Gesundheit, Management | Autor/in: Anna Colbus und Karl Drack |

Warum Employer Branding immer wichtiger wird

Das Thema Fachkräftemangel ist nicht neu und fordert branchenübergreifend alle Unternehmen. Kaum ein Wirtschaftssektor ist von dem zunehmenden 'War for Talents' jedoch so betroffen wie das Gesundheitswesen. Vor welchen Herausforderungen Gesundheitseinrichtungen und Physiotherapiepraxen stehen und warum Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität heute deshalb immer wichtiger werden, erfahren Sie in diesem Artikel.

Der Fachkräftemangel in Gesundheitsberufen ist ein politisches Dauerthema. In vielen Einrichtungen fehlt Personal.

Der Grund dafür: Viele Stellen gelten als eher unattraktiv. Die stetige Arbeitsverdichtung im Zuge des demografischen Wandels führt dazu, dass immer mehr Patienten in kürzerer Zeit von immer weniger Fachpersonal behandelt werden müssen.

'Employer of Choice' als zentrale Herausforderung

In weiten Teilen des Gesundheitswesens herrschen Fachkräfteengpässe, die sich immer stärker zu einem deutlichen bis akuten Fachkräftemangel entwickeln. So besteht etwa in der Berufsgruppe der Physiotherapeuten laut der aktuellen Fachkräfteanalyse der Bundesagentur für Arbeit vom Juni 2019 in 12 von 16 Bundesländern ein akuter Fachkräftemangel (Bundesagentur für Arbeit, 2019).

In einem zunehmenden Kampf um die besten Fachkräfte wird die richtige Positionierung als Arbeitgebermarke (engl.: employer brand) immer wichtiger, um bei den talentiertesten Arbeitnehmern der 'Employer of Choice' zu sein.

Markenpositionierung im Gesundheitswesen

Die deutsche Gesundheitswirtschaft gilt als Wachstumstreiber und Jobmotor zugleich. Das Gesundheitswesen ist von einer anderen gesellschaftlichen Verantwortung geprägt als viele sonstige Bereiche.

In dieser dienstleistungsintensiven Branche kann mangelndes Personal volkswirtschaftlichen und zugleich gesellschaftlichen Schaden hervorrufen. Obwohl im gesamten Gesundheitswesen mehr Mitarbeiter eingestellt wurden, reicht ihre Zahl bei Weitem nicht aus, um die steigende Arbeitsverdichtung zu kompensieren.

Dem Binden und Finden von Mitarbeitern kommt folglich eine zentrale Bedeutung zu.

Aufgrund der komplexen Beziehungen zwischen Kunden (Patienten) und Leistungserbringern sind bei der richtigen Positionierung als Arbeitgebermarke einige Besonderheiten zu beachten, die speziell im ersten Gesundheitsmarkt vorherrschen:

  1. Meist keine freiwillige Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen und -produkten
  2. Gesundheit als sensibles Vertrauensgut: hohe Kosten und irreversible Folgen (lebenslange Behinderung oder Tod)
  3. Eingeschränkte Werbemöglichkeiten durch gesetzliche Vorschriften zur Verhinderung einer unethischen Vermarktung von Gesundheit
  4. Unzureichende Professionalisierung des Marketings aufgrund personeller Beschränkungen und noch weniger Erfahrungswerte

Weiterhin verlangen die zahlreichen gesundheitspolitischen Reformen (z. B. das sogenannte E-Health-Gesetz oder das Pflegestärkungsgesetz) zunehmende Flexibilität der Leistungserbringer und konfrontieren, trotz ohnehin schon vorhandener Arbeitsverdichtung, mit erheblich komplexeren Prozess- und Arbeitsabläufen. All das macht den Berufsalltag weder leichter noch attraktiver.

Die Investition in Personal (zzgl. Aus-, Fort- und Weiterbildung) sowie in zeitgemäßes Personalmanagement inklusive einer starken Arbeitgebermarke werden somit zur zentralen Zukunftsaufgabe.

Wer in diesem Kontext im Wettbewerb hervorstechen möchte, muss intern wie extern auf sich aufmerksam machen und beweisen, warum er als Arbeitgeber besser geeignet ist als andere.

Genau hier kommt das Employer Branding (kurz: EB; dt.: Arbeitgebermarkenbildung) ins Spiel.

Employer Branding im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Nach Trost (2013) umfasst EB „die Positionierung und Kommunikation als attraktiver Arbeitgeber.“ Dadurch wird das Unternehmen als gefragt dargestellt und positioniert sich gegenüber anderen Wettbewerbern besser im Kampf um junge Nachwuchskräfte.

Laut Prof. Dr. Reinhard Lenz (2018) sind die Gründe für die steigende Relevanz des Themas EB insbesondere fehlendes Fachpersonal, der verschärfte Wettbewerb um Talente, eine sich verändernde Altersstruktur der Arbeitnehmerschaft sowie der wachsende Einfluss neuer Medien, die auf das Image des Unternehmens einwirken können.

Diejenigen mit einer starken Arbeitgebermarke profitieren in vielerlei Hinsicht und haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen.

Ziele der Employer-Branding-Strategie

  • Aufwertung des Unternehmensimages
  • Nachhaltige Optimierung der Mitarbeitergewinnung (etwa optimalere 'Bewerber-Passung', schnellere Besetzung von Vakanzen)
  • Verringerung der Mitarbeiterfluktuation
  • Verbesserung der Zufriedenheit und der Identifikation mit den Zielen und Werten des Unternehmens
  • Größere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber
  • Optimierung der Leistungsbereitschaft, der Arbeitsergebnisse und der Produktivität
  • Steigerung des Geschäftsergebnisses sowie des Markenwerts des Unternehmens

Interne und externe Ansatzpunkte kombinieren

Beim EB geht es nicht nur darum, „eine Organisation als attraktiven Arbeitgeber zu vermarkten, sondern auch darum, die Grundlagen zu legen, ein solcher Arbeitgeber zu werden“ (Kanning, 2017).

EB hat somit immer eine interne und externe Seite, denn es kann und soll nichts nach außen kommuniziert werden, was im unternehmerischen Alltag nicht tatsächlich auch so gelebt wird (vgl. Abb. 1).

Das interne EB befasst sich mit der Mitarbeiterbindung von allen derzeit Beschäftigten durch die Gestaltung der Arbeitswelt, der Personalentwicklung und eines adäquateren Führungsstils.

Das externe EB richtet sich an potenzielle Mitarbeiter und verfolgt das Ziel, durch den Einsatz kommunikativer Maßnahmen geeignete zu gewinnen.

Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung

Die Entwicklung einer erfolgreichen EB-Strategie ist ein langfristiger, unternehmensspezifischer Prozess. Wir geben Ihnen Tipps zur erfolgreichen Etablierung:

Status-quo-Analyse: Im ersten Schritt ist es wichtig, den aktuellen Stand des Unternehmensimages und der Arbeitgeberattraktivität im Unternehmen zu beleuchten. Dabei sind Fragen zu klären wie: Was hebt unsere Praxis, unser Team, unsere Kultur, unseren Umgang miteinander und mit Patienten von anderen Arbeitgebern der Branche ab?

Denkbar wären etwa eine familiäre Umgebung oder eine überdurchschnittliche Vergütung. Nur wenn der Status quo bekannt ist, können dauerhafte Handlungsempfehlungen abgeleitet und eine nachhaltige Arbeitgebermarke etabliert werden.

Externe und interne Umsetzung: Eine wirkungsvolle EB-Strategie besteht aus externen und internen Maßnahmen. Nur wenn Ihre Mitarbeiter glücklich und zufrieden in ihrem Job sind, werden sie dies als sogenannte Markenbotschafter auch nach außen tragen.

Als interne Maßnahmen gelten z. B.:

  • Förderung von Feedbackkultur und offener Kommunikation
  • Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Betriebliche Gesundheitsförderung: u. a. Optimierung der Arbeitsbedingungen, Unterstützung bei Sportaktivitäten

Zu den externen Maßnahmen zählen bspw.:

  • Professioneller Online-Auftritt auf eigener Website, aufm Social-Media-Kanälen und Arbeitgeber-Bewertungsportalen
  • Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen und soziales Engagement

Dies sind nur einige mögliche Maßnahmen, die in einer EB-Strategie Anwendung finden. Entwickeln und testen Sie spezifische EB-Maßnahmen deshalb am besten.

Letztendlich bildet die Summe aus externen und internen Maßnahmen die Grundlage dafür, dass Sie sich vielseitig und positiv von anderen Unternehmen abheben.

Zielgruppenspezifische Ansprache ist ein Muss

Derzeit arbeiten erstmals vier Generationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zusammen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit eines generationsbezogenen EB, denn je nach Generation existieren völlig andere Bedürfnisse und Erwartungen an Arbeitsinhalte, Führung und Organisation.

Mehr denn je gilt es deshalb, den Nutzen und die Sinnhaftigkeit der Arbeit klar herauszustellen und gezielt die Emotionen der potenziellen Bewerber anzusprechen bzw. auf den richtigen Kanälen aktiv zu sein.

Die Entscheidung für einen Beruf im Gesundheitswesen ist oftmals emotional begründet. Die tägliche Arbeit vieler Personen ist darauf ausgerichtet, anderen Menschen zu helfen und sich um die Belange von Kranken und Älteren zu kümmern. Gehen Sie in EB-Botschaften auf die soziale Verantwortung ein, die diese Personen tragen und stellen Sie heraus, mit welchen Aspekten Ihre Einrichtung die ideale Behandlung und Pflege der Patienten ermöglicht.

Fazit

Ein gezieltes Employer Branding erhöht die Wahrscheinlichkeit, von Bewerbern als Wunscharbeitgeber wahrgenommen zu werden und nachhaltig qualifizierte Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu begeistern und langfristig zu binden. Einer zielgruppenspezifischen Ansprache unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedürfnisse und Erwartungen potenzieller Bewerber kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.

Gerade jetzt, da wir als Unternehmen und Arbeitgeber durch die Corona-Pandemie herausgefordert werden, kommt es darauf an, solche Employer-Branding-Maßnahmen nicht zu vernachlässigen. Denn in Phasen großer Verunsicherung bieten starke Marken Halt und die notwendige Orientierung.

Wer jetzt dafür sorgt, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, bindet diese langfristig ans Unternehmen und kann mit einer starken Arbeitgebermarke aus der Krise hervorgehen.

Über die Autoren

Anna Colbus, M. A. Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Gesundheitsmanagement, ist pädagogische Mitarbeiterin und Dozentin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Praktische Erfahrung sammelte sie bereits in namhaften Gesundheitseinrichtungen sowie als Trainerin in der Fitness- und Gesundheitsbranche.

Karl Drack, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler M. A., war langjähriger Betriebsleiter im Gesundheitsbereich. Er ist als Coach bzw. Unternehmensberater im strategischen Kompetenzmanagement spezialisiert. Außerdem arbeitet er als Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie.

Auszug aus der Literaturliste

Kanning, U. P. (2017). Personalmarketing, Employer Branding und Mitarbeiterbindung. Berlin, Heidelberg: Springer.
Sommer, S. & Garic, J. (2020). Und wie hätten Sie es gern? Fünf Fragen zu zentralen Themen der Arbeitswelt. brand eins (03), 62–64.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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