerd Gigerenzer (Psychologe, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und seit 2020 Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam) geht sogar so weit zu behaupten, dass man für gute Entscheidungen manche Informationen ignorieren muss und gute Intuition nicht durch Big Data ersetzt werden kann (Gigerenzer, 2013). Doch kann ein so extremer Ansatz auch bei einer so wichtigen Entscheidung wie der Standortwahl gelten?
Die Bedeutung der Standortwahl
Die Wahl des Standortes ist eine sogenannte konstitutive Entscheidung eines Unternehmens, die langfristige Bedeutung hat und üblicherweise nicht ohne erheblichen Aufwand geändert werden kann. Fehlentscheidungen wirken daher über viele Jahre nach, haben großen Einfluss auf die Erträge und Kosten des Unternehmens und somit ein hohes Schadenspotenzial.
Dennoch wird vor der Neueröffnung oft mehr Zeit in die Wahl der Geräteausstattung investiert, indem umfangreiche Recherchen betrieben und Erfahrungswerte eingeholt werden, als in diesen essenziellen Aspekt. Dabei kann die Lage eines Studios den Erfolg unter Umständen so stark begrenzen, dass selbst das beste Konzept mit dem besten Equipment keinen langfristigen Profit erzielen kann.
Oft ergibt sich die Standortwahl aus Zufällen oder Gelegenheiten. Das muss kein Nachteil sein. Ob der Standort aber auch zur eigenen Unternehmensstrategie passt, hängt von den entsprechenden Zielen der Geschäftsführung ab: Wird der Standort aus Imagegründen gewählt, um den Markteintritt der Konkurrenz zu verhindern, oder wird – was nachfolgend unterstellt werden soll – nach dem möglichst gewinnbringendsten Standort gesucht?
Der Wissenschaft folgend sollten bei der Standortwahl alle gegenwärtigen und zukünftigen Umweltzustände berücksichtigt werden, um unter den infrage kommenden Standorten denjenigen auszuwählen, der die Differenz zwischen standortbedingten Erträgen und Aufwendungen zugunsten der Rentabilität optimiert (Kinkel, 2009).
In der Praxis bedeutet dies, in einem ersten Schritt zu überprüfen, ob die geografische Lage es ermöglicht, die betriebswirtschaftlich gesetzten Ziele zu erreichen. Erst in einem zweiten Schritt sollten technische oder juristische Themen geprüft werden.
Lage, Lage, Lage?
Die oft zitierte Regel für die Wertermittlung von Immobilien und somit für die Kaufentscheidung von Immobilieninvestor:innen muss nicht unbedingt auch für den richtigen Betriebsstandort gelten.
In den meisten Branchen steht nicht der Wert des Objektes im Vordergrund, sondern künftige Umsatz- und Gewinnpotenziale. Hierfür gelten aber andere Bewertungsmaßstäbe, die meist weder von der Rechtsvertretung, der Steuerberatung oder von Immobilienagenturen zutreffend eingeschätzt werden können.
Branchen wie Hotellerie, Gastronomie und Retail sind – getrieben von großen, über Jahrzehnte gewachsenen Ketten oder Franchiseunternehmen – in der Prüfung sehr sicher und können auf detaillierte Erfahrungswerte und Tools zur Bewertung und Entscheidungshilfe zurückgreifen.
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Diese werden Filialist:innen oder Franchisenehmenden von der Zentrale meist kostenlos als Beratungsleistung vor der jeweiligen Standortentscheidung zur Verfügung gestellt. Ähnlich agieren mittlerweile auch größere Fitnessketten und Franchiseanbieter:innen.
Was Big Data leisten kann und was nicht
Gerade für Einzelstudios waren solche Lösungen früher schwer und nur zu exorbitant hohen Preisen zugänglich. Hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert und es gibt Tools, die kostengünstig eine Vielzahl relevanter Standortdaten „auf Knopfdruck“ liefern können. Werte wie Bevölkerungsdichte und -wachstum, Kaufkraft sowie öffentliche Anbindung können beliebig zu Suchprofilen kombiniert, gewichtet und auf Makro- und Mikroebene tagesaktuell abgerufen werden.
Das funktioniert aber nicht nur als Abfrage für einen bestimmten Standort, sondern auch umgekehrt zur Ermittlung potenzieller Lagen, die bestimmte Kriterien erfüllen, was eine erhebliche Erleichterung bei der Expansionsplanung darstellt.
Aus den Daten ermitteln diese Tools meist sogenannte Scoring-Modelle, die eine gute Entscheidungshilfe bilden können. Allerdings sollte deren Genauigkeit nicht überschätzt werden, da das Ergebnis stark von der Auswahl der Kennzahlen und deren Gewichtung abhängig ist.
Eine Standortbewertung nur auf Zahlenbasis gerät spätestens bei der nachfolgenden Wettbewerbsanalyse ins Wanken. Auch wenn viele Wettbewerbsdaten online verfügbar sind, erfordert eine zutreffende Bewertung der Konkurrenz entsprechende Branchenkenntnisse und eine individuelle Ausrichtung am geplanten Konzept sowie am angestrebten Preissegment.
Noch intuitiver ist die zwingende Berücksichtigung des sogenannten lokalen Wissens, wie es in Bezug auf den Standort nur die direkte Nachbarschaft oder lange ansässige Unternehmen über Jahre entwickeln können. Solche Aspekte führen oft irrational und numerisch nicht begründbar dazu, dass ein Standort von der lokalen Kundschaft angenommen wird oder nicht (Antweiler, 1998). Bei ortsansässigen Betrieben fließt dieser Aspekt meist unbemerkt und automatisch in die Entscheidung mit ein.
Werden neue Gebiete erschlossen, erfordert es einen erheblichen Zeitaufwand, um mit lokaler Präsenz, Gesprächen und Befragungen ein Gefühl für den Standort zu entwickeln.
Wenn billig plötzlich teuer wird
Beginnen erste Verhandlungsgespräche, ist der Mietzins natürlich von großer Bedeutung. Jedoch haben bei einem Mietvertrag, der viele Jahre oder Jahrzehnte läuft, andere Faktoren ein ähnliches Gewicht – diese werden aber häufig unterschätzt oder gänzlich ignoriert. Baukostenzuschuss, Indexierung, Instandhaltung, Nebenkosten, Flächenberechnung, Sicherheiten, Mithaftung, Mietbeginn und mietfreie Zeit sind nur ein paar Stichworte, die Beachtung finden sollten.
Wer weiß, was in der aktuellen Marktsituation üblich ist und verlangt werden kann, ist hier klar im Vorteil. Ist den Verhandelnden beispielsweise nicht bewusst, dass institutionelle Vermietende aufgrund der internen Cashflow-Kalkulation höchst ungern den Mietzins reduzieren, dafür aber oft alternativ hohe Summen zu Beginn für den Innenausbau bereitstellen, werden sie nicht per se auf eine Mietzinsreduktion bestehen, was aber langfristig gesehen finanziell wesentlich sinnvoller wäre.
Wer hier nicht die Tricks und Kniffe kennt, sollte sich professionell beraten und in der Verhandlung begleiten lassen. Die Kosten hierfür entsprechen oft nur einem Bruchteil der Beträge, die eingespart werden können.
Praxistipp
Grundsätzlich gilt, dass ein günstiger Mietpreis nicht dazu verleiten sollte, einen Standort zu realisieren, der auch nur die geringsten Zweifel an der gewünschten Zielgruppenfrequenz aufwirft. Oft sind teurere Standorte langfristig wirtschaftlicher, wenn sie im Gegenzug mehr Umsatzsicherheit gewährleisten und performanter helfen, die sonstigen Fixkosten zu decken.
Fazit
Verstand und Bauchgefühl sollten sich bei der Standortwahl nicht ausschließen, sondern ergänzen. Künstliche Intelligenz und Big Data verbessern die Entscheidungsqualität, können aber nicht alle wesentlichen Aspekte abbilden und den unternehmerischen Erfolg prognostizieren. Daher bleibt die Standortwahl trotz neuer Hilfsmittel eine der riskantesten betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Doch gerade das erhebt sie auch zu einem Erfolgspotenzial und Wettbewerbsvorteil für Betreiber:innen, die sich engagiert, offen und mit Mut dem unternehmerischen Risiko stellen.
Über den Autor
André Ehrlich ist als Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie als Referent an der BSA-Akademie tätig. Als Jurist war er viele Jahre in geschäftsführender Funktion im Fitnessmarkt aktiv. Heute ist er Inhaber einer Unternehmensberatung sowie eines Unternehmens für Immobilienberatung und -vermittlung.
Auszug aus der Literaturliste
Gigerenzer, G. (2013). Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen triff. München: C. Bertelsmann.
Kinkel, S. (2009). Erfolgsfaktor Standortplanung: In- und ausländische Standorte richtig bewerten (2., aktualisierte Aufl.). Berlin: Springer.
Wöhe, G., Dörung, U. & Brösel, G. (2020). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (27., überarbeitete und aktualisierte Aufl.). München: Franz Vahlen.
Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.
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