Fitness, Management, Markt | Autor/in: Anke Sörensen |

Interview mit Mark Buchanan, Evolution Wellness Thailand

Ein Blick nach Thailand: Das Land ist von der Corona-Pandemie extrem schwer betroffen und befindet sich nach wie vor im Lockdown*. Vor der Krise war Thailand das profitabelste und erfolgreichste Land für Evolution Wellness, Asiens führenden Fitness- und Wellnesskonzern mit einem Netz von mehr als 160 eigenen Fitnessclubs in sechs Märkten – Hongkong, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand. fitness MANAGEMENT international hat mit Mark Buchanan, Senior Managing Director von Evolution Wellness Thailand, darüber gesprochen, wie das Unternehmen mit der Krise umgeht und welche Bewältigungsstrategien in Bezug auf Personalmanagement, Mitarbeitermotivation und Mitgliederbindung in Zukunft geplant sind.

Evolution Wellness Thailand

fMi: Was sind besondere Merkmale des thailändischen Fitnessmarktes im Vergleich zum europäischen Markt?

Mark Buchanan: Der Arbeitsmarkt in Thailand ist ebenso wie in den meisten asiatischen Ländern wenig ausgereift, darum sind in unserer Branche Investitionen und eine langfristige Planung erforderlich. Unsere Fitnessstudios sind vollständig im Eigenbesitz und werden durch Evolution Wellness Thailand betrieben. Der Fokus liegt auf exzellenter Mitgliederbetreuung und Kundenkommunikation, wir fordern ein hohes Engagement von unseren Mitarbeitern. Als Instruktoren beschäftigen wir nur festangestellte Vollzeitbeschäftigte mit Hochschulabschluss, die sowohl Gruppen- (GX) als auch Personal Training (PT) anbieten können, keine Freiberufler. PT nimmt einen besonderen Stellenwert ein und ist hier viel stärker nachgefragt als in Europa. GX ist in Asien enorm beliebt, 70 Prozent der Mitglieder in Thailand besuchen Kurse, die in sehr großer Bandbreite und Zahl angeboten werden. Die Zielgruppen und die Altersstruktur sind mit Europa vergleichbar, wobei die Mitgliedsbeiträge für ein internationales Studio in Bangkok mit mehr als 150 US-Dollar pro Monat sehr hoch sind. Die Zielgruppe ist wohlhabend, gebildet, urban und trendy. Entsprechend stellen die Mitglieder hohe Anforderungen an Service, Mitarbeiter, Anzahl der Kurse sowie Ausstattung. In den meisten asiatischen Ländern ist Fitness noch ein Nischenprodukt, die Penetrationsrate in Thailand liegt deutlich unter einem Prozent der Bevölkerung. Das liegt an den Kosten, der Marktreife und einer kaum vorhandenen Mittelschicht. Mitglieder und Angestellte sind Thailänder, denn für ein internationales Publikum ist es schwer, hier zu arbeiten. Eine Arbeitserlaubnis ist mit hohen Einstiegshürden verbunden.

Mark Buchanan

Der 48-jährige Brite ist Senior Managing Director von Evolution Wellness Thailand und arbeitet als einziger Ausländer mit fast 1.500 thailändischen Mitarbeitern zusammen. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt seit 16 Jahren in Südostasien. Im Laufe seiner Karriere arbeitete er in öffentlichen, privaten und PEG-basierten Unternehmen in Europa, Australien und den USA, bevor er 2006 nach Thailand kam. Mit über 25 Jahren Branchenerfahrung gilt er als einer der dynamischsten Führungskräfte im Gesundheits- und Wellnesssektor. Für seine erstklassige Leistungskultur in Verbindung mit hohem Mitarbeiterengagement und innovativen Produkten genießt er hohe Anerkennung – die von ihm geleiteten Unternehmen gewannen zahlreiche „Best in Class“-Auszeichnungen, darunter seit 2017 jedes Jahr den Aon „Best Employer Award“ in Thailand.

Wie schätzten Sie die Aussichten für den Fitnessmarkt in Thailand vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein? 

Vor dem Ausbruch von COVID-19 waren wir sehr positiv gestimmt, aber es gab auch Herausforderungen. Die thailändische Fitnessbranche befand sich in einem Reifungsprozess mit sehr unterschiedlicher Qualität der Dienstleistungen, von ganz einfachen Fitnessstudios bis zu Premiumangeboten. Der Markt bot Potenzial für neue Qualitätsanbieter und die Nachfrage nach hohen Standards stieg. Obwohl Bangkok mit einer steigenden Zahl unabhängiger Qualitätsstudios Haupttreiber des Wachstums war, begann sich auch der Markt außerhalb zu entwickeln und der Kundenstamm wurde größer. Die Erwartungen an einen Fitnessclub sind hier höher als in Europa, aber die Qualität ist regional uneinheitlich und außerhalb von Bangkok eher schlecht. In Bangkok wurden regelmäßig viele neue Clubs eröffnet und schnell wieder geschlossen. Es fehlten preisgünstige, qualitativ hochwertige internationale Ketten (ab 50 US-Dollar/Monat) mit professionellem, gut ausgebildetem Personal. Für Evolution Wellness war Thailand das stärkste Land. Wir haben hier die höchste PT-Durchdringung in der Region, etwa 50 Prozent unserer Einnahmen sind PT-basiert. Dieser Markt wird auch in Zukunft unser Wachstum bestimmen. 


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Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die Fitnessbranche in Thailand und speziell auf Evolution Wellness?

Thailands Fitnessindustrie wuchs langsam und vorsichtig, die Ketten investierten langfristig. 2020 war Thailand eins der ersten Länder, in denen COVID-19 auftrat – wir hatten hier den ersten Fall außerhalb Chinas. Im ersten Jahr funktionierte das Management sehr gut und die Fallzahlen blieben gering – allerdings forderten die beiden Lockdowns von März bis Juni 2020 und im Januar 2021 ihren Tribut. Dazwischen erholte sich die Branche wieder, aber die dritte Welle seit April 2021 mit der Delta-Variante hat schwerwiegende Folgen: Bis zu 1.000 unabhängige Standorte mussten schließen, Presseberichte zeigen massive Verluste bei den größeren Ketten. Evolution Wellness ist von den Schließungen ebenso betroffen wie andere Betreiber. In Thailand gibt es noch keine Anzeichen für eine Wiedereröffnung. Erschwerend kommt hinzu, dass Thailands Wirtschaftswachstum sehr stark vom Tourismus abhängt. Die Tatsache, dass seit 18 Monaten kein Tourismus mehr stattfindet und kein Ende in Sicht ist, bedeutet, dass die Ausgaben der Verbraucher zwangsläufig sinken und sich auf die notwendigen Lebenshaltungskosten beschränken. Wie viel die Corona-Pandemie die Branche letztendlich gekostet hat und welche Möglichkeiten es nun gibt, wird sich erst nach der Wiedereröffnung – hoffentlich im Herbst – zeigen.


War Thailand im Vergleich zu anderen Ländern im Portfolio von Evolution Wellness (Malaysia, Philippinen, Singapur, Hongkong und Indonesien) mehr oder weniger betroffen?

Jedes asiatische Land stand vor eigenen Herausforderungen und hat gelitten. Hongkong z. B. hat zwar derzeit geöffnet, erlebte aber 2019 schwere Unruhen und ging direkt in einen harten Lockdown. Singapur war von COVID-19 relativ wenig betroffen, aber aufgrund extrem strenger Maßnahmen waren die Studios trotzdem die ganze Zeit geschlossen, ähnlich wie in Malaysia und Indonesien. Insgesamt wird es für Asien noch ein langer Weg zurück in die Normalität. In Thailand gab es bis zum April nur wenige Fälle, jetzt ist es neben Vietnam das wahrscheinlich am stärksten von der Pandemie betroffene Land der Welt. Die meisten Länder sind aber gut auf die Rückkehr vorbereitet und haben ein starkes Fundament. Evolution Wellness genießt auf dem Markt ein hohes Vertrauen und ist in Bezug auf die Teams und Mitarbeiter weitgehend intakt.

Wie ist die aktuelle Situation in Bezug auf den Schutz vor Corona und die Nutzung von Fitnessstudios in Thailand?

Wir waren bereits dreimal „abgeriegelt“, elf Wochen im März  2020, vier Wochen im Januar 2021. Seit April diesen Jahres befinden wir uns im totalen Lockdown, zurzeit sind die Fallzahlen enorm hoch. Im besten Fall können wir im Herbst mit Öffnungen rechnen. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Lage langsam entspannt und der Peak erreicht ist. Das Vertrauen wird schrittweise zurückkehren, sobald genug Impfstoffe verfügbar sind. Entscheidend ist jetzt die Stimmung in der Öffentlichkeit und die Verfügbarkeit der Vakzine. Das liegt außerhalb unserer Kontrolle. Wir können nur intern für hohe Qualitäts- und Hygienestandards, eine positive Trainingsatmosphäre, Registrierungsmöglichkeiten und persönlichen Service sorgen und damit den Rückkehrern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um den Kontakt zu Ihren Mitgliedern aufrechtzuerhalten?

In ganz Asien haben wir in den letzten Monaten intensiv Umfragen zu den Kündigungen während des COVID-19-Zeitraums durchgeführt. Die Hauptgründe für die Kündigungen waren die Angst vor Ansteckung mit COVID-19, fehlende Impfungen und finanzielle Zwänge. Evolution Wellness hat während des Lockdowns viel Zeit in die Verbesserung vorhandener und die Entwicklung neuer Systeme investiert: Wir haben eine Buchungs-App eingeführt, außerdem eine asienweite Plattform für Mitarbeiterschulung und Zertifizierung. Unser Ruf in Sachen Ausbildung ist exzellent, jetzt können wir in der ganzen Region in mehreren Sprachen internationale Zertifizierungen anbieten. Außerdem haben wir neue Managementsoftware eingeführt, kostenloses GX-Online-Training sowie das virtuelle Studio (VS) für Hometraining mit und ohne Geräte.

Durch intensiven Austausch mit den Führungskräften aus anderen Ländern nutzen wir die Zeit, um Best-Market-Practices zu adaptieren, mit dem Ziel, in Zukunft stärker, widerstandsfähiger und besser auf die Anforderungen der Kunden vorbereitet zu sein. Alles, was wir während der Lockdowns für die Kundenbindung tun, trägt positiv zur Markenbindung bei. In Thailand haben wir das früh erkannt und ein Prinzip des Engagements und Austauschs eingeführt: „We care“. Wir wollen in Kontakt bleiben, dafür bietet die Pandemie viele Möglichkeiten. Unsere PT-Kunden erhalten seit 18 Monaten während der Schließzeiten regelmäßig aktuelle Informationen, Hilfe und Trainingstipps für zu Hause, unsere Mitarbeiter machen mehr als 100.000 Anrufe pro Monat. Am ersten Tag nach dem Lockdown haben wir als allererstes ein kostenloses GX-Online-Angebot für zu Hause auf den Markt gebracht. Es läuft auf Social Media für Mitglieder und Nichtmitglieder mit bisher 20 Millionen Aufrufen und über 2.500 Kursen. Neu ist auch die kostenpflichtige VoD-App Virtual Studio, die in den ersten drei Wochen bereits über 12.000 Abonnenten gewonnen hat. Die Bindung zwischen den Mitarbeitern, Mitgliedern und unserer Marke bleibt durch diese Maßnahmen bestehen. Wenn man den Kunden viel gibt, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, ist die Beziehung bei der Wiedereröffnung intensiver und das Vertrauen gestärkt. Bei der ersten Gelegenheit hat sich der Erfolg gezeigt: In den ersten Monaten nach der Öffnung stiegen die Buchungszahlen für PT auf ein Rekordniveau.

Wie hat sich die Krise auf die Beziehung zwischen Ihren Studios und Ihren Mitarbeitern ausgewirkt? 

Corona ist ein großartiger Test für unsere Glaubwürdigkeit und zeigt, wie wir unser Credo als bester Arbeitgeber während der Krise unter Beweis stellen. Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass die Mitarbeiter die Hauptträger des Wachstums in unserer Branche sind. Seit 2017 haben wir in Thailand jedes Jahr den Aon „Best Employer Award“ gewonnen. Erstklassiges Engagement für unsere Mitarbeiter gehört zu unseren Werten und ist der Kern des Evolution Wellness-Geschäfts. Studierende werden schon während des Studiums an das Unternehmen gebunden und unterstützt. Während der Lockdowns hat sich unsere Beziehung zu den Mitgliedern und Mitarbeitern intensiviert. Wir haben täglich Kontakt durch Zoom-Konferenzen gehalten, Mitarbeiter möglichst weiter beschäftigt, neue Produkte entwickelt sowie Online-Schulungen ermöglicht. In ganz Asien sind wir seit COVID-19 ein besseres Unternehmen, brauchen jetzt die Öffnung, um es zu beweisen

Im Wissen, wie wichtig die Mitarbeiter zur Kundenbindung sind, hat Evolution Wellness während der Schließung die Mitarbeitervergütung über alle anderen Kennzahlen gestellt. Hier gibt es in Krisen kaum Unterstützung vonseiten der Regierung, das Unternehmen muss einen eigenen Weg finden. Besonders ist, dass in Thailand 50 Prozent unseres Umsatzes auf PT entfallen. Man kann also das Personal nicht schlecht behandeln und erwarten, dass die Mitglieder trotzdem wiederkommen. Der einfachste Weg wäre, Leute zu entlassen, aber jahrelange Ausbildung und hochqualifizierte Zusammenarbeit kann man nicht einfach „wegwerfen“. Für mich geht es ums Überleben und darum, das künftige Geschäft zu schützen, auch durch den Schutz der Personal Trainer und ihrer Kundenbeziehungen. Bisher ist uns das gelungen – wir werden stärker zurückkommen.

Welche Lehren haben Sie aus der Krise gezogen?

Werte sollten sich nicht ändern oder in der Krise umgangen werden. Stattdessen brauchen wir Strategien, die unsere Kernwerte einbeziehen – einer davon ist „We care“. Als Führungskräfte müssen wir Vertrauen schaffen und sicherstellen, dass wir nach der Öffnung mit Unterstützern und Mitarbeitern aufwarten, die mehr als zuvor an uns glauben. Umfragen in allen Märkten zeigen, dass die Mehrheit der ausgetretenen Mitglieder sicher oder sehr wahrscheinlich zurückkommen will, sobald sich die Situation entspannt hat. Das stimmt uns für 2022 wirklich positiv.

Wird die Krise nachhaltige Veränderungen auf dem thailändischen Fitnessmarkt mit sich bringen?

In vielerlei Hinsicht kann es nicht so weitergehen wie bisher. Zu viele Kunden haben gekündigt, zu viele Studios wurden geschlossen, an vielen Standorten sieht es schlecht aus. Als die am längsten etablierte und vertrauenswürdigste Marke des Landes arbeiten wir täglich daran, die Gründe für eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zu stärken. Unsere Kundenbeziehungen und das Engagement unserer Mitarbeiter werden bei der Öffnung der Clubs von entscheidender Bedeutung sein – langfristig gesehen, ist es sinnlos, nur hervorragende Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder wollen Unterstützung und Wertschätzung, wollen gesehen und perfekt beraten werden. Gut ausgebildete Mitarbeiter sind dazu der Schlüssel. Unsere Kernkompetenz wird weiterwachsen, um diese Glaubwürdigkeit zu untermauern.

Unter welchen Bedingungen kann der asiatische Markt auf lange Sicht überhaupt von der Pandemie profitieren?

In ganz Asien hat sich in der Branche mit der Gründung und dem Aufbau von Gruppen wie FIT Summit ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt. In den meisten Ländern haben die Betreiber zusammengearbeitet, um Lobbyarbeit zu betreiben und die Vertretung der Branche gegenüber der Regierung und Presse zu unterstützen. Das sollten wir fortsetzen und den Standard verbessern. Die Unternehmen müssen gemeinsam mit ihrer Community hart daran arbeiten, das Vertrauen der Kunden und die Wertschätzung ihres Angebots für die Zukunft zu sichern. Hier liegt die Chance, wenn wir wieder öffnen. Ein Großteil der Studios ist verschwunden, eine riesige Anzahl von Mitgliedern ist wieder auf dem Markt. 


Evolution Wellness Thailand*

Studios: 34 Fitness First, 2 Celebrity Fitness
Mitglieder: ca. 90.000 (vor der Pandemie) 
Altersstruktur: 25–40 Jahre (Fitness First), 21–35 (Celebrity Fitness)
Mitarbeiter: ca. 1.470, nur Festangestellte
Verträge: 12 Monate und länger
Standorte: Bangkok und 6 Provinzen
Ausstattung: Cardio, Pin Loaded, Free Weights, Freestyle-Zonen
3 Studiotypen: Mind and Body, Cycling und GX 

Evolution Wellness* 

Standorte: 164 Objekte in 6 Ländern
Mitglieder: 375.000+ (vor der Pandemie)
Mitarbeiter: 6.000+ 
Marken: Mit Fitness First, Celebrity Fitness, GoFit, Fire Fitness, Fivelements und CircuitTM (Software) Asiens größter Fitness- und Wellnesskonzern

* Stand 30. Juni 2021


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