Wir sind Longevity Champion

Regelmäßiges Training fördert Longevity: Marcel Reuter erklärt im Interview, wie Fitnessstudios den Longevity-Trend prägen.
Lesezeit: 5 Minuten
Geteiltes Bild in Schwarzweiß: Links eine Frau und ein älterer Mann geben sich beim Training ein High-Five, eine neongelbe Trennlinie mit Zitatmarkierung und rechts ein Mann (Sportwissenschaftler Marcel Reuter) im Sportshirt mit Nike-Logo lächelt in die Kamera vor dunklem Hintergrund
Interview mit Marcel Reuter, Sportwissenschaftler an der DHfPG
Longevity rückt in den Fokus der Studios: Sportwissenschaftler Marcel Reuter, DHfPG, betont im Interview die zentrale Rolle des Trainings für gesundes Altern und höhere Lebenserwartung. Fitnessstudios sind demnach Schlüsselakteure für Prävention und Langlebigkeit.

fM: Warum ist Longevity derzeit so populär?

Marcel Reuter: Der Begriff Longevity ist momentan allgegenwärtig, aber das Thema selbst so alt wie die Menschheitsgeschichte – ein uralter Wunsch. Der Ansatz hat sich verändert. Früher war der Glaube an 'ewiges Leben' eher mythologisch interpretiert. Schon in der Bibel gibt es Geschichten über Menschen, die über 900 Jahre alt wurden.

Heute rückt die Wissenschaft in den Fokus. Neue Technologien, neue medizinische Erkenntnisse und ein wachsendes Bewusstsein für Prävention spielen eine zentrale Rolle. Der demografische Wandel verstärkt dieses Interesse zusätzlich. In unserer Branche haben wir den großen Vorteil, zu wissen, dass körperliche Aktivität ein entscheidender Faktor für Langlebigkeit ist.

Welche aktuellen Fakten und wissenschaftlichen Theorien belegen den Zusammenhang von regelmäßiger körperlicher Aktivität, gesundem Altern und gesteigerter Lebenserwartung?

In der Forschung werden viele verschiedene Aspekte zur Auswirkung von körperlicher Aktivität auf die Langlebigkeit betrachtet. Die positiven Anpassungseffekte körperlichen Trainings auf physiologischer Ebene können sehr genau untersucht und auf Grundlage verschiedener Studien nachgewiesen werden, z. B. in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System, ebenso die metabolischen und zellulären Effekte. Ein Beispiel: Körperliche Aktivität verlangsamt nachweislich die Verkürzung der Telomere, der Schutzkappen an den Enden unserer Chromosomen, und trägt so zu einer langsameren Zellalterung bei.

Mit zunehmendem Alter steigt die chronisch erhöhte systemische Entzündungsaktivität, was als 'Inflammaging' bezeichnet wird. Dieser biologische Mechanismus steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung von verschiedenen Erkrankungen, die im Alter zunehmen. Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität diesem Prozess erfolgreich entgegenwirkt.

Kausale Zusammenhänge sind in diesem mehrdimensionalen Forschungsgebiet immer schwer darzustellen. Das Altern können wir natürlich nicht aufhalten, denn es ist ein natürlicher biologischer Prozess. Die Verlangsamung des Alterns ist eher bildlich gemeint. Was wir tun können, ist die Auswirkung des Alterns abzumildern, und dabei spielt körperliches Training eine entscheidende Rolle.

Die Effekte des körperlichen Trainings lassen sich auf verschiedenen Ebenen nachweisen: Insbesondere Krafttraining kann dem altersbedingten Muskelabbau und dem Rückgang der Knochendichte entgegenwirken und ist gerade im höheren Alter zu empfehlen, angepasst an die individuelle Belastbarkeit und mit ausreichend hohem Trainingsreiz.

Über den Interviewpartner

Marcel Reuter

Der Sportwissenschaftler, Doktorand an der Universität des Saarlandes und ehemalige Badminton-Nationalspieler leitet an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) den Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaften und lehrt Fitnesstraining. Mit dem Fokus auf Leistungssport, Prävention und Rehabilitation verfügt er über exzellente Erfahrungen im Coaching von Spitzensportlern und Mannschaften. Marcel Reuter blickt außerdem auf eine herausragende sportliche Karriere zurück: Er gewann im Badminton zahlreiche nationale und internationale Titel.

Foto: DHfPG/BSA

Auf kardiovaskulärer und metabolischer Ebene zeigen sich positive Effekte auf den Blutdruck und die Gefäßelastizität. Auch der Blutzuckerspiegel wird stabilisiert. Somit hat körperliches Training einen positiven Effekt auf die Insulinsensitivität, ein wichtiger Aspekt, um Typ-2-Diabetes im Alter vorzubeugen.

Auf neurologischer Ebene hat Training eine positive Wirkung, indem es die Neurogenese, die Bildung neuer Nervenzellen, fördert. Dieser Prozess wird durch eine verbesserte Durchblutung des Gehirns begünstigt, was wiederum in einem positiven Zusammenhang mit der Prävention verschiedener neurologischer Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz steht.

Training als Lebensstilintervention: Welche Formen und Intensitäten wirken sich positiv auf unsere Langlebigkeit aus?

Das Schöne ist, dass sich jede Form von körperlichem Training positiv auswirkt, unabhängig von Alter oder Ausgangsniveau. Wer regelmäßig trainiert und eine höhere körperliche Leistungsfähigkeit erreicht, hat nachweislich bessere Chancen auf ein längeres Leben.

Ausdauertraining ist ein Schlüsselfaktor für Langlebigkeit, gerade im mittleren Alter. Das lässt sich so erklären: Die VO2max, also die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit, ist ein Indikator für die körperliche Fitness. Langzeitstudien zeigen, dass Menschen mit einer höheren VO2max statistisch gesehen länger leben. Wer es also schafft, seine VO2max über Jahre hinweg auf einem hohen Niveau zu halten oder zu erhöhen, kann seine Lebenserwartung um einige Jahre steigern.

Weitere Hintergründe

Lies außerdem unseren Artikel 'Health-Trend Longevity' als Einstieg zum Interview.

Indem du auf das nachstehende Bild klickst, gelangst du direkt zum Artikel.

Krafttraining hat vor allem im höheren Alter eine enorme Bedeutung. Mehr Muskulatur bedeutet zunächst mehr Stabilität, Unabhängigkeit im Alter und Sturzprävention, außerdem hat sie einen bedeutenden positiven Einfluss auf den Stoffwechsel.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass körperliches Training eine hocheffektive, nicht-medikamentöse Intervention mit belegtem Nutzen für die Gesundheit und Langlebigkeit darstellt. Das gilt auch für Personen mit Vorerkrankungen. Studien zeigen, dass Menschen mit internistischen oder neurologischen Erkrankungen durch regelmäßiges Training ihre Lebensqualität und Lebenserwartung verbessern können, unabhängig von der Trainingserfahrung und dem Leistungsniveau. Es ist nie zu spät, mit dem Training zu beginnen.

Wie sollten Menschen trainieren, die das Ziel Longevity verfolgen?

Das übergeordnete Ziel bleibt immer gleich: die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, unabhängig vom Alter. Den einen perfekten Trainingsplan für alle gibt es nicht. Trainingseffekte sind immer individuell, mehrere Wege führen zum Ziel. Auf Basis der aktuellen Studienlage lässt sich festhalten, dass Kraft- und Ausdauertraining die beiden zentralen Bausteine für gesunde Langlebigkeit sind. Dabei verschieben sich die Trainingsschwerpunkte mit dem Alter.

Im mittleren Lebensalter sollte der Fokus eher auf dem Ausdauertraining liegen, um die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems zu erhalten oder zu steigern. Im höheren Alter gewinnt das Krafttraining zunehmend an Bedeutung, um die Muskulatur, Mobilität und Stoffwechselaktivität zu erhalten.

Wie lassen sich diese Erkenntnisse in den Alltag integrieren?

Training muss zur Gewohnheit werden, so selbstverständlich wie Zähneputzen. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche – oder eine Kombination aus beiden. Das entspricht einem zusätzlichen Energieverbrauch von etwa 1.500 Kalorien pro Woche und ist das Mindestmaß, um einen messbaren Gesundheitsnutzen zu erzielen. Man kann das z. B. durch dreimal pro Woche Ausdauertraining für 50 Minuten erfüllen. Optimal sind zusätzlich mindestens zwei Einheiten Krafttraining. Für einen maximalen Gesundheitseffekt liegt der Zielwert bei etwa 3.000 Kalorien Trainingsverbrauch pro Woche. Studien deuten darauf hin, dass Männer einen höheren Trainingsumfang benötigen als Frauen, um diesen Effekt zu erreichen.

Angesichts des Longevity-Trends: Welche Aufgaben haben Fitnessstudios in der Vermittlung und Umsetzung?

Die Fitness- und Gesundheitsbranche ist der eigentliche Longevity-Champion, denn sie lebt den Longevity-Ansatz seit Jahrzehnten. Fitness- und Gesundheitseinrichtungen liefern die zentralen Bausteine der Langlebigkeit: Training, Ernährung, Regeneration und mentale Gesundheit. 

Die Branche ist inhaltlich also bestens aufgestellt. Jetzt geht es darum, den Longevity-Gedanken offensiver zu kommunizieren. Studien zeigen: Was in Fitness- und Gesundheitseinrichtungen passiert, wirkt lebensverlängernd. Diese Botschaft muss in der Öffentlichkeit ankommen. Wir müssen den Longevity-Trend aktiv als Chance nutzen, um den gesellschaftlichen Wert der Branche sichtbar zu machen, neue Zielgruppen zu erreichen und mehr Menschen für unser Training zu begeistern.

Zahlen moderne Trainingsangebote und -formate bereits auf Longevity ein oder müssen Studios ihr Portfolio erweitern?

Tatsächlich wird in vielen Fitness- und Gesundheitsstudios bereits viel richtig gemacht. Das nötige Know-how ist vorhanden und viele Angebote wie Gruppenkurse, Individual- und Personal Training tragen bereits zum Longevity-Gedanken bei. Wichtiger als die Erfindung neuer Formate ist die konsequente Ausrichtung der Angebote auf die Leistungsentwicklung.

Denn Gesundheitstraining ist immer auch Leistungstraining. Entscheidend ist, dass gut ausgebildete Trainer die Wirkmechanismen hinter dem Training erklären können und den Mitgliedern vermitteln, welche Trainingsformen welche Anpassungseffekte haben – auch im Hinblick auf Langlebigkeit.

Glaubst du, dass der Hype um Longevity das Training der Zukunft verändern wird?

Ich glaube, die meisten Werkzeuge liegen bereits auf dem Tisch. Es wird darum gehen, die vorhandenen Ansätze und die Kommunikation gezielt auf das Thema Longevity auszurichten. Die Aussage sollte also lauten „Trainiere bei uns – wir machen dich älter“. Das ist natürlich augenzwinkernd formuliert, hat aber einen ernsten Kern.

-Anzeige-

Für fitness MANAGEMENT berichtet

Mehr von diesen Autoren

Das marea Fitness in Lingen hat das Zertifizierungsverfahren „ZertFit“ der BSA-Zert nach DIN-Norm 33961 erfolgreich absolviert und beantwortet damit zugleich...
An dieser Stelle haben wir Anfragen Ihrer Kollegen, unserer Mitglieder, zum Thema Rechte und Pflichten gegenüber Mitarbeitern gesammelt. Kurz und...
Schulung von UV-Fachpersonal: In der Wahrnehmung vieler Betreiber und auch der Öffentlichkeit ist die Schulung und Zertifizierung von UV-Fachpersonal der...

Das könnte dich auch interessieren

Ein Schwarzweißfoto zeigt: eine Frau und einen älteren, muskulösen Mann mit langem Bart. Beim Training geben sie sich ein High-Five.

Health-Trend Longevity

Lange gesund leben: Das steckt hinter Longevity. Wie erreichen wir dieses Ziel und welche Rolle spielen Fitnessstudios dabei?
Geteiltes Bild in Schwarzweiß: Links eine Frau und ein älterer Mann geben sich beim Training ein High-Five, eine neongelbe Trennlinie mit Zitatmarkierung und rechts ein Mann mit Brille und weißem Bart (Kieser-COO Patrik Meier), verschränkt die Arme und lächelt in einem Fitnessstudio.

Longevity Healthspan

Longevity bedeutet laut Patrik Meier mehr als ein langes Leben: Krafttraining ist die Basis für Gesundheit und Lebensqualität – seit Jahrzehnten Kern von Kieser.
In einem modernen Fitnessstudio führt eine junge Frau in Sportkleidung eine Kniebeuge mit einer Langhantel auf dem Rücken aus. Ein Trainer in grünem T-Shirt und Shorts kniet vor ihr und gibt ihr konzentriert Anweisungen zur richtigen Technik. Im Hintergrund sind Hanteln, Spiegel und Fitnessgeräte zu sehen. Unten links befindet sich das fM-Logo.

Personal Training als Erfolgsfaktor

Wie können Personal Training und individuelle Betreuung den Ansprüchen der Mitglieder gerecht werden und die Mitgliederbindung stärken?
Gruppe von Menschen bei einem intensiven Gruppentraining in einer CrossFit-Halle; vorn zwei Männer und eine Frau beim Ausführen von Fitnessübungen; oben rechts EuropeActive-Logo, unten rechts ein Porträtfoto mit dem Namen Emilia Happel, unten links fM-Logo.

Interview #BEACTIVE

Emilia Happel spricht über #BEACTIVE und darüber, warum Engagement für körperliche Bewegung in ganz Europa so wichtig ist.
Links die sportliche Frau mit Hanteln. Rechts eine blonde Frau in heller Bluse und braunem Blazer. Sie lehnt an einem Fitnessgerät und lächelt freundlich in die Kamera.

Gemeinsamkeiten leben

Jeanine Minaty, CCO Kieser, über die Rolle von Frauen in der Fitnessbranche, Wandel, Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Karrierechancen.
Sportliche Frau im schwarzen Sport-BH hebt zwei Hanteln. Ihr Blick ist fokussiert nach unten gerichtet. Dunkler Hintergrund betont ihre definierte Muskulatur und die Trainingssituation.

Women in Fitness

Gleichberechtigung in der Fitnessbranche: Haben Frauen und Männer die gleichen Chancen? Drei Frauen in Führungspositionen geben Einblicke.