Fitness, Gesundheit | Autor/in: Oliver Westphalen |

Impingement-Syndrom der Schulter – Rehabilitatives Fitnesstraining

Wenn bei leichten Armbewegungen die Schulter zu schmerzen beginnt und Überkopfarbeiten kaum mehr möglich sind, könnte die Diagnose Impingement-Syndrom der Schulter lauten. Doch was verbirgt sich genau hinter einem Impingement-Syndrom und welche Trainingsübungen sind bei der Behandlung Erfolg versprechend?

Rehabilitatives Fitnesstraining (Teil 1) – Impingement-Syndrom der Schulter

Das Schultergelenk (Articulatio humeri) gehört mit seinen sechs Bewegungsrichtungen um drei Achsen zu der Gruppe der Kugelgelenke und ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Das Schultergelenk besteht aus dem großen Gelenkkopf des Oberarms (Humerus) und der kleinen Gelenkpfanne des Schulterblatts (Scapula).

Stablilisierung ist entscheidend

Zwischen diesen beiden besteht ein Größenverhältnis von 1:4 (Pfanne zu Kopf), worin die große Bewegungsweite, aber auch die Notwendigkeit einer guten Stabilisierung begründet ist. Das Schulterdach (Acromion) ist eine Art Überdachung des Schultergelenks und gleichzeitig höchster Punkt des Schulterblatts.

Für eine bessere Stabilisierung des Schultergelenks und eine bessere Positionierung des Oberarmkopfes in der Gelenkpfanne umgibt ein drei bis vier Millimeter breiter Ring aus Faserknorpel (labrum gleniodale) die knöchernen Außenränder der Gelenkpfanne.

Sicherung als zentrale Rolle

In Relation zur Beanspruchung besitzt das Schultergelenk einen relativ schwachen Bandapparat. Daher ist die Sicherung des Schultergelenks primär muskulärer Natur.

Hier spielt die Rotatorenmanschette, bestehend aus dem Obergrätenmuskel (M. supraspinatus), dem Untergrätenmuskel (M. infraspinatus), dem kleinen Rundmuskel (M. teres minor) und dem Unterschulterblattmuskel (M. subscapularis), eine zentrale Rolle, denn sie umschließt den Oberarmkopf wie eine Manschette und sorgt für die notwendige Stabilisierung und Zentrierung (Held, 2008, S. 25–28).


 

Bedingt durch die große Beweglichkeit des Schultergelenks polstern verschiedene Schleimbeutel (Bursae) alle Berührungspunkte zwischen Knochen und Muskeln, zwischen Muskeln und Bändern sowie zwischen den Bändern selbst und verhindern so ein Aufscheuern der Strukturen.

Aufgrund der Gelenkkomplexität wundert es daher nicht, dass oft über Schulterschmerzen geklagt wird. Ein häufiger Grund für aufkommende Schmerzen ist u. a. das Impingement-Syndrom (Theisen, van Wagensveld, Timmersfeld, Fuchs-Winkelmann & Schofer, 2009).

Das Impingement-Syndrom

Das Impingement-Syndrom bezeichnet man auch als Engpass-Syndrom oder Schulterenge, wobei der Oberarmkopf zu stark in die Gelenkpfanne gezogen wird. Somit kommt es vorrangig bei Abduktionsbewegungen (besonders zwischen 60°–120°) aufgrund der anatomischen Enge unter dem Schulterdach (subacromialer Raum) zu einer Komprimierung von Sehnen und Schleimbeuteln. Hiervon betroffen sind die Sehne des M. supraspinatus, der subacromiale Schleimbeutel und die Sehne des langen Bizepskopfes.

Komprimierung vermeiden

Je häufiger diese Komprimierung auftritt, desto schlechter wird die Durchblutungssituation und umso eher führt dies im Laufe der Zeit zu einer Unterversorgung und damit zu degenerativen Veränderungen der Sehne des M. supraspinatus und der Sehne des langen Bizepskopfes. Dies kann langfristig sogar zu einem Sehnenriss führen.


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Schmerzen werden in der Regel direkt im Schultergelenk wahrgenommen. Zudem sind Schmerzausstrahlungen in den Oberarm ebenso möglich wie schmerzbedingter Kraftverlust oder erhebliche Bewegungseinschränkungen.

Schmerzauslöser sind typische Symptome

Die Diagnose Impingement-Syndrom lässt sich aufgrund der typischen Symptomatik schon häufig durch eine eingehende Anamnese des Arztes stellen. Schmerzauslösende Bewegungen sowie die bildgebenden Verfahren, wie z. B. Ultraschall (Sonografie), unterstützen die Diagnose eines Impingement-Syndroms (Beirer, Imhoff & Braun, 2017, S. 379).

Ursachen

Auch der Nichtsportler kann von einem Impingement betroffen sein. Tätigkeiten, die vorrangig über Kopf ausgeübt werden, zählen genauso zu möglichen Auslösern wie die tägliche Büroarbeit am Schreibtisch.

Bei Letzterem ist die Sitzposition entscheidend für die Entstehung eines Impingements. Die sogenannte sterno-symphysiale Belastungshaltung (Rundrückenhaltung) mit leicht abduziertem Oberarm (PC-Arbeit) sorgt für eine Kompressionsbelastung der besagten Strukturen und fördert somit die Entstehung einer Einengung.

Training bei einem Impingement

Ist ein Impingement erst einmal diagnostiziert und die medizinische Heilbehandlung abgeschlossen, kann das rehabilitative Training im Studio aufgenommen werden.

Der Trainer baut dabei auf den bisherigen therapeutischen Verlauf auf und entwickelt ein spezifisches Trainingsprogramm für den betroffenen Kunden.

Trainingsschwerpunkte

Schwerpunkte sind das Humeruskopfdepressionstraining zur Schulterdachentlastung durch Kräftigungsübungen des M. biceps brachii und Traktionsbehandlungen gekoppelt mit einer Kräftigung und Dehnung der Rotatorenmanschettenmuskulatur. Somit lässt sich eine Verbesserung der Stabilität und Führung des Schultergelenks erreichen.

Das Muskelaufbautraining fördert den Heilungsprozess und beugt zudem neuen Erkrankungen vor. Indem man bestimmte Muskelgruppen aktiviert, reduzieren sich der Hochstand des Oberarmkopfes und die Enge unterhalb des Schulterdachs. Dadurch verringert sich der Druck auf das Gewebe unterhalb des Schulterdachs und die Entzündung flaut ab.


 


Kontraindikationen

Zu vermeiden sind bei der Trainingsplanung sämtliche Übungen, die eine Kompressionsbelastung provozieren, wie z. B. Abduktionsbewegungen über 60 Grad hinaus. Aber auch Bankdrücken, Schrägbankdrücken und Schulterdrücken sollten vermieden werden (Theisen et al., 2009).

Problemspezifische Übungen

Zur optimalen Behandlung eines Impingements sollten nachfolgende Übungen präferiert werden.

  • Ruderzug horizontal eng mit bewusster Scapularetraktion
  • Schulteradduktion stehend am Seilzug (aus 60° Abduktion den gestreckten Arm adduzieren)
  • Bizepscurls (Oberarm ist am Körper fixiert und leicht außenrotiert; das Caput longum des M. biceps brachii unterstützt die Depression des Humeruskopfes)
  • Schulteraußenrotation am Seilzug (sitzend/stehend/liegend), der Oberarm ist am Körper fixiert (die Rotatoren bewirken eine Zentrierung des Humeruskopfes im Schultergelenk)
  • Butterfly Reverse (Arme < 60° Abduktion)
  • Pendelübungen mit der Kurzhantel (stehend; liegend auf einer Bank)
  • Traktion des Schultergelenks (manuell oder über eine Handschlaufe am Seilzug)
  • Schulterabduktion bis maximal 60 Grad

Neben den genannten Übungen an Maschine, Seilzug oder mit Freihantel sind auch Übungen zur Gewebeentspannung mit einem Massageball Erfolg versprechend.


Fazit

Alltags-, berufs- oder sportspezifische Bewegungen können ursächlich für die Diagnose Impingement-Syndrom sein. Trainer im Fitness- und Gesundheitsbereich können durch adäquate Trainingsplanung und Auswahl problemspezifischer Übungen den Heilungsprozess fördern und Schmerzen reduzieren.


 

Über den Autor

Oliver Westphalen, Lehrer für Sport und Pädagogik, ist als Dozent und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und BSA-Akademie tätig. Praktische Erfahrung sammelte er als Regionalleiter einer Fitnesskette, Inhaber einer Fitnessanlage sowie als Verwaltungsdirektor einer ambulanten und stationären Rehabilitationsklinik in Nordrhein-Westfalen und Bayern.


Auszug aus der Literaturliste

Beirer, M., Imhof, A. B. & Braun, S. (2017). Impingement-Syndrome der Schulter. Der Orthopäde, 46 (4), 373–386.
Held, M. (2008). Anterosuperiores Impingement der Schulter als Folge von Pulley-Läsionen: Verletzungsmuster und arthroskopische Therapie. Eine prospektive Untersuchung. Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität. München.
Theisen, C., van Wagensveld, A., Timmersfeld, N., Fuchs-Winkelmann, S. & Schofer, M. D. (2009). Das Impingementsyndrom der Schulter. Obere Extremität 4, 101–108.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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