Nach der Lektüre mancher Anti-Aging-Systeme musste man fast den Eindruck gewinnen, als könnte man den Alterungsprozess nahezu zum Stillstand bringen. Die Bezeichnung „Anti“ in diesem Doppelwort stört mich, seit ich es zum ersten Mal gelesen habe.
Philosophisch betrachtet ist alles auf unserem Planeten ein ständiges Werden und Vergehen, aber manche Menschen stellen sich als „Krone der Schöpfung“ manchmal über alles, auch über wissenschaftlich erwiesene Fakten.
Ich denke nicht ans Alter und versuche im Training und Wettkampf vergangene Leistungen zu übertreffen.
Tom Scheu
Ich beschränke mich hier auf das Thema, über das ich in über 60 Jahren unzählige Berichte geschrieben habe: das Training der Muskulatur, mit dem Ziel, so gesund und fit wie möglich zu werden bzw. zu bleiben, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Alterungsprozesses.
Laut der Mehrheit aller bekannter Studien ist der Alterungsprozess mit einem allmählichen Rückgang an Muskelmasse und Muskelkraft verbunden – eine Entwicklung, die sich mit zunehmendem Alter verstärkt. Diesen Fakten braucht man sich aber nicht kampflos zu unterwerfen, wenn man – möglichst frühzeitig – mit regelmäßigem und gezieltem Muskeltraining beginnt. Das ist aber nicht „Anti“, das ist „Active“!
Aktiv bis ins Alter
Dass genetische Veranlagung bei diesem Prozess eine Rolle spielt, ist eine Binsenweisheit. Aber egal, wie gut ein Mensch bezüglich Muskulatur und allen damit zusammenhängenden Systemen ausgestattet wurde – er wird seine Fitness und Gesundheit verbessern, wenn er aktiv wird.
Je früher, desto besser, aber auch in reiferen Jahren ist es definitiv besser, aktiv zu werden als sich passiv gehen zu lassen – vor allem unter Berücksichtigung der ständig steigenden Lebenserwartung der Menschen hierzulande. Das Aussehen ist zwar wichtig, aber viel mehr wird dadurch die Lebensqualität im Alltag und in der Freizeit gesteigert. Ob Treppensteigen oder schwerere Arbeiten, alles geht viel besser mit einem regelmäßigen Muskeltraining – mit gezielter Aktivität!
Die alljährlich vom DSSV e. V. – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen durchgeführte Erhebung der „Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft“, die von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte unterstützt wird, ergibt für 2024, dass mehr als jedes vierte Mitglied in deutschen Fitnessanlagen über 50 Jahre alt ist (knapp 9 % sind sogar über 60).
Positive Effekte des Krafttrainings
Stärkere Muskeln sind in unserer Gesellschaft schon seit Jahrzehnten keine reine Männersache mehr. Das Training von Frauen hat sich in den letzten Jahrzehnten spürbar gewandelt, hin zu mehr Eisen. Höhere Trainingsgewichte kommen zunehmend zum Einsatz, insbesondere mit dem Ziel zur Gewebestraffung und Körperformung.
Egal ob Mann oder Frau – eine gut trainierte Muskulatur verbrennt ganz einfach mehr und wirkt wie eine positive Kaskade für viele Körpersysteme.
Durch den Wettkampfsport stehe ich immer im Vergleich mit Jüngeren. Daher denke ich überhaupt nicht an mein Kalenderalter und fühle mich nicht als Senior.
Werner Zenk
Das ist alles seit Jahrzehnten bekannt, aber die unsäglichen Vorurteile haben sich sehr lange gehalten. Schon seit Jahren ist es in der Wissenschaft allgemeiner Konsens, dass gezieltes Muskeltraining eine äußerst effektive präventive Methode darstellt, um Fitness, Gesundheit und Lebensqualität auch im fortschreitenden Alter bestmöglich zu gewährleisten.
In meinem Freundeskreis waren über die Jahrzehnte einige Personen in schwere und schwerste Unfälle verwickelt. Mehrere Male habe ich von Ärzten diesen Satz gehört: „Wenn ihr Freund nicht so eine stabile Muskulatur gehabt hätte, wäre es wohl sehr viel schlimmer ausgegangen.“ Und das gilt auch für mich persönlich.
Vorbilder aus dem Bodybuilding
Wie bei jeder sportlichen Aktivität helfen Vorbilder aus dem Leistungssport, die Motivation fürs eigene Training zu stärken. Im Amateurbereich des Bodybuildings gehören Werner Zenk aus Mecklenburg-Vorpommern und Tom Scheu aus Rheinland-Pfalz zu den ganz großen Vorbildern über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Werner Zenk, Jahrgang 1954, begann mit 40 Jahren mit Bodybuilding, und Tom Scheu, Jahrgang 1962, bereits mit 17 Jahren. Was für diese beiden befreundeten Bodybuildinglegenden gilt, trifft auch für alle zu, die gezieltes Muskeltraining nach ganz individuellen Vorstellungen betreiben: „Eisen“, richtig und regelmäßig verwendet, macht fit und erhöht die Lebensqualität, egal in welchem Alter und egal ob als Breiten- oder Leistungssportler.
Ob als Spätberufener wie Werner oder als Beginner in der Jugend wie Tom – für beide spielte und spielt die Anzahl der Lebensjahre zu keinem Zeitpunkt eine Rolle. Beide sind immer noch regelmäßig aktiv, Tom regelmäßig bei umjubelten Gastauftritten und kurz nach seinem 60. Geburtstag sogar noch als Leistungssportler auf Weltniveau (Senioren-Vizeweltmeister 2022).
No Excuses. Do it. Do it now!
Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:
Busek, A. (2025). Active Aging vs. Anti-Aging. fitness MANAGEMENT international, 4 (180), 128–129.