Fitness, Gesundheit | Autor/in: Anke Sörensen |

Gesundheitspositive Effekte des Fitnesssports

Es ist paradox: Maßnahmen, die unsere Gesundheit erhalten sollen, können gleichzeitig dazu beitragen, dass wir krank werden. Um Millionen von Menschen vor einer Ansteckung mit COVID-19 zu schützen, bleiben sämtliche Fitness- und Gesundheitsanlagen, Sportvereine und Schwimmbäder während der Lockdowns geschlossen. Wissenschaftler und Mediziner warnen vor weitreichenden physischen und psychischen Folgeschäden durch den Trainingsausfall. Gesundheitsdienstleister und ein Orthopäde untermauern die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit konkreten Beispielen aus der Studiopraxis.

Corona: Das Pandemie-Paradox

Rund 11,6 Millionen Mitglieder dürfen momentan nicht bei professionellen Gesundheitsdienstleistern trainieren, obwohl regelmäßige körperliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die Immunfunktion hat und dazu beiträgt, den Körper vor viralen Infektionen zu schützen.

WHO und RKI mit alarmierenden Zahlen

Gleichzeitig warnt die World Health Organization (WHO) vor Bewegungsmangel und legt erschreckende Zahlen zur Inaktivität der Bevölkerung und zu deren Folgen vor: Mehr als 25 Prozent der Erwachsenen und 80 Prozent der Jugendlichen weltweit bewegen sich zu wenig und kommen nicht auf das empfohlene Pensum von mindestens zweieinhalb Stunden Bewegung pro Woche, etwa 21 Minuten am Tag.

Um sich fit zu halten, sollten laut WHO möglichst 150 Minuten Ausdauersport mit zweimal Krafttraining pro Woche kombiniert werden. Studienergebnisse des Robert Koch-Instituts (RKI) belegen, dass das Körpergewicht und der Body-Mass-Index (BMI) in Deutschland seit dem Frühjahr 2020 im Durchschnitt bereits deutlich gestiegen sind.

Die Förderung der körperlichen Aktivität als präventive Gesundheitsmaßnahme wird sogar als eine der Hauptprioritäten in der Fünfjahresstrategie der Europäischen Union aufgeführt (EU-Arbeitsplan für Sport (2021–2024)). 

Sehr geringes Risiko im Fitnessstudio

Obwohl umfangreiche Hygienekonzepte dafür sorgen, dass Fitnessstudios nicht zum 'Superspreader'-Ort werden, bleibt das Training verboten. EuropeActive veröffentlichte im Dezember 2019 das Ergebnis der SafeACTiVE-Studie: Die über einen Zeitraum von sechs Monaten ermittelte Gesamtstichprobe ergab ein geringes COVID-19-Infektionsrisiko in Fitness- und Gesundheitsanlagen.

Bei mehr als 115 Millionen analysierten Besuchen in 4.360 Anlagen in 14 europäischen Ländern gab es lediglich 1.288 positive Fälle (1.092 Mitglieder, 196 Mitarbeiter), was einer durchschnittlichen Infektionsrate von 1,12 pro 100.000 Besuche entspricht.

Mens sana in copore sano

Derzeit ist nur Individualsport erlaubt. Ohne Trainingsplan, feste Zeiten und professionelle Betreuung fällt Sport treiben den meisten Menschen schwerer als sonst, auch wenn viele Fitnessstudios momentan ein umfangreiches Digitalprogramm bereitstellen.

Die Zielgruppe der Senioren beispielsweise wird über digitale Angebote kaum erreicht. Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) zeigt, dass die sportliche Aktivität älterer Menschen zwischen 1996 und 2014 kontinuierlich gestiegen ist.

Befürchtet wird jetzt eine Trendwende aufgrund der Kontaktbeschränkungen, die gemeinsame Sportaktivitäten verbieten (Wettstein, Nowossadeck, Spuling & Cengia, 2020).

Um Resilienz und Widerstandskräfte zu stärken, ist es jedoch für alle Altersgruppen wichtig, Bewegung und Training fest in den Alltag zu integrieren. Die protektive Wirkung einer guten körperlichen Fitness für die Gesundheit der Bevölkerung sollte nicht langfristig unterschätzt werden.

Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Corona-Risikogruppe – laut Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt schon 30 bis 40 Prozent der deutschen Bevölkerung – durch die Lockdowns auf lange Sicht noch vergrößert.

Physische und psychische Beeinträchtigungen

Pandemiebedingte Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus beeinflussen unseren Lebensstil und das Gesundheitsverhalten. Durch die Arbeit im Homeoffice entfällt für viele Menschen der Arbeitsweg zu Fuß oder per Rad, passives Dauersitzen nimmt zu.

Bereits nach wenigen Wochen körperlicher Inaktivität verschlechtern sich die Gesundheitswerte, Risikofaktoren für Erkrankungen steigen. 

Wissenschaftler untersuchen jetzt, wie sich die erzwungene Sportpause physisch und psychisch auf die Menschen auswirkt.

Sie warnen bereits vor gesundheitlichen Folgen wie Typ-2-Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten, aber auch vor der Zunahme von Depressionen, weil Sport als Ausgleich, seelischer 'Puffer' und soziale Komponente fehlt.

Körperliche und psychische Auswirkungen der Zwangspause

Eine Gießener Studie zur Sportaktivität während des Lockdowns im Frühling ergab, dass sich die Inaktivität in dieser Zeit negativ auf die Stimmung auswirkte. Menschen, die vor der 'Corona-Zeit' sportlich sehr aktiv waren und dann pausieren mussten, berichteten vermehrt von negativen Emotionen (Mutz & Gerke, 2020).

In einer groß angelegten internationalen Studie der Universität Potsdam mit mehr als 13.000 Befragten weltweit wurde ebenfalls untersucht, wie sich das Sport- und Bewegungsverhalten der Menschen durch die coronabedingten Einschränkungen verändert hat und wie dadurch das subjektive Wohlbefinden beeinflusst wurde.

Deutsche treiben weniger Sport

Für Deutschland zeigt sich: Viele Menschen bewegen sich trotz der Corona-Krise regelmäßig. Wer aber schon in 'normalen Zeiten' zu wenig aktiv war, bleibt während der Pandemie weitgehend inaktiv.

Insgesamt treiben mehr Menschen weniger Sport als vorher, die Trainingseinheiten sind kürzer und weniger intensiv. Befürchtet wird daher, dass das Training in Eigenregie nicht ausreicht, um das Fitnesslevel zu halten oder zu verbessern.

Inaktive negativer gestimmt als Aktive

Erlebnisse wie Gemeinsinn, Freude an der Bewegung und Selbstbestimmtheit fehlen. Bei Befragten, die weniger aktiv sein konnten als gewollt, sank das subjektive Wohlbefinden. Die vielen Inaktiven bewerteten ihre Stimmung noch negativer als die Bewegungsaktiven.

Aus körperlichen, psychischen und sozialen Gründen raten die Sportwissenschaftler daher zur zeitnahen Wiederermöglichung von organisiertem Sport unter Einhaltung der Hygieneregeln (Brand, Timme & Nosrat, 2020).

Konsequenzen für ältere Menschen

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das Studiendesign der CoNFINE-Studie, weil diese auf eine sehr umfangreiche und besonders objektive Datenbasis zugreifen kann.

Die Universität Oldenburg untersucht zurzeit in Kooperation mit milon und dem Physiotherapeuten-Netzwerk Physio Aktiv die Konsequenzen der coronabedingten Sportpause für Menschen über 60 Jahre

Mit zunehmendem Alter dauert der Wiederaufbau von Muskelkraft immer länger. Ziel der Studie ist es, aufzuzeigen, was eine längere Unterbrechung des Kraft-Ausdauer-Trainings für die körperliche Leistungsfähigkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität älterer Menschen bedeutet.

milon stellt dafür erstmals die Daten der Trainingssoftware milon CARE anonymisiert und unter Berücksichtigung strenger Datenschutzstandards zu Verfügung.

Die Daten der über 60-Jährigen werden in einem Zeitraum von einem Monat vor und sechs bzw. zwölf Monaten nach der ersten Trainingspause am milon Kraft-Ausdauer-Zirkel verglichen. Als Vergleichsgruppe dient eine Gruppe von Studienteilnehmenden zwischen 45 und 60 Jahren.

Den Wissenschaftlern bieten die Daten den Vorteil der höchsten Standards in der Vergleichbarkeit. Geplant ist, im nächsten Schritt die Daten der milon Cloud auch international zu untersuchen (Zieschang & Koschate, 2020).

Konkrete Fälle aus deutschen Gesundheitsanlagen

In der Branche macht sich die verordnete Inaktivität von Mitgliedern und Patienten ebenfalls deutlich bemerkbar. Um die Studien anhand von Beispielen greifbarer zu machen, haben wir Orthopäden und Gesundheitsanbieter zu ihren Erfahrungen befragt.

Brancheninsider im Interview

Vier Brancheninsider berichten vom Gesundheitszustand ihrer Mitglieder und Patienten während der Lockdown-Phasen.

Prof. (DHfPG) Dr. Thomas Wessinghage erläutert hier die gesundheitspositiven Effekte von Fitnesstraining und Bewegung. 

Hans Stummer, Physiotherapeut und Betreiber des TZ Trainings- und Therapiezentrum Eggenfelden und Daniela Völker und Andreas Scheibe vom Zentrum Aktiver Prävention (ZAP) im Racket Center Nußloch nennen konkrete Fälle von Fitnesssportlern, deren Gesundheitszustand sich durch die trainingsfreie Zeit der Lockdown-Phasen massiv verschlechtert hat.

Die drei Interviews können Sie entweder jetzt schon in Ihrer fMi-Ausgabe lesen – oder ganz einfach über einen Klick auf das jeweilige Bild.

Auszug aus der Literaturliste

World Health Organization (Hrsg.) (2020). WHO Guidelines On Physical Activity And Sedentary Behaviour. Geneva: Hrsg

Zieschang, T. & Koschate, J. (2020). Einschränkungen des sozialen Lebens im Rahmen der COVID-19 Pandemie – Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität älterer Menschen (CoNFINE) Zugriff am 22.12.2020.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte presse@fitnessmanagement.de.

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