Ordnungsgemäße Dokumentation: Arbeitszeiterfassung im Fitnessstudio
Nachdem es aktuell vermehrt zur Überprüfung von Fitnessstudios durch Aufsichtsbehörden gekommen ist, war festzustellen, dass in nahezu jedem Fitnessstudio die Dokumentation der Arbeitszeit für die Mitarbeiter bemängelt worden ist. Da nicht nur die Dauer der Überprüfung, sondern auch die kostenpflichtigen Auflagen der Behörden für Unmut sorgten, sollen die derzeit geltenden Regelungen beleuchtet werden.
Seit das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 entschieden hat, dass die gesamte Arbeitszeit der Mitarbeiter aufzuzeichnen ist, streiten sich die 'Gelehrten', wie das zu verstehen ist und wie es in den Betrieben umgesetzt werden kann.
Einhaltung der Aufzeichnungsverpflichtung wird geprüft
Derweil prüft das Gewerbeaufsichtsamt bereits jetzt einzelne Betriebe unter anderem auch auf die Einhaltung dieser Aufzeichnungsverpflichtung. Der Entwurf eines entsprechenden Gesetzes wird seit April 2023 im Bundesarbeitsministerium (BMA) diskutiert.
Auch wenn es noch immer an einer eindeutigen gesetzlichen Regelung fehlt, müssen alle Betriebe – also auch Fitnessstudios – bereits heute die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes beachten.
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Dieses hat ausdrücklich verlautbaren lassen, dass ein System einzuführen ist, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.
Genauer gesagt: Es muss eine zugängliche, objektive und verlässliche Feststellung der Zahl der täglichen und wöchentlichen Arbeitsstunden erfolgen, die Aufschluss darüber gibt, ob zum einen die wöchentliche Höchstarbeitszeit beachtet wurde und zum anderen die Mindestruhezeiten eingehalten wurden.
Tägliche Höchstarbeitszeit: acht Stunden
Zur Erinnerung: Die tägliche Höchstarbeitszeit beträgt acht Stunden, spätestens nach sechs Stunden Arbeit ist eine halbstündige Pause erforderlich. Bei einer Arbeitszeit von neun Stunden aufgrund von Überstunden beträgt die Pausenzeit eine Dreiviertelstunde. Die Ruhezeit zwischen zwei Schichten muss elf Stunden andauern.
Arbeitszeiterfassung für alle
Fest steht, dass grundsätzlich zunächst einmal alle Betriebe verpflichtet sind, die Arbeitszeit aller Mitarbeiter zu erfassen. Darüber hinaus müssen alle in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, „einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden“ (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), erfasst werden.
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Zwar sind in dem Gesetzentwurf des BMA von 2023 Vorschläge zu finden, dass für Kleinbetriebe bis zu zehn Mitarbeitern ggf. andere Regelungen gelten sollen, jedoch ist das bis jetzt Zukunftsmusik.
Vorerst gilt es, das Handeln an der BAG-Rechtsprechung zu orientieren. Das BAG hat allerdings hauptsächlich über das „Ob“ der Erfassung entschieden, bezüglich des 'Wie' besteht noch Unklarheit.
Exkurs: bisherige Rechtslage
Um zu verstehen, warum hier plötzlich Aufruhr herrscht, muss man die bisherigen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 kennen.
Bisher regelt das Arbeitszeitgesetz nämlich nur, dass eine Arbeitszeit, die über acht Stunden hinausgeht, sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen aufgezeichnet werden muss. Nach dem Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 genügen die deutschen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (§ 16 Abs.2 ArbZG) den Vorschriften der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutz-Rahmenrichtline) nicht.
Aktuelle Verpflichtung
Da das BAG keine bestimmten Kriterien für das 'Wie' der Erfassung vorgelegt hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber die Erfassung sowohl händisch als auch per EDV in der Cloud oder stationär bewerkstelligen kann.
Um die Einhaltung der Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten wirksam gewährleisten zu können, muss der Arbeitgeber – nach dem Urteil des BAG –, genau wie sonst auch für die geringfügige Beschäftigung geregelt, Beginn, Ende und konkrete Dauer der täglichen Arbeitszeit jedes Mitarbeiters aufzeichnen.
Was gilt für Minijobs?
Anders als nach den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes vorgeschrieben, müssen bereits jetzt alle Arbeitszeiten von Minijobbern (derzeit bis 538 Euro) aufgezeichnet werden. Das gilt jedoch nicht für im Betrieb mitarbeitende Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers.
Allerdings ist die hierzu geforderte Aufzeichnungspflicht umfassend. Der Arbeitgeber muss notieren (oder notieren lassen):
- Den Beginn der Arbeitszeit (für jeden Arbeitstag)
- Das Ende der Arbeitszeit (ebenfalls für jeden Arbeitstag)
- Die Dauer der täglichen Arbeitszeit, also die Arbeitsstunden
Selbst nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums ist es nicht erforderlich, die konkrete Dauer und Lage der einzelnen Pausen aufzuzeichnen. Das Ministerium bietet betroffenen Betrieben eine Übersicht der zu erfassenden Punkte inkl. Musterbogen für die Arbeitszeiterfassung.
Handschriftlich oder maschinell spielt keine Rolle
Dabei ist es egal, ob die Liste handschriftlich oder maschinell erstellt und ausgefüllt wird. Auch Unterschriften des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sind nicht erforderlich, werden aber zu Beweiszwecken empfohlen.
Über die Autorin
Iris Borrmann, DSSV-Juristin ist seit 1993 als Rechtsanwältin zugelassen und hat seitdem sowohl als Anwältin in einer arbeitsrechtlich ausgerichteten Kanzlei als auch in der Mitgliederberatung eines Verbandes gearbeitet. Ihr Schwerpunkt ist das Arbeitsrecht. Seit Oktober 2016 ist sie als Syndikusanwältin für den DSSV tätig und berät Sie zu allen Fragen rund um das Arbeitsverhältnis zu Ihren Beschäftigten.
Tel.: 040 - 766 24 00, E-Mail: jurist@dssv.de
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Allerdings muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Aufzeichnung korrekt und bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages (also eine Woche später) dokumentiert ist.
Arbeitszeitnachweise zwei Jahre aufbewahren
Die Aufzeichnung bleibt beim Arbeitgeber und muss z. B. bei einer Kontrolle durch den Zoll oder das Gewerbeaufsichtsamt vorgezeigt werden. Über diese Vorhaltungspflicht hinaus müssen die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufbewahrt und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden können.
Vertrauensarbeitszeit
Mit der Entscheidung des BAG hat sich in vielen Fitnessstudios die Frage gestellt, ob nicht – wie bisher üblich – auf der Grundlage der Vertrauensarbeitszeit weitergearbeitet werden kann.
Definition Vertrauensarbeitszeit
Als Vertrauensarbeitszeit werden Arbeitszeitmodelle bezeichnet, in denen der Arbeitgeber grundsätzlich auf eine Kontrolle der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeitverpflichtungen verzichtet.
Das bedeutet allerdings nicht, dass es überhaupt keine Erfassung der Arbeitszeit gibt. Die Erfüllung der Aufzeichnungspflicht wird damit nur auf die Mitarbeiter übertragen, die ebenso auf die zwingenden gesetzlichen Vorschriften verpflichtet werden müssen.
Die Pflicht zur Einführung beschränkt sich nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung stellt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss hiervon auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden.
Tipp: Wenn den Mitarbeitern die eigenständige Aufzeichnung der Arbeitszeit überlassen werden soll, ist eine Dienstanweisung bzw. ein Informationsanschreiben sinnvoll. In diesem sollten sowohl die rechtlichen Gegebenheiten genau erklärt werden als auch die Anweisung enthalten sein, gesetzeskonform die Arbeitszeiten aufzuzeichnen und diese täglich im Fitnessstudio (bzw. auf der Software) zu hinterlegen.
Sanktionen bei Verstoß
Sollten die Aufzeichnungspflichten nicht beachtet werden, droht einem Arbeitgeber erstmal kein Bußgeld nach § 22 ArbZG. Aktuell sind nur Bußgelder bei Verstößen gegen bereits jetzt im Arbeitszeitgesetz normierte Regelungen vorgesehen; eine grundsätzliche Aufzeichnungspflicht ist dort (noch) nicht geregelt.
Allerdings werden dort einzelne Verstöße, wie z. B. das Nichtgewähren von Mindestruhezeiten oder Ruhepausen wie auch das Beschäftigen eines Arbeitnehmers über die Höchstarbeitszeit hinaus, mit Bußgeldern bis zu 30.000 EUR geahndet. Für die Praxis relevanter sind die Überprüfungen des Zolls (bei geringfügigen Beschäftigungen) oder des Gewerbeaufsichtsamtes.
Im Zuge einer meist durch unzufriedene Mitarbeiter oder Kunden veranlassten Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt werden neben allgemeinen Überprüfungen des Arbeitsschutzes auch die Arbeitszeitdokumentationen geprüft.
Sollte es wegen des Fehlens oder der Unvollständigkeit zu einer weitergehenden Überprüfung kommen und muss das Amt eine Anordnung zur ordnungsgemäßen Erfassung erteilen, berechnen die Aufsichtsämter meistens eine Stundenvergütung für das amtliche Handeln.
DSSV-Rechtsberatung für Mitglieder
Zu allen rechtlichen Fragen rund um den Studioalltag bietet die Rechtsabteilung des DSSV im Rahmen einer bestehenden Mitgliedschaft die Möglichkeit, eine kostenlose rechtliche Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage zu erhalten, beispielsweise nach Erhalt einer Attestkündigung, zur Überprüfung von Vertragsklauseln oder zu arbeitsrechtlichen Themen.
Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:
Borrmann, I. (2024). Arbeitszeiterfassung im Fitnessstudio. fitness MANAGEMENT international, 2 (172), 58 – 60.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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