Sleep Hacking – ein Selbstversuch
fM Leserin Anika Donie ist begeisterte Kraftsportlerin. Aufgrund von neuronalen Störungen – vermutlich ausgelöst durch Übertraining, hat sie ihren Regenerationsrythmus und ihren Schlaf analysiert. Den Erfahrungsbericht über ihren Selbstversuch für einen erholsameren Schlaf hat Anika Donie fM für einen User-Beitrag zur Verfügung gestellt.
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Sleep Hacking – ein Selbstversuch: Um ein System zu hacken, musst du es kennen.
Achtsamkeit ist ein Begriff, der sich immer mehr durch und in mein Leben zieht. Achtsamkeit für meine Umwelt, für unsere Erde, für meine physischen Ressourcen. Es gab Zeiten, da war mir letzteres recht fremd. Aus sportlicher Sicht würde ich es heute Raubbau an meinem Körper nennen. Diese Einstellung führte zu Übertraining, welches bis zu neuronalen Störungen reichte. Am Ende stand Unzufriedenheit, der ich selbst nicht mehr Herr wurde.
Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr.
Anschließend heißt es: Aufstehen, Kaffee, optimales Essen für den Arbeitstag vorbereiten. Um 7 Uhr die Fahrt ins Büro, später in der Mittagspause Yoga, um 17.30 Uhr Feierabend. Heimfahrt, um 18 Uhr umgezogen im Kraftraum, zwei Stunden Training, fünf bis sechs Tonnen Gewicht pro Einheit. Einkaufen, kochen, essen, duschen, um 22 Uhr ins Bett. Irgendwann litt der Schlaf und es gab keine Erklärung. Wenn der Schlaf leidet, leidet der ganze Tagesablauf.
Um ein System zu hacken, musst du es kennen.
Ursprünglich entwickelte sich meine Idee aus der Beschäftigung mit dem Thema BioHacking, insbesondere im endokrinen Bereich. Der Begriff BioHacking findet sich (noch) nicht im Duden, wird aber in allen Quellen in etwa als Selbstoptimierung mithilfe von Wissenschaft und Forschung erklärt. Um ein System zu hacken, musst du es kennen. Also fing ich an zu reflektieren, mein Mindset genauso wie meine Umwelt und meinen Körper. Über Ernährung und Hormone bin ich zum Schlaf gekommen und geblieben. Dies ist eine grobe Aufzeichnung meiner Faszination an der Wissenschaft und der Kraft der Gedanken.
Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.
Der Schlaf eines Erwachsenen setzt sich zusammen aus mehreren sich wiederholenden Schlafzyklen. Schlafzyklen bestehen jeweils aus vier verschiedenen Schlafphasen, welche sich besonders anhand von Hirnwellen unterscheiden lassen. Neben dem Tiefschlaf (Delta-Wellen, 0 bis 4 Hertz) ist eine weitere Schlafphase von zentraler Bedeutung, die Traumphase. Innerhalb der Traumphase ist das Hirn vollkommen wach und weist Wellenfrequenzen wie am Tage auf (Alpha- und Beta-Wellen, > 8 Hertz). Die Muskulatur, speziell im Hals- und Rückenbereich, ist dabei gelähmt (REM-Atonie), um Schlafwandeln zu unterbinden. Ausschlaggebend für einen optimalen Schlaf sind nicht nur die Dauer und das Auftreten verschiedener Schlafphasen, sondern hauptsächlich deren zyklische Wiederholung. Der Schlaf eines Erwachsenen beinhaltet typischerweise vier bis fünf Schlafzyklen pro Nacht. Diese haben jeweils eine Länge von circa 90 Minuten. Während des Experiments wurde die Schlafqualität anhand von Audio- und Bewegungssensoren überwacht. Außerdem wurde ein Schlaftagebuch mit subjektiven Wahrnehmungen zur Schlafqualität geführt.
Sleep Hacking - Phase I.
Tagsüber erfahren wir eine Lichtkonzentration von circa 300-500 Lux in geschlossenen Räumen und bis zu 130.000 Lux im direkten Sonnenlicht. Licht sollte mindestens eine Intensität von 1000 Lux haben, um unseren Tag-Nacht-Rhythmus zu beeinflussen. Um Schlaf einzuleiten, muss das Hirn Melatonin ausschütten. Melatonin ist ein Hormon, dessen Produktion durch den Einfall von Licht auf die Netzhaut des Auges gehemmt wird. Die Melatoninkonzentration erhöht sich im Laufe der Nacht und erreicht ihr Maximum um etwa 3 Uhr. Um die Melatoninkonzentration im Körper möglichst schnell zu drosseln, ist es vonnöten, morgens möglichst viel Licht zuzuführen. Im Umkehrschluss erklärt sich, warum Licht für die Intention zu schlafen kontraproduktiv ist. In Phase I des Experiments wurden jegliche Licht- und Geräuschquellen im Schlafzimmer eliminiert, sogar und besonders Kontrollleuchten von elektronischen Geräten. In Phase I konnte die Schlafqualität verglichen mit der Vorwoche im Schnitt um 4,6% verbessert werden.
Sleep Hacking - Phase II.
Neben Herzfrequenz, Blutdruck, Cortisolspiegel, Melatoninspiegel und weiteren befindet sich auch die Körpertemperatur in permanenter Schwankung. Sie fällt im Laufe der Nacht auf den Tagestiefstpunkt und erreicht diesen im Mittel um 4:30 Uhr. Um den Körper in seiner Reset-Phase zu unterstützen, sollte die Temperatur der Umgebung der biologischen Thermoregulierung angepasst werden. Zur optimalen Unterstützung empfiehlt sich eine Umgebungstemperatur von 18-22 Grad. Die Körpertemperatur sollte zum Zeitpunkt des Zubettgehens möglichst niedrig gehalten werden. Dies bedeutet, körperliche Anstrengung, beispielsweise durch Sport, hier zu vermeiden. Es hat sich herausgestellt, dass kühle Duschen vor dem Zubettgehen der Schlafqualität zuträglich sind. Die Schlafqualität konnte in der Testphase II um weitere 5,0% angehoben werden.
Sleep Hacking - Phase III.
Wie verschiedene Lebensmittel dem Schlaf zuträglich sein können, gibt es ebenso Lebensmittel, welche die Schlafqualität hemmen. Um die Wirkungsweise der beiden folgenden Beispiele zu verstehen, muss der folgende biochemische Zusammenhang grob umrissen werden:
GABA (Gamma-Aminobuttersäure, gamma aminobutyric acid) ist ein Neurotransmitter und wirkt im Hirn. Seine Stresssignale hemmende Funktion ist maßgeblich schlaffördernd. GABA wird körperintern gebildet, eine seiner frühen Vorstufen ist Tryptophan. Tryptophan ist vorhanden in verschiedenen Lebensmitteln. Die Aufnahme von Tryptophan über die Nahrung wirkt bei gesunden und ausgeglichenen körperlichen Begebenheiten schlaffördernd. Tryptophan enthalten die folgenden Lebensmittel vermehrt: Linsen, Reis, weißer Fisch, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Nüsse, Vollkornprodukte, Eier, Sesam, weißes Fleisch, Bananen.
Tyramin, ebenfalls vorhanden in verschiedenen Lebensmittelprodukten, wirkt ebenfalls als Neurotransmitter. Tyramin gilt als Vorstufe von Noradrenalin, das als Hormon anregend wirkt – es fördert unter anderem die Hirnaktivität. Tyramin ist konzentriert angereichert in Bacon, Käse, Wurst, Schokolade, Spinat, Sauerkraut, Wein und Nachtschattengewächsen.
Die Schlafqualität konnte hier nicht messbar verbessert werden, da meine Ernährung schon vor Beginn des Experiments größtenteils entsprechend aufgebaut war.
Sleep Hacking - Phase IV.
Wie bereits beschrieben, verändern sich innerhalb der Schlafphasen die Frequenzen der Hirnwellen. Die Wellenlängen werden grob vom wachen zum Tiefschlaf-Zustand länger. Es ist möglich, Hirnwellen anhand von Audiostimulation zugunsten des Schlafs zu manipulieren. Den Schlaf beeinflussen können Stimulationen nicht nur, indem sie über die gesamte Dauer des Schlafs angewendet werden. Es ist durchaus ein Effekt zu verzeichnen, wenn die Stimulation in der direkten Zeit vor dem Zubettgehen erfolgt. Hier war quantitativ nur ein geringer Effekt auf die gemessene Schlafqualität zu beobachten. In der graphischen Aufarbeitung der Daten aus der Schlafüberwachung ist allerdings eine gleichmäßigere Verteilung der Schlafphasen und -zyklen zu registrieren. In der subjektiven Beurteilung der Maßnahme hatte diese aus allen den bemerkenswertesten Effekt.
Der Schlaf ist für den Mensch, was das Aufziehen für die Uhr.
Je nach individuellen Gewohnheiten, Tag-Nacht-Rhythmik und vor allem der Ausgangssituation werden sich die beschriebenen Stellhebel bei anderen Testpersonen unterschiedlich stark bemerkbar machen. Aus diesem Grund war es für mich neben der Messung anhand von Audio- und Bewegungsdaten unabdingbar, auch subjektive Beobachtungen aufzuzeichnen. Am bemerkenswertesten für meine persönliche Empfindung war, dass Hirnwellen als etwas derart "indirektes" die meisten Auswirkungen hatten. Nach Abschluss und Dokumentation meines Experiments auf sozialen Medien habe ich dieses zu Papier gebracht und mit Handlungsempfehlungen versehen. Ich freue mich sehr über meine heterogene und motivierte Testgruppe, welche mir solches Interesse entgegen bringt und ihre Ergebnisse zur Verfügung stellt.
Anika Donie ist bei einem großen deutschen Handelsunternehmen im Workforce Management tätig. Sie betreibt als Hobby olympisches Gewichtheben und hält den Titel der südwestdeutschen Meisterin in der Gewichtsklasse bis 69 kg. Zwischen Vollzeitjob mit Reisetätigkeit und semiprofessionellem Sport ist Schlaf und Regeneration entscheidend.
Literaturliste:
Teemu Arina, Olli Sovijärvi, Jaakko Halmetoja, 2015, Biohacker’s Handbook - Upgrade yourself and unleash your inner potential: Sleep.
J. Arendt. Chapman & Hall, 1995, Melatonin and the Mammalian Pineal Gland.
www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft
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