Fitness, Gesundheit | Autor/in: Prof. Dr. Wolfgang Kemmler und Dr. Simon von Stengel |

Ganzkörper-EMS-Training (WB-EMS) vs. HIT-Training

Prof. Dr. Wolfgang Kemmler und Dr. Simon von Stengel vergleichen in einer Studie EMS mit konventionellen (Kraft-)Trainingsmethoden – die erzielten Ergebnisse sind überraschend.

Vergleich von Ganzkörper-EMS-Training und HIT-Training liefert überraschende Erkenntnisse.

Bis vor Kurzem wurde die Trainingstechnologie Ganzkörper-EMS (WB-EMS) mit „Effekten“ beworben, welche diejenigen konventioneller Krafttrainingsprotokolle um das 18-fache (!) übertreffen sollen.

Was immer auch unter „Effekten“ verstanden wird, tatsächlich beruht dieses werbewirksame Statement auf der ungerechtfertigten Interpretation der bei zu intensiver Erstanwendung vorkommenden, z. T. extrem hohen Kreatinkinase (CK)-Anstiege[1] als relevante Zielgröße eines Trainings. Für die wirklich relevanten „Effekte“ der WB-EMS-Technologie wie bspw. Verbesserung der Muskelmasse, -dichte und -funktion oder Reduktion der Körperfettmasse und des kardiometabolischen Risikos konnten erst in jüngster Vergangenheit positive Daten vorgelegt werden (Übersicht in [2]). Allerdings fehlte ein direkter Vergleich zu einem konventionellen Krafttraining, wobei dieser Vergleich möglicherweise obsolet ist, da die Zielgruppen der WB-EMS-Sportler und konventionellen „Kraftsportler“ nicht allzu deckungsgleich sind.

Vergleich von WB-EMS und Krafttraining

Um einen fairen und alltagsrelevanten Vergleich zwischen dem zeiteffektiven WB-EMS- und Krafttraining zu gewährleisten, stellten wir dem WB-EMS-Training ein hochintensives Krafttraining (HIT-RT) gegenüber[3]. HIT-RT, definiert als „Einsatztraining unter Einsatz von Intensivierungstechniken“[4, 5], ist ähnlich WB-EMS der Prototyp eines zeiteffektiven Trainings für Menschen mit geringem Zeitbudget. Als Zielgrößen des Trainings wählten wir Muskelmasse und -kraft, absolute und abdominale Fettmasse sowie kardiometabolische Größen aus.

23 Männer – 16 Wochen Training

Probanden waren gesunde, aber untrainierte berufstätige Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, also eine Gruppe, für welche die untersuchte Fragestellung von relevanter Bedeutung ist. Nach Zufallseinteilung trainierten jeweils 23 Männer über 16 Wochen in einer HIT-RT- bzw. einer WB-EMS-Gruppe. Die HIT-RT-Gruppe trainierte 2- bis (selten) 3-mal und absolvierte ein Ganzkörper-Einsatztraining mit zunehmend ausbelastenden Intensivierungtechniken (u. a. Super-, Dropsätze).

Das WB-EMS-Training wurde im klassischen Setting derzeitiger Angebote, allerdings mit einer etwas höheren Trainingshäufigkeit (1,5-mal 20 min/Woche) durchgeführt. Neben der Körperzusammensetzung via DXA-Methode, Beinkraft über isokinetische „Legpress“, Rückenkraft über Schnell M3 wurden zusätzlich kardiometabolische Größen wie das Metabolische Syndrom und seine Komponenten Blutdruck, Blutfette, Blutzucker und Taillenumfang erhoben[6]. Das Ernährungsverhalten der Probanden wurde vor und unmittelbar nach der Trainingsphase über Ernährungsprotokolle erfragt; die Teilnehmer wurden angewiesen, ihre Ernährung über den Studienzeitraum nicht zu verändern.

Körperfettmasse nimmt ab

Zusammenfassend betrachtet führten beide Trainingsmethoden zu einer signifikanten und hochrelevanten Erhöhung der Muskelmasse und einer in etwa ebenso hohen Reduktion der Körperfettmasse (≈1,0 kg). Die Entwicklung in der HIT-Gruppe lag für beide Größen etwas günstiger. Ebenfalls vergleichbare Ergebnisse zeigten sich für die Verbesserung der Maximalkraft, bei der die HIT-RT-Gruppe für die Beinkraft etwas höhere, für die Rückenkraft etwas niedrigere Kraftwerte zeigte.

Deutliche Reduktion des Taillenumfanges

Beide Gruppen zeigten ebenfalls eine signifikante Reduktion des Risikos eines Metabolischen Syndroms, aber hier waren die Ergebnisse für die WB-EMS-Trainingsgruppe deutlich günstiger. Dieser Unterschied war u. a. auf die deutlichere Reduktion des Taillenumfanges zurückzuführen. Ein Teilnehmer der WB-EMS- und zwei Teilnehmer der HIT-RT-Gruppe brachen das Training ab, unerwünschte Nebeneffekte wie Verletzungen wurden nicht berichtet. Die Zeitdauer des HIT-RT-Trainings lag mit ca. 30 Minuten im Bereich des 20-minütigen WB-EMS-Trainings.

Verbesserungen von Gesundheits- und Leistungsgrößen

Faktisch führen diese sehr zeiteffektiven Trainingsmethoden also zu weitgehend vergleichbaren Verbesserungen von Gesundheits- und Leistungsgrößen. Obwohl bei der HIT-RT-Session ebenfalls eine konsequente Supervision erfolgte, lag der Betreuungsaufwand beim WB-EMS-Training allerdings ungleich höher. Letztlich kommt WB-EMS im derzeit etablierten Setting enger Kundenbetreuung einem Personal Training sehr nahe. Letzteres erscheint als absolutes Qualitätskriterium, weil die Belastungssteuerung und -progression bei WB-EMS nochmals deutlich komplexer als bei HIT-RT ist.

Aus- und Weiterbildung sind unerlässlich

Da dem qualifizierten und erfahrenen Trainer bei WB-EMS somit eine absolute Schlüsselrolle zukommt, ist eine entsprechende Aus- und Weiterbildung als unerlässlich anzusehen. Beachtet man die vorliegenden Kontraindikationen und Richtlinien für ein sicheres und effektives WB-EMS-Training, so kann diese Trainingstechnologie aus metabolischer Sicht ebenso wie aus orthopädischer Sicht besser belastungsverträglich als ein intensives konventionelles Krafttraining eingeschätzt werden. Insofern stellt WB-EMS sicherlich eine Bereicherung des gesundheitsorientierten Fitnessmarktes dar.

Prof. Dr. Wolfgang Kemmler

ist Forschungsdirektor am Institut für Medizinische Physik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Der Trainings- und Sportwissenschaftler gilt als ausgewiesener Experte in der trainingswissenschaftlichen Interventionsforschung sowie im Bereich alternative Trainingstechnologien mit Schwerpunkt Ganzkörper-Elektromyostimulation.

Dr. Simon von Stengel

forscht und lehrt an der Universität Erlangen-Nürnberg in der Medizinischen Fakultät. Als Sportwissenschaftler und Physiotherapeut hat er in der Humanbiologie promoviert und in der Sportwissenschaft habilitiert. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Bereich „Bewegung und Gesundheit“.

Literatur

1. Teschler M., Weissenfels A., Bebenek M., Fröhlich M., Kohl M., von Stengel S., Kemmler W. (2016). Very high creatine kinase CK levels after WB-EMS. Are there implications for health? Int J Clin Exp Med 9:22841-22850.

2. Kemmler W., Weissenfels A., Willert S., Shojaa M., von Stengel S., Filipovic A., Kleinöder H., Berger J., Fröhlich M. (2018). Efficacy and safety of low frequency Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) to improve health-related outcomes in non-athletic adults. A systematic review. Frontiers of Physiology online first.

3. Kemmler W., Teschler M., Weissenfels A., Fröhlich M., Kohl M., von Stengel S. (2015). Ganzkörper-Elektromyostimulation versus HIT-Krafttraining – Effekte auf Körperzusammensetzung und Muskelkraft. Dtsch Z Sportmed 66:321-327.

4. Gießing J (2008). HIT-Hochintensitätstraining. Novagenics-Verlag, Arnsberg.

5. Steele J., Fisher J., Giessing J., Gentil P. (2017). Clarity in Reporting Terminology and Definitions of Set End Points in Resistance Training. Muscle Nerve 368-374:368-374.

6. Kemmler W., Kohl M., von Stengel S. (2016). Effects of High Intensity Resistance Training versus Whole-body Electromyostimulation on cardiometabolic risk factors in untrained middle aged males. A randomized controlled trial. J Sports Res 3:44-55.


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