Das Konzept der Gesundheitskompetenz, engl. „health literacy“, sorgt regelmäßig für Schlagzeilen in der Tagespresse. So titelte die Wochenzeitung Die Zeit zu neuesten Ergebnissen der TU München [TUM]: „Die Deutschen verstehen so wenig von Gesundheit wie nie“ (Grabbe, 2025).
Aus diesem Anlass sollen an dieser Stelle das Konzept der Gesundheitskompetenz vorgestellt sowie aktuelle Forschungsbefunde und ihre Implikationen beschrieben werden. Ein solches Update bietet sich an, da neben der TUM-Studie im Frühjahr dieses Jahres auch ein Schwerpunktheft des Bundesgesundheitsblattes mit dem Titel „Förderung von Gesundheitskompetenz“ erschienen ist.
Somit gibt es neue Daten zum Thema, das seit 2003 auch zu den nationalen Gesundheitszielen zählt (gesundheitsziele.de, 2003): „Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patientensouveränität stärken“.
Gesundheitskompetenz und ihre Teilbereiche
Das Konzept der Gesundheitskompetenz wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt. Zunächst eng an den Begriff der Literalität, also Lese- und Schreibfähigkeit, in Bezug auf medizinische Dokumente angelehnt, wird Gesundheitskompetenz mittlerweile weiter gefasst als
Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Bereichen der Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können, die ihre Lebensqualität während des gesamten Lebensverlaufs erhalten oder verbessern (Schaeffer, Hurrelmann, Bauer & Kolpatzik, 2020, S. 13; Übersetzung von Sørensen et al., 2012).
Da Gesundheitskompetenz, wie in Abbildung 1 gezeigt, über die Inanspruchnahme und Wirksamkeit gesundheitsförderlicher, präventiver und therapeutischer Maßnahmen mitbestimmt, prägt sie einerseits das Gesundheitssystem und die öffentliche Gesundheit.
Andererseits beeinflusst sie aber auch das Individuum, das je nach Gesundheitskompetenz beispielsweise seinen Lebensstil anpassen oder an präventiven Maßnahmen teilnehmen und so seine Gesundheit, Lebensqualität und -dauer mitbestimmen kann.
Die Bedeutung von Gesundheitskompetenz wird jedoch zunehmend wichtig eingeschätzt, da sich durch die längere Lebenserwartung und die Zunahme chronischer Erkrankungen die Kontakte mit dem Gesundheitssystem und die Herausforderungen für die Betroffenen potenzieren.
Insbesondere im Hinblick auf chronische Erkrankungen ist festzustellen, dass die Prävention und die Therapie, aber auch das Leben mit chronischen Erkrankungen eng mit einer guten Gesundheitskompetenz verbunden sind. Unzulängliche Gesundheitskompetenz hindert Menschen daran, sich gut um ihre Gesundheit zu kümmern und korrekte gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen.
Sie erschwert außerdem die Bewertung widersprüchlicher Informationen und das Auffinden der richtigen Anlaufstellen im Gesundheitssystem. Gesundheitskompetenz ist daher auf individueller Ebene ein wichtiger Einflussfaktor für die Gesundheit, aber auch für die Mortalität (Fan, Yang & Zhang, 2021; Kolpatzik, Fretian, Bollweg & Okan, 2025; Schaeffer et al., 2020). Im Detail zeigen sich die Auswirkungen geringer Gesundheitskompetenz von Individuen bei …
- der Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands,
- dem Informationsverhalten,
- der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sowie
- beim Gesundheitsverhalten (Schaeffer et al., 2020).
Die zunehmende Relevanz von Gesundheitskompetenz bedeutet für Anbieter der Fitness- und Gesundheitsbranche, dass hier auch ein wachsender Bedarf entsteht, dem mit entsprechenden Angeboten begegnet werden kann.
Gesundheitskompetenz und Bewegung
Neben der Ernährungskompetenz (Kolpatzik, 2023) und der „Mental Health Literacy“ (psychische Gesundheitskompetenz) (Freţian & Kirchhoff, 2023) stellt vor allem die bewegungsbezogene Kompetenz eine wichtige Dimension der Gesundheitskompetenz dar (Sudeck, Rosenstiel, Carl & Pfeifer, 2023).
Denn Menschen mit einer hohen bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz sind in der Lage, in gesundheitlicher Hinsicht relevante körperliche und sportliche Anforderungen motorisch zu bewältigen, sie regelmäßig durchzuführen sowie sie gezielt auf Gesundheit und Wohlbefinden auszurichten und somit Gesundheitsgewinne zu erzielen.
Drei von vier Deutschen weisen eine reduzierte Gesundheitskompetenz auf, junge Menschen sind am stärksten betroffen.
Dr. Matthias Schömann-Finck
Hierbei kann der fundierte Austausch mit Peers sowie nicht zuletzt die kompetente Betreuung durch Trainerinnen und Trainer in Fitness- und Gesundheitsanlagen Menschen dabei unterstützen, ihr Handeln zu reflektieren, und schließlich wesentlich zur Erlangung von Gesundheitskompetenz beitragen. Insbesondere Fachkräfte erfüllen in diesem Kontext eine wichtige Funktion, da sie die Zusammenhänge zwischen körperlicher Fitness, Gesundheit und Bewegung im Rahmen der persönlichen Betreuung vermitteln.
Gesundheitskompetenz ist demnach der Schlüssel, der es Personen ermöglicht, Gesundheitsgewinne zu optimieren und Gesundheitsrisiken zu minimieren. Dass der Aufbau entsprechender Kompetenzen neben der Optimierung von Fitness- und Gesundheitsparametern ein wichtiges Ziel in der Gesundheitsberatung darstellt, zeigen empirische Studien, die den Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsparametern belegen (Sudeck et al., 2023).
Aktuelle Entwicklungen zu Gesundheitskompetenz und Bewegung
Interessanterweise identifizieren die aktuellen Daten der TUM besonders jüngere Menschen als Gruppe mit erhöhtem Risiko für eine reduzierte Gesundheitskompetenz – eine Abkehr von der bisherigen Befundlage, die Ältere als Risikogruppe sah (Kolpatzik et al., 2025). Da bei dieser Gruppe zudem ein Rückgang der körperlichen Aktivität zu beobachten ist (Finger, Varnaccia, Borrmann, Lange & Mensink, 2018), zeichnet sich eine bedenkliche Entwicklung ab.
Begleitet wird die negative Entwicklung der Gesundheitskompetenz von einer Veränderung der Informationsgewohnheiten. Das Internet hat in den letzten Jahren als Quelle für Gesundheitsinformationen an Bedeutung gewonnen. Jedoch setzt dieser Informationskanal die Nutzerinnen und Nutzer ohne die Vermittlung durch Fachpersonal (der Weg über Fach- und Hausärztinnen ist weiterhin der meistgenutzte) einem breiten Informationsangebot aus (Kolpatzik et al., 2025; Schüz & Jones, 2024). Für jüngere Menschen stellt hier der Content von Fitness- oder Health-Influencern eine vielgenutzte Informationsquelle dar.
Jedoch ist dieser oft nicht evidenzbasiert oder qualitätsgeprüft, sodass hier eine höhere Gesundheitskompetenz aufseiten der Nutzer vonnöten wäre, um eventuell gesundheitsschädigende Inhalte identifizieren zu können. Dies ist umso wichtiger, da Studien die Potenziale von Social Media für die Bewegungsförderung andeuten (Cooper, Campbell & Conner, 2024; Lavoie et al., 2025; Pryde, Kemps & Prichard, 2024). Allerdings sind auch Risiken, wie die Verbreitung von Falschinformationen, unrealistischen Zielen oder Körperbildern zu nennen.
Diese Risiken betreffen vor allem Nutzende mit geringer Gesundheitskompetenz, die die vermittelten Inhalte nicht korrekt bewerten können. Aus diesem Grund sollten Bewegungsanbieter als qualifizierte Experten bewusst mit ihren Mitgliedern in den Dialog gehen und die Gesundheitswirkung ihrer Angebote erklären.
So stärken sie die Gesundheitskompetenz ihrer Kunden, präsentieren sich als vertrauenswürdige Ansprechpartner bei Gesundheitsthemen und steigern so die Kundenbindung. Es zeigt sich also, dass Gesundheitskompetenzen für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der individuellen Gesundheit mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Gerade Anbieter, die auf persönliche Betreuung setzen, liefern ihren Kunden daher einen hohen Mehrwert, wenn der Aufbau entsprechender Kompetenzen zunehmend in den Fokus der Beratung gerückt wird.
Fazit
Die Forderungen, die die TUM-Autoren an die Politik richten, setzen bereits im Kindes- und Jugendalter bei der Medienkompetenz an. Aber es ist nicht nur nötig, dass junge Menschen Angebote im Netz, insbesondere auch auf Social Media, bewerten können.
Auch die Angebotsseite ist wichtig: Gut geschulte Trainer und pädagogisch gut aufgezogene Inhalte von Fitness- oder Health-Influencern bieten Möglichkeiten, jungen Menschen einen aktiven und gesundheitsförderlichen Lebensstil nahezubringen (Lavoie, McVay, Pearl, Fisher & Jake-Schoffman, 2025).
Auszug aus der Literaturliste
Kickbusch, I., Pelikan, J., Haslbeck, J., Apfel, F. & Tsouros, A. D. (Hrsg.). (2016). Gesundheitskompetenz. Die Fakten. Zürich: Kompetenzzentrum Patientenbildung Careum Forschung.
Kolpatzik, K., Fretian, A., Bollweg, T. & Okan, O. (2025). Gesundheitskompetenz in Deutschland. Ergebnisbericht.
Schaeffer, D., Hurrelmann, K., Bauer, U. & Kolpatzik, K. (Hrsg.). (2020). Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken (1. überarbeitete Aufl.). Berlin: KomPart.
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Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:
Schömann-Finck, M. (2025). Gesundheitskompetenz: Wie lebt man gesund? fitness MANAGEMENT international, 4 (180), 112–114.