Die Methode des Self-Talks

Eine positive Einstellung hilft bei der Genesung? 'Self-Talk' soll die kognitive und sportliche Leistungsfähigkeit fördern.
Lesezeit: 5 Minuten
Eine Physiotherapeutin unterstützt einen jungen Mann mit Beinorthese und Unterarmgehstützen beim Gehen; oben links Portraitfoto von Barbara Nützel mit dem Hinweis 'Fachartikel'.
Selbstregulation und Self-Talk sind wichtige Konzepte im Rahmen einer sportpsychologischen Betreuung
Sportverletzungen stellen nicht nur Belastungen für den Körper dar, sondern strapazieren auch die Psyche – wie kann man mithilfe der sportpsychologischen Trainingstechnik „Self-Talk“ die kognitive und sportliche Leistungsfähigkeit bei Sportverletzungen steigern?

Eine Sportverletzung wirft so gut wie jede Athletin und jeden Athleten unabhängig des Leistungslevels aus der Bahn. Auch wenn der Prozess der Rehabilitation einer Verletzung oft schnell vonstattengeht, bleiben die Folgen einer Sportverletzung auf der psychologischen Ebene für Athletinnen und Athleten oft lange bestehen.

Für sie gehen mit der Verletzung je nach Leistungslevel zum Teil existenzielle Fragen einher, wie z. B. wann der Sport wieder ausgeübt werden kann oder ob mit einem Karriereende zu rechnen ist. Auch ein Verlust von Sponsorenverträgen oder ein Ausschluss aus dem Kader können drohen. Die fehlende Kontrolle sowie die omnipräsente Angst vor der sportlichen Zukunft erweisen sich für Athleten als eine immense psychische Herausforderung. Die psychosoziale Bewältigung von Sportverletzungen muss daher laut Kleinert (2019) entwickelt und trainiert werden, da diese eine entscheidende sportliche Fähigkeit im Kontext des Karriereverlaufs eines Athleten darstellt.

Nach Sportverletzungen steht somit nicht nur die Rückkehr zur vollen körperlichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund, sondern auch eine Reihe von psychologischen und sozialen Faktoren spielen bei der Wiederaufnahmefähigkeit der sportlichen Karriere eine wichtige Rolle (z. B. Bewältigungsverhalten, Risikoverhalten des Athleten). Körper, Psyche und Verhalten bilden eine untrennbare Einheit, die bei der Heilung und Rehabilitation zu betrachten ist (Kleinert, 2021).

Psychische Aspekte nach Sportverletzungen

Die Sportpsychologie unterstützt im Leistungssport Athletinnen und Athleten dabei, ihre optimale sportliche Leistung zu einem definierten Zeitpunkt, wie beispielsweise dem Wettkampf, abrufen zu können. Der Erfolg dieses Vorhabens hängt von einer Vielzahl kognitiver Fähigkeiten ab, wie der Konzentrationsfähigkeit und der Kompetenzerwartung, die als die subjektive Überzeugung, eine bestimmte Aufgabe zielführend bewältigen zu können, beschrieben werden. Auch im Kontext von Sportverletzungen können sportpsychologische Ansätze Athleten unterstützen, wieder an ihre Leistungsfähigkeit anzuknüpfen.

Einen möglichen theoretischen Ansatz zur Erklärung psychischer Reaktionen und Verhaltensänderungen nach Verletzungen bieten Modelle der Stressbewältigung (Wiese & Weiss, 1987; Wiese-Bjornstal et al. 1998), die eine sportbedingte Verletzung als Stressor thematisieren. Die Bewertung dieses Stressors führt in Verbindung mit der Bewertung der individuell zur Verfügung stehenden Ressourcen zu einer emotionalen Reaktion, die in der Folge zu entsprechenden Verhaltensweisen führt.

Um gestärkt aus einer Verletzung hervorzugehen, sind Selbstvertrauen, positives Denken und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entscheidend. Da sich der Athlet oder die Athletin über den Sport definiert, ist eine Verletzung häufig mit einem Angriff auf das Selbstbild verbunden.

In diesem Zusammenhang kann der Einsatz sportpsychologischer Trainingstechniken wirksame Hilfestellungen im Rahmen einer sportpsychologischen Begleitung bieten.

Tipps für die Praxis

Selbstregulation und Self-Talk sind wichtige Konzepte, die im Rahmen einer sportpsychologischen Betreuung von Therapeuten und Trainern genutzt werden können, um Athleten bei ihrer Rehabilitation und Genesung zu unterstützen:

Selbstregulation fördern

  • Rehabilitationsziele setzen:
    • gemeinsam mit dem Athleten realistische und erreichbare Ziele definieren
  • Emotionsregulierende Techniken vermitteln:
    • Achtsamkeitsübungen
    • Atemtechniken
    • Entspannungsmethoden zur Reduktion verletzungsbedingter Frustration, Angst und Traurigkeit sowie zur Stärkung von Fokus und Ruhe
  • Körperliche Selbstregulation stärken:
    • Körpersignale erkennen lernen
    • Training individuell anpassen
    • Überlastungen vermeiden
  • Selbstmonitoring etablieren: Tagebuchführung für körperliche und emotionale Zustände
    • Förderung der Selbstwahrnehmung und Anpassungsfähigkeit

Self-Talk gezielt einsetzen

  • Positive Affirmationen fördern:
    • Entwicklung optimistischer Denkweise und Einstellung während der Reha
  • Negative Gedanken umstrukturieren:
    • Identifikation belastender Denkmuster
    • Ersatz durch konstruktivere, unterstützende Gedanken
  • Mentale Vorstellung trainieren:
    • Visualisierung erfolgreicher Rückkehrszenarien
    • mentale Vorstellung von Bewegungsabläufen oder Wettkämpfen
    • Aufbau des Selbstvertrauens und der mentalen Stärke
  • Selbstvertrauen durch Routinen stärken:
    • positive Sätze vor Training/Wettkämpfen einbauen
    • Selbstwirksamkeit und Resilienz gezielt fördern
Grafik mit vier blauen Kästen und Pfeilen, die die Stufen der Selbstgesprächsregulation zeigen: Beobachtung der bewegungsbeteiligten Selbstgespräche, Identifikation bewegungsstörender Selbstgespräche, Umformulierung in bewegungsunterstützende Selbstgespräche, Training der bewegungsunterstützenden Selbstgespräche.

Durch die Integration von Selbstregulation und Self-Talk in die Therapie können Therapeuten verletzten Athleten nicht nur bei der körperlichen Genesung helfen, sondern auch ihre mentale Stärke und Resilienz fördern. Dies führt zu einer ganzheitlichen Unterstützung, die für die Rückkehr zum Sport entscheidend ist.

Self-Talk

Neben dem mentalen Training als eine der klassischen Methoden der Sportpsychologie kann auch das Training handlungsförderlicher Selbstgespräche (Self-Talk) Athletinnen und Athleten dabei unterstützen, ihre sportliche Leistungsfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Selbststeuerung in herausfordernden Situationen zu optimieren, um insbesondere in Drucksituationen sowohl körperlich als auch kognitiv vollumfänglich leistungsfähig zu bleiben.

Laut Hackford & Schwenkmezger (1993) können Selbstgespräche zur Selbstinstruktion und Selbststeuerung eingesetzt werden. Das Training handlungsförderlicher Selbstgespräche ist eine der am häufigsten eingesetzten Strategien im Sport (Gould et al., 1992) und dieser Methode werden verschiedene Funktionen zugeschrieben (Landin, 1994):

  1. Motivational: Stärkung des Selbstbewusstseins, Regulierung der Erregung, Lenkung der Anstrengungsbereitschaft
  2. Aufgabenspezifisch: Aneignung bzw. Modifikation von Wettkampftaktiken bzw. von bestimmten Techniken und Bewegungen, Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit

Für die Anwendung von Selbstgesprächen bzw. des Trainings der Selbstgesprächsregulation gibt es verschiedene Vorgehensweisen, die sich alle recht ähnlich und meist in vier Stufen unterteilt sind (Eberspächer, 2024): Für die Athletin bzw. den Athleten gilt es zunächst die bewegungsbeteiligten Selbstgespräche zu beobachten.

Weiterhin sollen bewegungsstörende Selbstgespräche identifiziert werden, um diese dann im dritten Schritt in bewegungsunterstützende, kurze und prägnante Selbstgespräche umzuformulieren. Abschließend erfolgt das Training der generierten Selbstgespräche, um diese dann im Wettkampf bzw. in einer herausfordernden Situation (z. B. im Rehabilitationsprozess) abrufen zu können (vgl. Abb. 1).

Laut Hermann & Mayer (2014) kann das Training der Selbstgespräche auch im Alltag angewendet werden, um eine Handlung zu unterstützen. Insbesondere vor und während komplexer Aufgaben sind Menschen oft mit negativen Gedanken konfrontiert, wie z. B. eine Person, die sich vorgenommen hat, sportlich aktiv zu werden und dann jedoch permanent an ihrem Durchhaltevermögen zweifelt („Ich schaffe es doch sowieso nicht, Sport zu machen“). 

Derartige negative Selbstgespräche haben dysfunktionalen Charakter und beeinflussen die Leistungsfähigkeit ungünstig, wie z. B. die Kompetenz des Redners oder die Kompetenzerwartung der Person, die mit Sport beginnen möchte. 

Negative Selbstgespräche können demzufolge zu einer negativen bzw. schwächenden Einschätzung der eigenen Fähigkeiten führen und als stressauslösend empfunden werden. Ein Training handlungsförderlicher Selbstgespräche kann daher hilfreich sein, dysfunktionale Selbstgespräche und die damit einhergehenden negativen Gedanken aufzulösen und die körperliche wie auch die kognitive Leistungsfähigkeit zu fördern.

Bei der Anwendung des Self-Talks im Alltag empfiehlt es sich, die unzweckmäßigen Selbstgespräche analog zum Vorgehen im Leistungssport zunächst zu identifizieren, um diese dann im nächsten Schritt durch zweckmäßige Kognitionen zu ersetzen. Anschließend gilt es, diese dann vor und während der praktischen Durchführung zu trainieren.

Fazit

Sportverletzungen sind häufig negative Ereignisse, die fast alle Athletinnen und Athleten während ihrer Karriere einmal oder sogar wiederholt erleben. Eine fundierte sportpsychologische Trainingsbetreuung kann den Athleten bei der psychologischen Bewältigung der Verletzung unterstützen und ihn auf dem Weg der Rehabilitation begleiten, um den Trainingsausfall als Chance der Weiterentwicklung und des Wachstums zu begreifen.

Durch die Arbeit mit evidenzbasierten Methoden, wie zum Beispiel dem Self-Talk als einer Technik der Selbstgesprächsregulation, scheint es möglich zu sein, nach einer eingetretenen Verletzung erfolgreich und leistungsfähig in den Sport zurückzukehren.

Im Rehabilitationsprozess rückt die Rolle von Trainerinnen und Trainern sowie Therapeutinnen und Therapeuten als direkt unterstützende Bezugspersonen der Athletinnen und Athleten stärker in den Vordergrund. Aufgrund ihrer hohen Verantwortlichkeit und ihrer speziellen Position können sie die psychische Genesung wirkungsvoll fördern – vorausgesetzt, sie verfügen über fundierte Kompetenzen, die sie sich in spezifischen Weiterbildungen angeeignet haben. Dazu zählt u. a. Wissen in Bezug auf den Einsatz effektiver Kommunikationsstrategien, Krisenidentifikation und -intervention sowie Kenntnisse über Motivation, Zielsetzung, Stressbewältigung und weitere sportpsychologische Techniken.

Durch die Integration einer psychologischen Perspektive in den Bereich der Sportverletzungen ist es möglich, die Athletin oder den Athleten noch gezielter bei der Wiedererlangung und Erhaltung der eigenen sportlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit zu unterstützen. Das Anwenden sportpsychologischer Trainingstechniken ist somit für alle Beteiligten – Athlet, Trainer und Therapeut – von Nutzen.

Auszug aus der Literaturliste

Eberspächer, H. (2024). Mentales Training. Ein Handbuch für Trainer und Sportler (10. Aufl.). München: Copress Sport.

Hermann, H.-D. & Mayer, J. (2014). Mentalstrategien für den Alltag: Was wir von Leistungssportlern lernen können. Hamburg: Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung.

Kleinert, J. (2021). Psychologische Aspekte der Prävention und Rehabilitation von Sportverletzungen. Sport in Kultur und Gesellschaft: Handbuch Sport und Sportwissenschaft, 481–492.

Kleinert, J. 2019). Psychologie in der Sportrehabilitation: Forschungslage und Maßnahmen, Sportphysio, 7(05), 208–215.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte: literatur@fitnessmanagement.de

Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:

Nützel, B. (2025). Die Methode des Self-Talks. medical fitness and healthcare, 01/2025, 72-74.

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Für fitness MANAGEMENT berichtet

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