Management | Autor/in: Thorsten Clemann |

Das Unternehmen als Innovationsschmiede Teil 1

Herausforderung Innovationskultur. Das Unternehmen als Innovationsschmiede. Der erste Beitrag der dreiteiligen Reihe

Innovationsschmiede

Teil 1: Herausforderung Innovationskultur
Das Unternehmen als Innovationsschmiede

Mit dem Thema Innovation ist es fast ein bisschen so wie mit dem Glück:
Alle wollen es haben, aber keiner weiß so recht, wie es gelingen kann.“
(Seeger, 2017)

Gerade in einer Geschäftswelt, die immer komplexer und schnelllebiger wird, der Wettbewerb härter ist und Marktentwicklungen weniger vorhersehbar sind, müssen Unternehmen nicht nur einen Weg finden, wie sie heute wirtschaftlich erfolgreich sein können. Sie müssen zudem die Frage beantworten, wie sie sich in absehbarer Zukunft aufstellen müssen, um ihre Position am Markt dauerhaft zu sichern.

Dieser Herausforderung stehen auch die Akteure der Fitness- und Gesundheitsbranche gegenüber. Neben klassischen Fitnessstudios drängen zunehmend Unternehmen mit neuartigen Geschäftsmodellen wie Boutique-Studios, Bootcamps oder Special-Interest-Anlagen auf die Märkte und fordern etablierte Unternehmen heraus. Der Megatrend Digitalisierung bringt darüber hinaus zahlreiche Produktinnovationen mit sich, die die gesamte Fitnesslandschaft nachhaltig verändern werden. Bestehende Unternehmen geraten aufgrund dieser Entwicklungen verstärkt in Zugzwang, haben allerdings häufig Probleme, sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Sie laufen Gefahr, den Wettbewerbern, die es verstanden haben mit ihren innovativen Geschäftsmodellen und Wertangeboten die Bedürfnisse der Kunden besser zu befriedigen, nur wenig entgegensetzen zu können.

Heute überleben nicht mehr die Stärksten, sondern die Anpassungsfähigsten. Geschwindigkeit, Veränderungsbereitschaft und Innovationskraft sind die neuen, entscheidenden Wettbewerbsfaktoren geworden (Weissman, 2014, S. 74).

In der Führungsebene vieler Organisationen fehlen oft eine gemeinsame Auffassung und ein klares Verständnis darüber, wie diesen Entwicklungen zu begegnen ist. Es mangelt an effizienten Werkzeugen, mit denen die Gegebenheiten im eigenen Unternehmen analysiert, Verbesserungspotenziale im Geschäftsmodell erkannt, die Organisation optimiert und Innovationen geschaffen werden können.

Doch bevor man sich im Rahmen des Innovationsmanagements näher mit geeigneten Tools und Methoden beschäftigt, muss eines im Unternehmen als gesichert gelten: das Commitment des Managements, die Organisation kundenorientiert auszurichten und in ihr eine starke Innovationskultur aufzubauen!

Aber wie schaffen es Führungskräfte, eine solche Kultur zu gestalten und die Innovationskraft des Unternehmens zu stärken? Dies ist Inhalt des ersten von insgesamt drei Beiträgen rund um das Thema „Innovationsmanagement“.

Entwicklung eines gemeinsamen Innovationsverständnisses
In einem ersten Schritt ist es wichtig, ein einheitliches „Innovationsverständnis“ im Unternehmen zu entwickeln und zu verankern.

Nach Fueglistaller et al. (2016, S. 88) wird „die erstmalige Anwendung einer neuen Problemlösung oder wiederholender Problemlösungstechnik, die darauf gerichtet ist, Unternehmensziele auf neuartige Weise zu erfüllen“ als Innovation bezeichnet.

Geht eine Problemlösung über den bisherigen Erkenntnis- und Erfahrungsstand eines Individuums, einer Gruppe oder einer Institution hinaus, gilt sie entsprechend als neu, selbst wenn sie bereits von anderen genutzt wird (Fueglistaller et al., 2016, S. 88).

Strategisch lassen sich Innovationen in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe sind sogenannte Kerninnovationen, die das bestehende Geschäft durch die Überarbeitung des aktuellen Angebots oder die Anpassung betrieblicher Abläufe verbessern. Diese Innovationen sind in der Regel mit der aktuellen Unternehmensstrategie verknüpft und können im Rahmen der bestehenden Organisationsstruktur gemanagt werden. Die zweite Gruppe beschreibt Innovationen, die neues Wachstum schaffen, indem neue Kundensegmente oder Märkte erschlossen bzw. gänzlich neuartige Wertangebote konzipiert werden. Dies geht meist mit der Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle einher, weshalb Innovationen dieser Art in der Regel auch eine Anpassung der Unternehmensstrategie und Organisationsstruktur zur Folge haben.

Um als Unternehmen dauerhaft zu wachsen, reicht der reine Fokus auf die derzeitigen betrieblichen Aktivitäten und die Entwicklung von Kerninnovationen meist nicht aus. Daher müssen mit der Zeit weitere Innovationen, die neues Wachstum generieren, entwickelt und im Unternehmen implementiert werden (Anthony, Duncan & Siren, 2017, S. 7 f.).

Damit Sie selbst grob kalkulieren können, wie viel Zeit und Arbeit Sie für Kerninnovationen aufwenden und wie viele Ressourcen Sie in Innovationen für neues Wachstum investieren sollten, empfehlen Anthony et al. (2017, S. 8) die Wachstumslücke des eigenen Unternehmens, die in der nachfolgenden Abbildung skizziert ist, durch folgenden Vergleich zu schätzen:

•Wie hoch sind Ihre gewünschten Umsatz- und Gewinnziele in den kommenden fünf Jahren?
•Wie viel Umsatz und Gewinn wird Ihr derzeitiges Geschäft ohne, aber auch mit weiteren Kerninnovationen in den kommenden fünf Jahren erwirtschaften?

Je größer diese Wachstumslücke zwischen Wunsch- und Planzielen ist, desto stärker sollten die Bestrebungen nach Innovationen sein, die neues Wachstum generieren.

Innovation als Führungsaufgabe
Viele bestehende Organisationen sind Gefangene ihres Geschäftsmodells und der eigenen Organisationskultur, weshalb vernünftige Argumente für Wachstumsinnovationen häufig bereits im Keim erstickt werden (Christensen, Matzler & Eichen, 2013, S. 110). „Wenn Unternehmen Neues schaffen wollen, brauchen sie vor allem eines: fähige Manager, die das Unternehmen zu einer Innovationsmaschine umbauen“ (Furr & Dyer, 2017, S. 25).

Führungskräfte müssen, um neue Wachstumsfelder zu erschließen, Fürsprecher des Neuen sein und grundlegende Annahmen ihrer Organisation über Produkte, Kunden und Geschäftsmodelle stets kritisch hinterfragen. In der Rolle des Innovators geben sie keine Antworten, sondern stellen in erster Linie Fragen.

Kalkulation der Wachstumslücke

Tipps zur Auswahl geeigneter Wachstumsinnovationen

Experimente und Markttests zur Risikoreduktion
Es empfiehlt sich, eine Kultur des Experimentierens im Unternehmen zu implementieren, bei der Annahmen zu innovativen Ideen systematisch am Markt getestet, sowie bestätigt bzw. widerlegt und auf diese Weise unternehmerische Risiken minimiert werden. Dieses Testen und Experimentieren ist von elementarer Bedeutung, da Führungskräfte alleine nur unter großer Unsicherheit beurteilen können, ob eine Idee gut ist oder nicht. Als Einzelpersonen können sie eine Kundenstichprobe, an der eine Idee getestet wird, nicht ersetzen.

Wenn Sie anfangen, neue Ideen zu erforschen, befinden Sie sich gewöhnlich in einer Situation voller Ungewissheit. Beginnen Sie daher zunächst mit kostengünstigen Tests und Experimenten, um diese Ungewissheit systematisch zu reduzieren. Mit steigender Gewissheit können sie auch die Ausgaben für weitere Experimente sukzessive erhöhen.

Prozess des systematischen Testens

Alle geschäftlichen Tests und Experimente, egal ob sie erfolgreich sind oder nicht, sind für Unternehmen äußerst nützlich, da sie nach Furr und Dyer (2017, S. 30) folgende drei Arten von Wert mit sich bringen:

Wertvolles experementieren

Integration der Mitarbeiter in das Innovationsmanagement
In der betrieblichen Praxis ist es immer sinnvoll, auch die eigenen Mitarbeiter in den Innovationsprozess mit einzubeziehen, da sie nahe am Kunden sind und oft sehr genau spüren, was im Markt vor sich geht. Das Ziel sollte sein, die manchmal vorherrschende Fließbandmentalität im Unternehmen gegen ein kritisches, problemlösungsorientiertes Denken einzutauschen. Die Erfahrungen und Beobachtungen der Mitarbeiter können, sofern sie kommuniziert werden, eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung weiterer Innovationen darstellen.

Fordern Sie folglich Ihre Mitarbeiter dazu auf, sich über einen oder mehrere Vorschläge für neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle Gedanken zu machen. Vorstellbar sind sowohl Verbesserungen bereits bestehender Leistungen, als auch das Durchleuchten gänzlich neuer Richtungen für das Unternehmen. Damit die Vielseitigkeit und Anzahl der Ideen steigt, aber auch Anpassungen oder die Zurückhaltung von Ideen, wie man sie aus klassischen Brainstorming-Runden kennt, vermieden werden, empfiehlt Verganti (2017, S. 64), dass jeder Mitarbeiter zunächst eigenständig bestehende Annahmen hinterfragen und neue Sichtweisen auf Probleme erarbeiten soll, die das Unternehmen lösen könnte. Ein zuvor festgelegter zeitlicher Rahmen (z. B. ein Monat) bietet den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihrer regulären Arbeit nachzugehen und dennoch genügend Zeit für das Formulieren, Weiterentwickeln und Überdenken ihrer Ideen zu haben. Diese Zeit ist wichtig, da neue Lösungsansätze zunächst sehr unscharf sind und immer wieder überarbeitet oder völlig neu gestaltet werden müssen.

Die erarbeiteten Ideen werden im Anschluss dem Team vorgestellt und gemeinsam reflektiert. Hierbei geht es nicht darum zu beurteilen, welche Idee gut oder schlecht ist, sondern vielmehr um die Fragen, wie sich die Ideen vom Bisherigen unterscheiden, welche zugrunde liegenden Erkenntnisse möglicherweise übersehen worden sind und wie die Ideen weiter optimiert werden können.

Nach dieser Phase der internen Innovationsentwicklung können externe „Kritiker“, wie potenzielle Kunden oder Expertengruppen, in den Prozess miteinbezogen, befragt und die Ideen an ihnen getestet werden. Die Kritik dieser Personen ist wichtig, denn sie dient dazu, die entwickelten Ideen weiter zu verbessern, bisher unbekannte Probleme aufzudecken und die innovativen Handlungsansätze weiter auszubauen (Verganti, 2017, S. 62 ff.).

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe mehr über agile und praktikable Werkzeuge und Methoden, mit denen Geschäftsmodelle systematisch analysiert, Verbesserungspotenziale identifiziert und Innovationen geschaffen werden können.

Thorsten Clemann
B.A. der Betriebswirtschaftslehre, M.A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und BSA-Akademie.

Mehr:

Teil 2: Die Business Model Canvas als Praxistool im Innovationsmanagement

Teil 3: Entwicklung von Wertangeboten, die Kunden begeistern Das Unternehmen als Innovationsschmiede

Literaturverzeichnis

  • Anthony, S. D., Duncan, D. S. & Siren, P. M. (2017). Ein 90-Tage-Plan für Innovationen.
  • Harvard Business Manager Edition (1), 6–15.
  • Christensen, C. M., Matzler, K. & Eichen, S. F. v. d. (2013). The innovator‘s dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende   Innovationen verlieren.München: Vahlen.
  • Fueglistaller, U., Müller, C., Müller, S. & Volery, T. (2016). Entrepreneurship. Wiesbaden: Gabler Verlag.
  • Furr, N. & Dyer, J. H. (2017). Expedition ins Unbekannte. Harvard Business Manager Edition (1), 25–33.
  • Osterwalder, A., Pigneur, Y., Bernarda, G. & Smith, A. (2015). Value Proposition Design. Frankfurt [Main]: Campus Verlag GmbH.
  • Seeger, C. (2017). Von Methoden und Vorbildern. Harvard Business Manager Edition (1), 3.
  • Verganti, R. (2017). Die Kraft der Kritik. Harvard Business Manager Edition (1), 62–69.
  • Weissman, A. (2014). Unternehmenserfolg durch Werteorientierung (Haufe Fachbuch).

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2017 Leseprobe & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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