Datenschutz und Haftung bei vernetzten Versorgungsangeboten

Digitale Tools verändern Praxis und Studio. Doch sensible Gesundheitsdaten machen Datenschutz, Haftung und die unersetzliche Rolle von Therapeuten und Trainern wichtiger denn je.
Lesezeit: 4 Minuten
Junge Frau mit Tablet in Praxisbüro, DSSV-Logo und kleines Portrait einer Expertin eingeblendet.
Eine moderne Praxisorganisation mit Tablet und Software zeigt, wie wichtig sichere Prozesse für Gesundheitsdaten in Studios und Praxen sind
Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios nutzen zunehmend digitale Lösungen wie Patientenakten, Apps und Wearables. Mitglieder und Patienten profitieren von Transparenz und Individualisierung. Zugleich stellen sich komplexe Fragen zu Datenschutz, Sicherheit und Haftung. Die DSSV-Juristin Gülizar Cihan stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios vor.

Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios sind längst keine analogen Orte mehr. Elektronische Patientenakten erleichtern die Dokumentation von Befunden, Behandlungsplänen und Therapieergebnissen. Studios nutzen Apps und Plattformen, die Trainingsdaten speichern, Bewegungen analysieren und Fortschritte sichtbar machen.

Wearables wie Pulsuhren oder Bewegungssensoren liefern zusätzliche Informationen, die direkt in Pläne einfließen können. Für Patienten und Mitglieder bedeutet dies mehr Transparenz, eine bessere Nachvollziehbarkeit der eigenen Entwicklung und einen flexibleren Zugang zu Angeboten.

Datenschutz, Sicherheit, Informationspflicht

Die Entwicklung bringt allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Denn überall dort, wo sensible Gesundheits- und Bewegungsdaten erhoben, gespeichert und verarbeitet werden, steht die Frage nach Datenschutz und Sicherheit im Mittelpunkt.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stuft solche Daten als besonders schutzwürdig ein. Sie dürfen nur unter engen Voraussetzungen verarbeitet werden. Patienten und Mitglieder müssen deshalb klar und verständlich darüber informiert werden, welche Daten erhoben werden, zu welchem Zweck sie genutzt werden und wie lange sie gespeichert bleiben.

Ein Beispiel verdeutlicht die Tragweite: Wenn ein Fitnessstudio über eine App Bewegungsprofile speichert und diese mit anderen Diensten verknüpft, kann daraus ein umfassendes Bild über die Gesundheit, Belastbarkeit und sogar Lebensweise eines Mitglieds entstehen. Ohne ausdrückliche Einwilligung ist eine solche Nutzung unzulässig.

Ähnlich in der Physiotherapie: Werden digitale Patientenakten mit einer Software von Drittanbietern geführt, müssen Patienten genau wissen, welche Informationen gespeichert werden und wer Zugriff darauf hat.

Die Rechte der Patienten und Mitglieder sind dabei umfassend. Sie können jederzeit Auskunft verlangen, welche Daten von ihnen gespeichert sind. Sie haben Anspruch darauf, fehlerhafte Angaben korrigieren und nicht mehr benötigte Informationen löschen zu lassen.

Darüber hinaus steht ihnen das Recht auf Datenübertragbarkeit zu – etwa, wenn sie das Studio wechseln oder eine andere Praxis aufsuchen und ihre bisherigen Daten mitnehmen möchten.

Für Praxen und Studios bedeutet dies, dass sie technisch und organisatorisch in der Lage sein müssen, solche Anforderungen zeitnah zu erfüllen.

Datensicherheit und Haftung

Ebenso wichtig ist die Sicherheit der Daten. Verschlüsselte Übertragungen, sichere Server und ein konsequentes Zugriffsmanagement sind unerlässlich.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele kleinere Einrichtungen hier noch große Lücken haben. Ein schlecht gesichertes WLAN oder einfache Passwörter können dazu führen, dass sensible Daten in die Hände Unbefugter gelangen. Ein solcher Vorfall hätte nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern würde auch das Vertrauen der Mitglieder und Patienten nachhaltig zerstören.

Frau sitzt auf Behandlungsliege und bedient Tablet in Praxisbüro mit Aktenschrank und Gymnastikball.

Neben den datenschutzrechtlichen Fragen spielt die Haftung eine entscheidende Rolle. Digitale Systeme sind fehleranfällig und wenn sie falsche Empfehlungen geben, kann das gravierende Folgen haben. Stellt eine Trainings-App einem Mitglied zu hohe Belastungen in Aussicht, die zu Verletzungen führen, ist das Studio in der Verantwortung.

In Physiotherapiepraxen tragen Therapeuten die volle Verantwortung für ihre Behandlungen – auch wenn sie digitale Hilfsmittel nutzen. Technik kann unterstützen, entbindet aber nicht von der Pflicht zur sorgfältigen Behandlung.

Produkthaftung

Ein weiteres Feld ist die Produkthaftung. Defekte Wearables oder fehlerhafte Software fallen unter das Produkthaftungsrecht. Hersteller und Betreiber haften für Schäden, die durch ihre Produkte verursacht werden. Patienten und Mitglieder müssen dabei nicht im Detail nachweisen, wo genau der Fehler lag – die Verantwortung liegt bei den Anbietern.

Besonders komplex wird es, wenn mehrere Akteure beteiligt sind. Eine Praxis erhebt Daten, ein Studio verarbeitet Trainingswerte, ein Plattformanbieter speichert die Informationen in einer Cloud – und vielleicht greift sogar noch ein Softwareentwickler darauf zu. Für die Betroffenen ist oft unklar, an wen sie sich im Schadensfall wenden können. Umso wichtiger ist es, dass Verantwortlichkeiten transparent geregelt sind.

Chancen und Risiken

Die Chancen für Patienten und Mitglieder sind auf den ersten Blick beeindruckend. Digitale Systeme schaffen mehr Transparenz über Fortschritte, ermöglichen individuelle Anpassungen von Maßnahmen und bieten einen flexiblen Zugriff auf Informationen.

Patienten können ihre Therapiefortschritte zu Hause nachvollziehen, Mitglieder ihre Trainingsdaten mit wenigen Klicks abrufen. Diese Sichtbarkeit motiviert und erleichtert den Dialog mit Therapeuten oder Trainern.

Gleichzeitig gibt es aber auch klare Risiken. Der unsichere Verbleib sensibler Daten ist ein Dauerproblem, das Misstrauen weckt. Fehler in automatisierten Systemen können falsche Empfehlungen aussprechen und die Gesundheit gefährden.

Und nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass sich Patienten und Mitglieder zu sehr auf Technik verlassen und ihre eigene Körperwahrnehmung vernachlässigen. Ein Wearable kann zwar Herzfrequenzen messen, aber es erkennt nicht die feinen Signale von Überlastung, die nur im persönlichen Gespräch und durch Erfahrung sichtbar werden.

Genau hier wird deutlich, dass der Mensch unersetzbar bleibt. In der Physiotherapie können nur geschulte Therapeuten kleinste Abweichungen in der Bewegungsausführung erkennen, Verspannungen ertasten oder auf Beschwerden eingehen, die keine App erfassen kann.

Technik kann unterstützen, aber sie ersetzt nicht die Hand am Muskel oder das geschulte Auge, das Fehlhaltungen sofort erkennt. Auch im Fitnessstudio bleibt der Trainer unverzichtbar. Er motiviert, korrigiert und passt Trainingspläne flexibel an. Kein Algorithmus reagiert auf die Tagesform oder auf persönliche Sorgen und Fragen so, wie es ein Mensch kann.

Qualität und Vertrauen

Die Digitalisierung eröffnet zweifellos große Chancen für eine moderne und effiziente Versorgung. Sie schafft Transparenz, erleichtert die Kommunikation und erlaubt eine bessere Dokumentation.

Doch Qualität, Sicherheit und Vertrauen entstehen erst im Zusammenspiel von Mensch und Technik. Geräte und Software sind Werkzeuge, die ohne die Expertise von Therapeuten und Trainern wenig wert sind.

Für Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios bleibt deshalb entscheidend: Technik darf unterstützen, aber niemals die persönliche Betreuung ersetzen. Nur im direkten Kontakt entsteht das Vertrauen, das notwendig ist, um langfristige Erfolge zu erzielen.

Wer trainiert oder behandelt wird, braucht das geschulte Auge, das richtige Maß an Motivation und die Erfahrung, die nur Menschen bieten können. Die Digitalisierung kann diesen Prozess begleiten, aber nicht steuern.

Bei allen rechtlichen Fragen im Praxis- oder Studioalltag können sich Mitglieder des DSSV an die Rechtsabteilung wenden und dort im Rahmen ihrer Mitgliedschaft eine kostenlose Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage in Anspruch nehmen.

Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:

Cihan, G. (2025). Datenschutz und Haftung bei vernetzten Versorgungsangeboten. medical fitness and healthcare, 2, 54–56.

dhfpg-bsa

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Für fitness MANAGEMENT berichtet

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