Abnehmspritzen werden zunehmend zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Der vermeintlich einfache Weg zum Wunschgewicht sorgt in den Medien, bei Ärzten, bei Adipositasbetroffenen und auch innerhalb der Fitnessbranche für kontroverse Diskussionen (Green, 2024; Martin, 2024).
Kritiker befürchten, dass ein rein passives Abnehmverständnis entsteht und Maßnahmen zur Lebensstiländerung in den Hintergrund treten (Lewis, Moore & Ard, 2024). Dies hätte auch negative Konsequenzen für Fitnessstudios.
Der zweite Teil der fMi-Artikelreihe zeigt, warum eine Lebensstiländerung auch bei einer GLP-1-Therapie unverzichtbar bleibt. Zudem wird erläutert, welchen Beitrag Fitnesstraining und Ernährungsberatung leisten können und welche Chancen sich daraus für Fitnessstudios ergeben.
Lebensstiländerung für GLP-1-Nutzer unabdingbar
Eine multimodale Lebensstilintervention mit den Komponenten Ernährung, Bewegung und Verhalten gilt als Standardtherapie zur Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG], 2024).
Zentrales Ziel ist es, durch eine Änderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens ein für die Gewichtsreduktion notwendiges Kaloriendefizit zu erzielen. Dies stellt auch den Ansatzpunkt von verschiedenen Maßnahmen zur Gewichtsabnahme im Fitnessstudio dar (Wanjek, 2020b).
Lies außerdem den ersten Teil der Artikelreihe 'Abnehmspritzen – Hype oder Gamechanger?' und erfahre mehr über Wirkweisen, Nebenwirkungen und Chancen für die Fitnessbranche.
Die pharmakologische Wirkung der Abnehmspritze erleichtert diesen Prozess erheblich und führt zu deutlich ausgeprägteren Gewichtsverlusten (Wadden et al., 2023). Dies ist mitunter ein Grund, warum viele Betroffene keine Notwendigkeit sehen, ihren Lebensstil grundlegend zu ändern (Statista, 2024).
Dennoch bleibt eine Lebensstiländerung unverzichtbar – nicht in erster Linie, um die Gewichtsreduktion weiter zu maximieren, sondern vielmehr, um die negativen Begleiterscheinungen einer GLP-1-Therapie erfolgreich zu managen.
Dazu zählen insbesondere der Abbau von Muskelmasse, ein erhöhtes Risiko für Nährstoffdefizite und Mangelernährung sowie die Gefahr einer erneuten Gewichts- und Körperfettzunahme nach Absetzen des Medikaments. Darüber hinaus zielt eine Lebensstiländerung auf die Verbesserung der körperlichen Fitness, Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen ab (Dalle Grave, 2024; Wadden et al., 2023) – wichtige Effekte, die bei alleiniger Anwendung der Abnehmspritze nicht zwangsläufig eintreten.
Schutz vor Muskelabbau
Abnehmspritzen bewirken eine ausgeprägte Gewichtsabnahme, führen aber auch zu einem Verlust von fettfreier Masse einschließlich Muskelmasse. Je nach Wirkstoff liegt der Anteil des Magermasseverlustes bei circa 25 bis 40 Prozent (Conte, Hall & Klein, 2024). Die Höhe und Bedeutung des Muskelmasseverlustes werden in der Wissenschaft kontrovers diskutiert.
Derzeit wird angenommen, dass der Muskelmasseverlust nicht höher ausfällt als bei anderen Methoden mit schnellem Gewichtsverlust, wie etwa bei stark kalorienreduzierten Diäten (Mozaffarian et al., 2025). Im Allgemeinen gilt, dass jeder substanzielle Gewichtsverlust ohne geeignete Gegenstrategien die fettfreie Masse einschließlich Muskelmasse reduziert (Gigliotti et al., 2025).
Ein verstärkter Muskelabbau kann die Gesundheit beeinträchtigen und den langfristigen Erhalt des Gewichtsverlustes erschweren (Grosicki et al., 2024; Prado, Phillips, Gonzalez & Heymsfield, 2024). Deshalb sollte auch bei einer GLP-1-Therapie einem Muskelmasseverlust frühzeitig entgegengewirkt werden. Ein systematisches Krafttraining in Verbindung mit einer höheren Proteinzufuhr werden zur Prävention von Muskelabbau empfohlen (Grosicki et al., 2024; Mechanick et al., 2025).
Vermeidung des Jo-Jo-Effekts
Vor allem der langfristige Erhalt des erzielten Gewichtsverlustes stellt in der Anwendungspraxis eine zentrale Herausforderung dar. Viele Anwender wollen die Abnehmspritze nur für eine begrenzte Zeit nehmen, ein Großteil bricht die Therapie unter anderem aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig ab (Mozaffarian et al., 2025).
Wird das Medikament abgesetzt, kommt es zu einer erneuten Gewichtszunahme mit verschlechterter Körperzusammensetzung (Quarenghi et al., 2025). Zwei dänische Studien zeigen, dass durch ein therapiebegleitendes Trainingsprogramm ein erneuter Gewichtsanstieg nach dem Absetzen der Abnehmspritze im Vergleich zu einer rein medikamentösen Behandlung effektiver verhindert werden kann (Jensen et al., 2024; Lundgren et al., 2021). Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Fitnesstraining zur langfristigen Absicherung einer GLP-1-induzierten Gewichtsabnahme.
Vermeidung von Mangelernährung
Die Gefahr einer Mangelernährung ist ein weiteres Problem bei der Anwendung der Abnehmspritze. Die appetithemmende Wirkung führt zu einer stark reduzierten Nahrungs- und Energieaufnahme.
Die tägliche Kalorienzufuhr sinkt im Mittel um 16 bis 39 Prozent (Christensen, Robinson, Thomas & Williams, 2024) bzw. um circa 700 bis 1000 Kilokalorien (Dilley, Adhikari,Silwal, Lusk & McFadden, 2025). Erfahrungsgemäß bleibt das Ernährungsverhalten dabei unverändert ungesund und das Risiko für Nährstoffdefizite steigt deutlich an (Mozaffarian et al., 2025).
Besonders häufig ist eine unzureichende Proteinzufuhr zu beobachten, die den Abbau von Muskelmasse begünstigt (Johnson et al., 2025). Manche Anwender verlieren sogar fast vollständig das Interesse am Essen. Sie sind im besonderen Maße von einem Energie- und Nährstoffmangel bedroht (Hauner, 2025).
Häufige therapiebedingte Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Durchfall verstärken das Risiko zusätzlich (Almandoz et al., 2024). Diese Probleme machen eine individuelle Dosisanpassung und vor allem eine professionelle Ernährungsberatung dringend erforderlich (Mozaffarian et al., 2025).
Verbesserung von Fitness, Gesundheit und Lebensqualität
Die Abnehmspritze reduziert das Gewicht bei Adipositas effektiv, behebt jedoch nicht die Folgen eines ungesunden Lebensstils. Bewegungsmangel und Fehlernährung wirken sich auch bei einem medikamentösen Gewichtsverlust weiterhin negativ aus.
Deshalb sind regelmäßige körperliche Aktivität und Training neben einer ausgewogenen Ernährung für Nutzer der Abnehmspritze unverzichtbar (Jakicic, Rogers & Church, 2024). Studien von Lundgren et al. (2021), Sandsdal et al. (2023) und Jensen et al. (2024) zeigen, dass die Kombination von GLP-1-Therapie und Training besonders effektiv sein kann.
Diese Strategie führt nicht nur zu einem deutlichen Gewichtsverlust, sondern auch zu weiteren gesundheitlichen Vorteilen, wie einer verbesserten kardiorespiratorischen Fitness und einer gesteigerten Lebensqualität.
Fitnesstraining bei GLP-1-Therapie
Körperliches Training sollte ein zentraler Bestandteil der GLP-1-Therapie sein (Jakicic, Apovian et al., 2024). In der klassischen Adipositasbehandlung liegt der Trainingsschwerpunkt bisher auf einem möglichst hohen Energieverbrauch, um eine Gewichtsreduktion zu erzielen (Rogers, 2024).
Dafür werden umfangreiche Ausdauerprogramme mit 200 bis 300 Minuten pro Woche bei moderater Intensität empfohlen (Donnelly et al., 2009). Für GLP-1-Nutzende scheint dieser Ansatz jedoch weniger passend, da das notwendige Energiedefizit bereits durch die Medikation entsteht. Die Trainingsziele verschieben sich daher: Im Vordergrund stehen der Erhalt von Muskelmasse, die Vermeidung einer erneuten Gewichtszunahme nach Therapieende sowie die Verbesserung von Fitness, Muskelfunktion, Gesundheit und Lebensqualität (Gross & Brinkmann, 2024; Jakicic, Rogers & Apovian, 2024).
Krafttraining und erhöhte Proteinzufuhr schützen vor Muskelabbau
Aline Pamsl und Prof. Dr. Markus Wanjek
Derzeit gibt es noch keine evidenzbasierten Trainingsempfehlungen, die spezifisch für die GLP-1-Therapie bei Übergewicht/Adipositas gelten. Die aktuelle Studienlage ist noch unzureichend. Daher empfiehlt das American College of Sports Medicine (ACSM) ein Training, das sich an den Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO orientiert.
Begleitend zu einer GLP-1-Therapie sollten mindestens zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche und 150 Minuten Ausdauertraining mit moderater Intensität durchgeführt werden (Jakicic, Rogers & Apovian, 2024).
Das Krafttraining gewinnt im Hinblick auf den Schutz vor Muskelabbau und eine Optimierung der Körperkomposition als begleitendes Therapieelement an Bedeutung (Locatelli et al., 2024). Dies eröffnet Fitnessstudios die Chance, sich als kompetente Partner in der Betreuung von GLP-1-Anwendern zu positionieren (Meyersohn, 2024; Vankin, 2025).
Ernährungsberatung bei GLP-1-Therapie
Neben Fitnesstraining ist während einer GLP-1-Therapie auch eine professionelle Ernährungsberatung notwendig. Sie wirkt den beschriebenen negativen Begleiterscheinungen gezielt entgegen und wird von Fachgesellschaften ausdrücklich empfohlen (Mozaffarian et al., 2025). Diätkonzepte mit strikter Kalorienreduktion verlieren dabei an Bedeutung (Dalle Grave, 2024).
Im Vordergrund steht die Entwicklung neuer Ernährungsgewohnheiten, angepasst an das verminderte Hungergefühl und die eingeschränkte Nahrungsmenge. Zentrale Ziele sind die Vermeidung von Nährstoffmängeln, der Umgang mit gastrointestinalen Beschwerden, der Erhalt von Muskelmasse sowie die Förderung von Therapietreue, Gesundheit und Lebensqualität (Mozaffarian et al., 2025).
Fitnesstraining und Ernährungsberatung können die GLP-1-Therapie effektiv unterstützen
Aline Pamsl und Prof. Dr. Markus Wanjek
Besonders wichtig ist eine ausreichende Proteinversorgung. Empfohlen werden mindestens 1,5 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht in Kombination mit Krafttraining, um Muskelabbau zu verhindern (Grosicki et al., 2024; Mozaffarian et al., 2025). Proteinshakes können helfen, den Bedarf auch bei vermindertem Hungergefühl zu decken (Almandoz et al., 2024).
Zudem ist bereits zu Beginn der Therapie ein Ernährungsscreening sinnvoll, um den individuellen Beratungsbedarf zu ermitteln und die Anwenderinnen und Anwender auf die Bedeutung einer erhöhten Proteinzufuhr und die Notwendigkeit des begleitenden Krafttrainings hinzuweisen (Mozaffarian et al., 2025).
Betreuungsangebote bei GLP-1-Therapie: Chance für Fitnessstudios
In Deutschland erfüllen rund 15 Millionen Erwachsene die Kriterien für den Einsatz von Abnehmspritzen (Hauner, 2025). Aktuelle Daten zeigen eine Zunahme der Verschreibungshäufigkeit von GLP-1-Agonisten (Jacob et al., 2024) und die leitlinienkonforme Therapie sieht eine begleitende Lebensstiländerung vor (DAG, 2024).
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass in der ärztlichen Versorgung bislang nur wenige professionelle Angebote zur Unterstützung einer Lebensstiländerung existieren (Mozaffarian et al., 2025). Aus gesundheitlicher Sicht ist es jedoch entscheidend, dass GLP-1-Nutzer Zugang zu fachkundig angeleiteten Trainingsprogrammen und einer qualifizierten Ernährungsberatung haben (Mechanick et al., 2025).
Mehr zum Thema auf dem Aufstiegskongress 2025
Beim Aufstiegskongress 2025 geben Prof. Dr. Markus Wanjek und Aline Pamsl in ihrem Vortrag 'Abnehmspritze statt Fitnesstraining und Ernährungsberatung?' spannende Einblicke in den aktuellen Forschungsstand. Sie beleuchten das Thema interdisziplinär und zeigen Chancen und Herausforderungen für das zukünftige Gewichtsmanagement im Fitnessstudio auf.
Für Fitnessstudios bietet sich die Chance, die bestehende Betreuungslücke zu schließen. Sie verfügen über qualifizierte Fachkräfte und erprobte Betreuungskonzepte in den Bereichen Bewegung und Ernährung. Schon heute erreichen sie viele Menschen mit Übergewicht und Adipositas (Wanjek, 2020a, 2020b).
Damit sind Fitnessstudios ideale Orte, um GLP-1-Nutzende bei einer notwendigen Lebensstiländerung zu unterstützen (National Academy of Sports Medicine [NASM], 2023). Voraussetzung ist jedoch eine spezifische Weiterbildung des Personals im Bereich der GLP-1-Therapie sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Trainer, Ernährungsfachkraft und betreuendem Arzt.
Fazit
Abnehmspritzen verändern das Gewichtsmanagement bei Übergewicht und Adipositas. Ihr Einsatz wird in den kommenden Jahren vermutlich weiter steigen. Für Fitnessstudios entsteht dadurch eine große Chance, denn Fitnesstraining und Ernährungsberatung können den Erfolg einer GLP-1-Therapie effektiv unterstützen.
Dieses Potenzial sollten Studios nutzen und passende Betreuungsangebote für Anwender entwickeln. Wichtig ist, dass Trainer und Betreiber sich fachlich fortbilden und die weiteren Entwicklungen beobachten. Eine gute Gelegenheit dazu bietet der gemeinsame Vortrag der Autoren am 10. Oktober 2025 auf dem Aufstiegskongress in Mannheim.
Reinhören: In unserem Podcast 'Fitness im Ohr' hat Janosch Marx Aline Pamsl und Prof. Dr. Markus Wanjek zum Thema Abnehmspritze und ihre Auswirkung auf die Fitnessbranche interviewt. Hier geht's zur Folge.
Auszug aus der Literaturliste
Jakicic, J. M., Rogers, R. J. & Apovian, C. M. (2024). Contemporary Treatments for Obesity: Physical Activity in the Context of Antiobesity Medications. Translational Journal of the American College of Sports Medicine, 9 (2), 1–3.
Mozaffarian, D., Agarwal, M., Aggarwal, M., Alexander, L., Apovian, C. M., Bindlish, S. et al. (2025). Nutritional priorities to support GLP-1 therapy for obesity: A joint Advisory from the American College of Lifestyle Medicine, the American Society for Nutrition, the Obesity Medicine Association, and The Obesity Society. Obesity 33 (8), 1475-1503.
Wadden, T. A., Chao, A. M., Moore, M., Tronieri, J. S., Gilden, A., Amaro, A. et al. (2023). The Role of Lifestyle Modification with Second-Generation Anti-obesity Medications: Comparisons, Questions, and Clinical Opportunities. Current obesity reports, 12 (4), 453–473.
Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte literatur@fitnessmanagement.de.
Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:
Pamsl, A. & Wanjek, M. (2025). Abnehmspritzen – Bedrohung oder Chance für Fitnessstudios?. fitness MANAGEMENT international, 5 (181), 100–103.