In Erinnerung an Karen Skålvoll: World's Strongest Disabled (Wo)Man 2018
Die Weltmeisterschaften der Strongman-Athleten und -Athletinnen mit Handicap fanden im September 2018 in Bodø (NOR) statt. Wir hatten im Vorfeld die Gelegenheit zu einem Interview mit Athletin Karen Skålvoll und Björn Bruckmann von CrossFit® Saar. Nun ist sie am 11. September 2021 im Alter von 49 Jahren gestorben. Unsere Gedanken sind bei ihren Angehörigen und Freunden.
Powerfrau Karen Skålvoll hat viele Weltrekorde gebrochen. Unvergessen ist, wie sie mit reiner Muskelkraft einen F-104 'Starfighter' über das Rollfeld eines Flughafens zog. Am 11. September 2021 starb die Alpha-1-Athletin im Alter von 49 Jahren.
Wir erinnern an Karen Skålvoll mit einem Interview, das wir anlässlich der Weltmeisterschaften der Strongman-Athleten und -Athletinnen mit Handicap im norwegischen Bodø mit ihr und Björn Bruckmann von CrossFit® Saar führten.
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Ihr Mann Torbjørn Skålvoll hat nach ihrem Tod eine Gedenk-Gruppe bei Facebook eingerichtet. Dort schreibt er: „Karen war die Verkörperung der Freundlichkeit, mit Zeit und Mitgefühl für jeden, unabhängig von seinem Platz auf der sozialen Leiter oder seinen religiösen oder politischen Überzeugungen. Sie hatte die einzigartige Fähigkeit, hinter die Fassade zu blicken und die wahren Menschen hinter ihren Masken zu erkennen.“
Weiter heißt es dort: „Karen litt an einer Erbkrankheit – dem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Alpha-1). Nachdem sie 2009 während des Trainings für den New York Marathon zusammengebrochen war, wurde ihr gesagt, dass sie das Jahr 2010 nicht überleben würde.“
Lesen Sie auch: 'HYROX meets CrossFit Saar – Interview Karen Skalvoll'
Aber: „Aber Karen war nie bereit, solche Dinge zu akzeptieren. Im Frühjahr 2011 zog sie nach Deutschland, um mit ihrem künftigen Ehemann zusammenzuleben. In Deutschland erhielt sie eine Behandlung, die ihren Gesundheitszustand stabilisieren und das Fortschreiten ihrer Krankheit verlangsamen sollte…“
Nun hat sie ihren letzten Kampf verloren.
Stand des Artikels: 14.10.2018
In Bodø in Norwegen wurden am 8. September 2018 die Weltmeisterschaften der Strongman-Athleten und -Athletinnen mit Handicap ausgetragen. Mit dabei: das Team von CrossFit® Saar und Organisatorin Karen Skålvoll als Athletin in der Kategorie Standing C mit respiratorischem Handicap. fitness MANAGEMENT hatte im Vorfeld der Weltmeisterschaften die Gelegenheit zu einem Interview mit Karen Skålvoll und Björn Bruckmann von CrossFit® Saar.
Organisatoren der Titelkämpfe waren Karen Skålvoll und ihr Mann Torbjörn, Team Alpha-1-Athlet. Karen Skålvoll, die einen beeindruckenden Kampf für ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben trotz ihres Handicaps führt, hatte die Weltmeisterschaften in ihre Heimat geholt – eine Herzensangelegenheit für sie.
Kräftemessen in familiärem Miteinander
Das Team von CrossFit® Saar um Björn Bruckmann und Geschäftsführer Gerrit Sittler, das seit 2017 die Events Germanys Strongest Disabled Man veranstaltet, leitete bei den Weltmeisterschaften das Geschehen auf der Wettkampffläche.
Arnar Már Jónsson aus Island, Gründer des 'World’s Strongest Disabled Man', und Magnús Ver Magnússon, ebenfalls aus Island, der 1991, 1994, 1995 und 1996 World’s Strongest Man war, fungierten als Judges der Wettkämpfe. Žydrūnas “Big Z” Savickas aus Litauen, World’s Strongest Man 2009, 2010, 2012 und 2014, war als Special Guest vor Ort.
Die Wettkämpfe fanden immer im Wechsel auf der gleichen Fläche statt, wo die Teilnehmer in den Kategorien „Standing“ und „Seated“ gegeneinander antraten. Es gab verschiedene Unterkategorien, um den verschiedenen Handicaps gerecht zu werden.
Alpha-1-Athletin Karen Skålvoll
Karen Skålvoll stammt aus Norwegen. Geboren wurde sie in Sandnes in der Nähe von Stavanger, hat aber die meiste Zeit ihres Lebens in Bergen gelebt. 2011 ist sie nach Deutschland eingewandert und lebt seitdem in Grügelborn im Saarland mit ihrem Ehemann, zwei Hunden, zwei Kaninchen und einer Katze. Karen Skålvoll mag Reisen, die Natur, Wandern, Hand- und Gartenarbeit und hat seit frühester Kindheit immer Sport getrieben.
Handicap Alpha-1
Seit ihrer Jugend wurde sie immer wieder, immer häufiger und auch immer heftiger von Atemwegsproblemen geplagt, lange Zeit ohne eine abschließende Diagnose. 2006 gingen die Ärzte zunächst davon aus, sie würde an Asthma leiden. Ihre Lunge machte schließlich nicht mehr mit, als sie 2009 für einen Marathon trainierte. Die richtige Diagnose erhielt Karen Skålvoll dann im Oktober 2011 von einem Spezialisten in Deutschland: Alpha-1. Alpha-1 ist eine unheilbare genetische Disposition, bei der ein Protein, das die Lunge vor Schadstoffen schützt, nicht von der Leber ins Blut transportiert wird. Die Lunge wird durch das Fehlen des Proteins fortlaufend geschädigt (siehe Infokasten) und ist besonders anfällig für Infekte. Seit der Diagnose lebt Karen Skålvoll mithilfe eines mobilen Konzentrators zum Schutz vor Infekten unter Sauerstoff-Therapie – beim Training, beim Schlafen, beim Reisen. Jede Woche bekommt sie Plasma-Infusionstherapien, die den Krankheitszustand zwar stabilisieren, aber die Krankheit selbst nicht heilen können
Alpha-1 – Was ist das?
Bei der erblichen Stoffwechselkrankheit Alpha-1-Antitrypsinmangel (kurz Alpha-1) fehlt Betroffenen ein Schutzeiweiß der Lunge, das sogenannte Alpha-1-Antitrypsin. Durch den fehlenden Schutz wird das Lungengewebe im Laufe der Jahre zersetzt.
Alpha-1 kann sich vor allem durch Atemnot, zuerst nur bei Belastung – später auch in Ruhe, Husten, häufig zunächst in den frühen Morgenstunden und Auswurf bemerkbar machen. Auch erhöhte Leberwerte können ein Anzeichen für einen Alpha-1-Antitrypsinmangel sein. Es kommt vor, dass Betroffene diese Symptome erstmals im Alter ab 35 Jahren wahrnehmen. Obwohl Alpha-1 zu den seltenen Erkrankungen zählt, schätzen Experten, dass es allein in Deutschland bis zu 20.000 von Alpha-1-Betroffene gibt.
Weil die Hauptsymptome von Alpha-1 auch auf andere Erkrankungen wie COPD (chronische Entzündung der Bronchien) oder Asthma zutreffen, wird bei vielen Betroffenen die Krankheit lange Zeit nicht erkannt. Die Erkrankung kann aber durch einfache Testmethoden nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Als Gendefekt ist die Erkrankung nicht heilbar, es stehen aber verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, um den Verlauf zu verlangsamen. Linderung verschafft u.a. eine Langzeit-Sauerstofftherapie. Der Sauerstoff wird für gewöhnlich über die Nase zugeführt. Eine Alternative zur stationären Versorgung bieten tragbare Systeme, da sie dem Nutzer Mobilität ermöglichen.
Quelle: www.alpha1-deutschland.org
Schmerzmittel und Lebensversicherung Sport
Mithilfe der verschiedenen Therapien und durch den mobilen Sauerstoff-Konzentrator konnte Karen Skålvoll ihren Alltag bewältigen und sogar wieder mit dem Sport anfangen. Sport gehörte immer zu ihrem Leben. Sie entdeckte den Kraftsport und wurde auch CrossFitterin bei CrossFit® Saar. Bei den Arnold Classics 2017 stellte sie ihren ersten Weltrekord auf: 125 kg im Kreuzheben!
Das fM-Team war von der Geschichte Karen Skålvolls äußerst beeindruckt und hat sie in einem Interview nach ihren Beweggründen und Ambitionen beim CrossFit® und den Strongman-Challenges gefragt.
fM: Karen, wie müssen sich unsere Leser Sport oder auch Leistungssport mit dem Handicap Alpha-1 vorstellen?
Karen Skålvoll: Sie müssen sich vorstellen, dass ein breiter Gürtel ganz eng über das Zwerchfell geschnürt ist, eine Klemme an der Nase angebracht ist und ein langer dünner Strohhalm im Mund ihre einzige Möglichkeit zum Atmen ist. Das ist mein Alltag.
fM: Was gibt Ihnen der Sport?
Karen Skålvoll: Lebensfreude, Ausspannen, Spaß und Rehabilitation – es ist mein Schmerzmittel und meine Lebensversicherung.
fM: Wie kam es dazu, dass Sie mit diesem Handicap an leistungs- und wettkampforientierten Challenges teilnehmen?
Karen Skålvoll: Vor meiner schweren Krankheit habe ich immer Sport gemacht – Schwimmen, Reiten, Laufen und Fitness. Als ich meine Reha begonnen habe, hatte ich einen Wunsch: dass ich wieder mit Sport anfangen kann. Ich möchte ein Vorbild sein, damit andere sehen können, was eventuell möglich ist. Und: Ich liebe Kraftsport, weil ich dabei immer nur mit mir selbst konkurriere.
fM: Wie kamen Sie zu CrossFit®?
Karen Skålvoll: Ich habe nach einer Trainingsmöglichkeit gesucht. Meistens habe ich dann gehört: „Können wir nicht machen", „Mit dem Sauerstoffgerät geht das nicht“, und so weiter. Bei CrossFit® Saar war ich trotzdem willkommen. CrossFit-Training ist für jeden und alle können mitmachen!
fM: Sie haben sich für HYROX angemeldet. Was denken sie über die Challenge for Every body?
Karen Skålvoll: HYROX ist eine tolle neue Herausforderung. Ich finde es klasse, dass ich bei diesem neuem Konzept mitmachen kann.
fM: Haben Sie im Training oder bei Wettkämpfen besondere Erfahrungen gemacht?
Karen Skålvoll: Ich habe mehr möglich gemacht, als ich selbst je gedacht habe. Als die Ärzte mir 2010 erklärt haben, dass ich meine Dinge erledigen sollte, weil man dachte, dass ich nicht mal mehr ein Jahr hätte, da habe ich gedacht: „Euch werde ich es zeigen!“ Wenn ich meine eigenen Grenzen herausfordere, dann mache ich neue Wege frei, die andere Menschen auch gehen können. Wir können immer mehr schaffen, als wir selbst für möglich halten.
fM: Welchen Sieg erachten Sie für sich selbst als am wertvollsten?
Karen Skålvoll: Meinen ersten Sieg beim Arnold Disabled Strongman in Columbus, Ohio 2017. Ich war die erste Athletin unter Sauerstoff-Therapie in den Arnold Strongman-Wettbewerben überhaupt!
fM: Wie sind Ihre Ambitionen für die Weltmeisterschaften in Bodø, Norwegen?
Karen Skålvoll: Ich will meinen besten Disabled-Strongman-Wettkampf machen!
Björn Bruckmann ist Mitgründer von CrossFit® Saar und einer der Trainer von Karen Skålvoll. Das Team von CrossFit® Saar engagiert sich für den Behindertensport und ist Veranstalter von Germanys Strongest Disabled Man.
fM: Sie waren 2017 und 2018 Veranstalter des „Germanys Strongest Disabled Man“ in Völklingen im Saarland. Wie hat sich das ergeben?
Björn Bruckmann: Karen kam vor zwei Jahren auf mich und meinen Partner Gerrit Sittler zu und erklärte uns die aktuelle Situation in dem Sport. Da wir zuvor einige erfolgreiche Events geplant und durchgeführt hatten, fragte sie uns, ob wir in der Lage wären, ein professionelles Event auf die Beine zu stellen. Trotz einer kurzen Vorlaufzeit von nur fünf Wochen nahmen wir den Auftrag an und waren sogar in der Lage, mit Germanys Strongest Disabled Man 2017 neue Maßstäbe zu setzen, angelehnt an den Ablauf anderer professioneller Sportveranstaltungen. Wir wurden direkt nach GSDM 2017 gebeten, auch 2018 ein entsprechendes Event zu organisieren.
fM: Welche Projekte und Aktivitäten haben Sie für die Zukunft in Planung? Wo soll die Reise langfristig hingehen?
Björn Bruckmann: Eine erneute Teilnahme an der Organisation des Wettkampfs bei den Arnold Schwarzenegger Classics in Columbus, Ohio, sind derzeit im Gespräch. Weiterhin wurde mir und meinem Team nach GSDM 2018 mündlich der Auftrag erteilt, das Finale des Worlds Strongest Disabled Man 2019 auszurichten. Langfristig ist es mein und unser Wunsch, dem Behindertensport aus dem Schatten, des „normalen“ Sports zu helfen. Die Sportler arbeiten genauso hart und teilweise sogar härter als Sportler ohne Handicap. Wenn es uns mit Unterstützung von Sponsoren, Medien und bekannten Namen des Strongmansports gelingt, den Sport immer professioneller zu präsentieren, hoffe ich, dass sich die Situation für alle teilnehmenden Sportler auf der ganzen Welt etwas verbessert. Diese Sportler haben die Anerkennung verdient, die ihren Leistungen gebührt. Und CrossFit Saar wird in diesem Winter mit einem großen Team, zu dem auch Karen gehört, bei der HYROX Challenge antreten.
Weitere Informationen über die Alpha-1 Athletin Karen Skålvoll bekommen Sie unter alpha-1-athlete.com
Für ausführliche Informationen über CrossFit® Saar klicken Sie bitte einfach hier.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 05/2018 Leseprobe & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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