Hinterfragen lohnt sich! – Warum Selbstreflexion so wichtig ist
Viele Studiobetreiber und Unternehmer haben sich in den vergangenen Wochen aufgrund der Corona-Pandemie wie der 'Hamster im Rad' gefühlt. Komplexe Aufgaben mussten gemanagt und Prozesse sowie Denkmuster aufgebrochen werden. Für den Blick aus der Metaperspektive war bisher wenig bis gar keine Zeit. Warum gerade jetzt im Umgang mit der Krise und dem bevorstehenden Neustart die Selbstreflexion besonders wichtig ist?
Jede Krise bietet auch Chancen, die das Potenzial für die Entstehung einer neuen Arbeitsatmosphäre haben können. Wie können Vorgesetzte Nähe zu ihren Mitarbeitern aufbauen, wenn nur eine digitale Form der Kommunikation wie in der aktuellen Situation möglich ist.
Laut Jenewein (2018) kann dies durch das Etablieren einer offenen und neugierigen Haltung im Unternehmen gelingen.
Ein guter Manager ist besonders in Krisenzeiten präsent
Die Bewältigung dieser Aufgabe setzt zunächst voraus, dass eine mit Führungsaufgaben betraute Person in der Lage ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Im zweiten Schritt gilt es, dann herauszufinden, was Mitarbeiter in Krisenzeiten von ihren Vorgesetzten erwarten.
Eine Führungsperson ist in Zeiten, die geprägt sind von Unsicherheit, sehr oft in der Rolle des 'Krisenmanagers' aktiv, da fortlaufend weitreichende, u. a. auch strategische Entscheidungen getroffen werden müssen.
Die persönliche Effektivität steigern
An dieser Stelle ist eine Führungsperson gefordert, sich über verschiedene Aspekte bewusst zu werden, die gutes Urteils- und Kompetenzvermögen auszeichnen und Manager in schwierigen Situationen dabei unterstützen, Entscheidungen zu treffen.
Um Herausforderungen, die besonders Krisenzeiten mit sich bringen, zu meistern, erscheint es sinnvoll, selbstbeeinflussbare Prozesse zur Steigerung der persönlichen Effektivität zu nutzen.
Selbstreflexion in schwierigen Zeiten
Diese ermöglichen es, die eigenen Stärken zu erkennen und zu nutzen und zugleich Schwächen zu eliminieren (Neck & Manz, 2010).
Im Folgenden soll erläutert werden, welchen Beitrag hier die Selbstreflexion im Krisenkontext für Führungskräfte leisten kann.
Der richtige Umgang mit Krisen
Der Umgang mit Krisen, den damit verbundenen Risiken und der Verantwortung für risikobehaftete Entscheidungen sind Anforderungen, denen sich Führungskräfte gegenübersehen.
Krisen bieten die Möglichkeit, den Umgang mit sich selbst, mit den Mitarbeitern und mit der Umwelt zu reflektieren, vor allem vor dem Hintergrund, dass die zwangsläufig mit einer Krise einhergehenden Risiken und entsprechenden risikobehafteten Entscheidungen ein Kernbestandteil von Führungshandeln sind.
Anregung zur Selbstreflexion
Selbstreflexion ist grundsätzlich für alle Menschen von elementarer Bedeutung. Sein SELBST ab und zu und gerade in Krisen mit dem Status quo zusammenbringen, über sein SELBST nachzudenken und im Anschluss Strategien/Maßnahmen zum gewünschten SELBST-Konzept abzuleiten, ist eine interessante Lebens- und Führungsaufgabe.
In der Rolle der Führungskraft blickt man beispielsweise bewusst auf das eigene Handeln und stellt sich selbst wichtige selbstkritische Fragen wie beispielsweise:
- Setzen wir den Fokus auf die richtigen Dinge?
- Müssen wir unser Geschäftsmodell überdenken?
- Welche Zukunftskompetenzen benötigen wir?
- Wie erfolgreich bewältigen wir die momentane Krise?
- Sind wir auf das Schlimmste vorbereitet (Worst-Case-Szenario)?
- Wie kommunizieren wir die Krise an die Mitarbeiter/Kunden?
- Kennen und nutzen wir unsere Ressourcen?
- Benötigen wir Unterstützung von außen?
Wichtige Impulse durch Bewusstseinsänderung und Perspektivwechsel
Mithilfe von Selbstreflexion können Führungskräfte hilfreiche Impulse erhalten, um sich aufmerksam und bewusst das eigene Handeln zu vergegenwärtigen.
Mit einer selbstreflektierten Haltung kann Unerwartetes antizipiert und auf Fehler flexibel reagiert werden.
Selbstreflexion gepaart mit einer Haltung der Achtsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit ermöglicht es, Fähigkeiten auszubilden, neue Situationen zu bewältigen und Unerwartetes handhabbarer zu machen.
Mut zum Hinterfragen und Erforschen
Daraus ergibt sich dann ein Perspektivenwechsel sowohl für die Führungskraft als auch für das Unternehmen im Sinne einer ganzheitlichen und ebenenübergreifenden Betrachtungsweise (Geithner & Krüger, 2008).
Für den erfolgreichen Umgang mit unerwarteten Handlungsfolgen, die in Krisenzeiten so gut wie unumgänglich sind, ist es für eine Führungsperson demzufolge entscheidend, die eigenen Kompetenzen zu erforschen und kritisch zu hinterfragen.
Da der Erfolg einer Führungsperson in erster Linie über die eigene Leistung bzw. die der Mitarbeiter bzw. Teams definiert wird (ähnlich wie im Spitzensport) ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, sich zunächst die eigene Kompetenzerfahrung bewusst zu machen.
Kompetenzerwartung – Voraussetzung für selbstreflektiertes, kontinuierliches und erfolgreiches Führen
Den größten Zusammenhang mit Leistung und demnach auch mit Erfolg weist die individuelle und kollektive Kompetenzerwartung auf.
Diese beschreibt die Überzeugung einer Person, sich in der Lage zu sehen, ein Verhalten, das zu einem bestimmten Ergebnis führt, auch tatsächlich zu einem definierten Zeitpunkt umzusetzen (Bandura, 1977, 2006).
Leistung abrufen: Alles eine Frage des Selbstvertrauens?
Jemand, der von seinen Fähigkeiten nicht überzeugt ist, kann auch unter den günstigsten Voraussetzungen seine Leistung nicht zuverlässig abrufen.
Die Kompetenzerwartung hat darüber hinaus auch Einfluss auf den Anstrengungsgrad eines Menschen, und darauf, wie lange er bereit ist, seine Anstrengung aufrechtzuerhalten.
Je ausgeprägter die Kompetenzerwartung ist, desto eher wird die Führungsperson bereit sein, schwierigen Situationen aktiv und optimistisch entgegenzutreten beziehungsweise sich um die Lösung dieser zu bemühen.
Eigene Erfahrungen und Überzeugung wichtig
Die beste Quelle für eine stark ausgeprägte Kompetenzerwartung sind eigene Erfahrungen, die mit erfolgreichem Handeln verknüpft sind.
Neben symbolisch-sprachlichen sind vor allem auch indirekte Erfahrungen von Bedeutung, d. h. inwieweit aus den Erfolgserlebnissen anderer Rückschlüsse auf die eigene Kompetenz gezogen werden können.
Souveränität als Produkt von Selbstüberzeugung
Vor allem in schwierigen und herausfordernden Situationen wirken Menschen, die souverän und reflektiert auftreten, selbstsicherer und glaubwürdiger, da sie sich durch Schwierigkeiten und Hindernisse nicht aus der Bahn werfen lassen.
Im Gegenteil, sie bleiben dann stabil, gelassen und behalten den Überblick. Der entscheidende Aspekt für ein souveränes Auftreten ist jedoch, wie der Einzelne mit seinen Kompetenzen umgeht und wie er von seinen Kompetenzen überzeugt ist.
Grundsätze zum Führen in Krisen
Gerade in dieser extrem ungewöhnlichen Zeit befinden sich viele Menschen im Krisenmodus und somit im 'Ausnahmezustand'. Alle möglichen Ängste und Sorgen (Zukunft, Existenz, etc.) machen sich breit und führen oftmals zu unvernünftigen emotionalen Entscheidungen bis zur Handlungsunfähigkeit.
Alte Verhaltensmuster müssen durchbrochen werden
Operative Hektik bricht aus, obwohl die Gesamtsituation mit möglichen Konsequenzen, Eskalationsgraden noch gar nicht erfasst wurde. Die gewohnten Verhaltensmuster können uns nicht aus der Krise beziehungsweise aus kritischen Situation führen.
Wir benötigen neue kreative Lösungen und müssen somit oftmals 'out of the box' denken. Nichts ist unmöglich.
„Der Mensch bleibt in kritischen Situationen selten auf seinem gewohnten Niveau. Er hebt sich darüber oder sinkt darunter.“
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Alexis de Tocqueville
Die drei goldenen Grundsätze für Krisenmanager
In der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung (Ausgabe 1/2020) mit der Headline „Wenn’s brennt – Klug handeln in der Krise“ führt der Autor Axel Bédé (S. 16–20) einige interessante Grundsätze und Leitlinien zum Führen in Krisen an. Auszugsweise finden Sie im Folgenden die drei wichtigsten Aspekte.
Grundsätze und Leitlinien zum Führen in Krisen
'Vor die Lage kommen'
Beherrschen Sie die Krise oder beherrscht die Krise Sie?
Ziel ist es, die potenzielle Lageentwicklung mental vorwegzunehmen, kurz: Der Krisenmanager muss 'vor die Lage kommen'. Der Übergang vom bloßen Reagieren zum aktiven Agieren wird ermöglicht.
Ein passendes Zitat von Wayne Gretzky, dem Weltklasse-Eishockeyspieler: „Es ist nicht so wichtig, zu wissen, wo der Puck jetzt ist, als vielmehr zu wissen, wo er sein wird.“
Der Krisenmanager(-stab) muss den möglichen Krisenverlauf prognostizieren ('Erwarte das Unerwartete'), um zu erkennen, wie Eskalationsprozesse noch vor Schadenseintritt unterbrochen oder zumindest minimiert werden können. Multikausales Ursache-Wirkungs-Denken hilft, die Komplexität der Lage zu durchdringen.
'Worst-Case-Denken & positive Führung > Kein Widerspruch!'
Das Prinzip, sich gedanklich mit der denkbar schlimmsten Lageentwicklung zu befassen ('Das Undenkbare denken!'), folgt dem Grundsatz der Antizipation.
Dabei geht es ausdrücklich nicht um 'Schwarzmalerei', sondern um das bewusste Verhindern eines Wettlaufs der gedanklichen Deeskalation nach dem Motto: 'Was nicht sein darf, kann auch nicht sein'.
Es schützt den Krisemanager(-stab) davor, jede Verschärfung der Lage als Frustrationserlebnis mit Überraschungseffekt wahrzunehmen und beugt der Gefahr einer mentalen Umdeutung von Realitäten (Pippi-Langstrumpf-Syndrom: 'Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt!'; engl.: confirmation bias) vor.
Wurde der schlimmste Fall bereits gedanklich durchgespielt, erscheint jede etwas positivere Entwicklung bereits als kleiner Erfolg und wirkt dadurch auch psychologisch stabilisierend.
'Wichtigkeit vor Dringlichkeit'
Ohne Erläuterung wirkt dieser Grundsatz wie eine Binsenweisheit ohne praktischen Nutzen.
Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass Dringlichkeit offenbar ein immanenter Bestandteil von Krisensituationen ist, da diese ja immer von Zeit- und Entscheidungsdruck geprägt sind: 'Die Presse macht Druck!'; 'Die Kunden machen Stress!'; 'Die Mitarbeiter wollen sofort Bescheid wissen!' etc.
Erschwerend kommt ein erheblicher Kräfte- und Ressourcenmangel hinzu, der unweigerlich in eine Dilemmasituation mit erheblichen Zielkonflikten führen würde, wenn keine Prioritäten gesetzt würden.
Prioritäten setzen heißt, vieles zu lassen, um eines richtig tun zu können, statt alles zu versuchen, aber nichts zu bewirken. Kurz gesagt: 'Wichtig ist, dass etwas wichtig ist!'
Fazit
Es liegt in erster Linie an der Führungskraft und deren Einstellung, ob und wie man die Corona-Krise und andere Managementherausforderungen erfolgreich meistert.
Ziel sollte es immer sein, aus solchen Krisen gestärkt hervorzugehen und das eigene Führungsverhalten zu hinterfragen.
Der Studio-Shutdown und die damit verbundenen Veränderungen haben viele Unternehmer nicht nur in der Fitness- und Gesundheitsbranche zum Improvisieren bzw. Reagieren gezwungen.
Denkmuster, Arbeitsprozesse, das Angebot, aber auch das eigene Führungsverhalten wurden hinterfragt und angepasst. Das Ergebnis einer solch intensiven und bewussten Selbstreflexion kann durchaus zu einem Perspektivenwechsel der eigenen Kompetenzen führen.
Dieser Perspektivenwechsel kommt zukünftig nicht nur der Führungspersönlichkeit selbst zugute, sondern auch der Unternehmenskultur, dem Teamwork und der Innovationskraft des Unternehmens, wovon alle Mitarbeiter und Mitglieder profitieren.
Über die Autoren
Barbara Nützel, u. a. M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist Dozentin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie in den Fachbereichen Psychologie und Gruppentraining. Aktuell promoviert sie im Fachbereich Sportwissenschaften.
Karl Drack, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler M. A., war langjähriger Betriebsleiter im Gesundheitsbereich. Als Coach/Unternehmensberater ist er spezialisiert im strategischen Kompetenzmanagement. Seit 1998 ist er Dozent, Tutor und Autor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie.
Auszug aus der Literaturliste
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifiying theory of behavioral change. Psychological Review,84, 191–215.
Bandura, A. (2006). Social cognitive theory. In S. Rogelberg (Hrsg.), Encyclopedia of Industrial/Organizational Psychology. Beverly Hills: Sage Publications.
Bédé, A. (2020). Grundsätze und Leitlinien zum Führen von (Unternehmens-)Krisenstäben. In: Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung. Ausgabe 1/2020.
Geithner, S. & Krüger, V. (2008). Hochleistungsteams: Lernen durch Reflexion. In P. Pawlowsky & P. Mistele (Hrsg.), Hochleistungsmanagement. Leistungspotenziale in Organisationen gezielt fördern (S.133–149): Wiesbaden: Gabler.
Jenewein, W. (2018). Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind. Ecowin.
Neck, C. P. & Manz, C. C. (2010). Mastering self-leadership: empowering yourself for personal excellence (5. Auflage). Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall.
Senf, W. (2020). Krisenphasen im Verlauf des Lebens. In: Psychotherapie im Dialog – Fachzeitschrift. Ausgabe 1/2020
Wooden, J. (2009). Coach Wooden’s leadership game plan for success: 12 lessons for extraordinary performance and personal excellence. Columbus: Mcgraw Hill Book Co.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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