Patientenmotivation und nachhaltiger Therapieerfolg

Die Patienten kommen regelmäßig zur Behandlung, führen aber die Therapie nicht im Alltag fort? Hier gibt's Motivationstipps aus dem Management.
Lesezeit: 6 Minuten
Ein älterer Mann in Sportkleidung sitzt auf einer Untersuchungsliege in einem hellen, modernen Behandlungsraum. Ein jüngerer Mann im grauen Polohemd steht daneben, hält ein Klemmbrett und notiert etwas. Beide lächeln. Links im Hintergrund sind anatomische Poster zu sehen. Oben links steht „FACHARTIKEL“, oben rechts ist ein Porträtbild von Jochen van Recum eingeblendet.
Fördere die Eigenmotivation deiner Patientinnen und Patienten zwischen den Behandlungen mit diesen Managementmethoden
Viele physiotherapeutische Einrichtungen konzentrieren sich ausschließlich auf die Behandlung in der Praxis. Aber was passiert zwischen den Terminen? Wie kann man als Therapeut und Betreiber die Eigenmotivation und Mitarbeit der Patienten aktiv fördern und damit den Therapieerfolg beeinflussen? Ein Perspektivwechsel – inspiriert durch bewährte Managementmethoden – kann helfen.

Eine zentrale Herausforderung in der Physiotherapie ist die aktive Einbindung der Patientinnen und Patienten in den Heilungsprozess. Therapeutische Fachkräfte setzen ihr umfangreiches Fachwissen während der Behandlung in der Praxis gezielt ein, doch zwischen den Sitzungen bleibt der Fortschritt ohne Unterstützung des Patienten oft aus. 

Der Grund: Diese verstehen häufig nicht die Bedeutung ihrer persönlichen Eigenleistung und Eigenverantwortung. Eine effektive Lösung dieses Problems liegt in der gezielten Übertragung von Verantwortung, die sich gleichzeitig positiv auf die Genesung und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit einer Praxis auswirkt. Studien zeigen, dass Patienten mit regelmäßiger Reflexion über ihre Fortschritte signifikant bessere Therapieergebnisse erzielen (Latham & Locke, 2002; Bandura, 1997).

Therapie als Leistungsprozess – Steuerung und Beurteilung von Erfolgen

„Nur was messbar ist, kann auch gesteuert werden“, so sinngemäß ein Ausspruch des Pioniers der modernen Managementlehre Peter Drucker (Euteneier, 2024). Grundsätzlich nichts Neues im Therapieprozess. In der Praxis liegt die Verantwortung hierfür jedoch häufig ausschließlich auf Seiten des Therapeuten und bezieht dabei die Eigenleistung bzw.

Unterstützung des Patienten zu wenig mit ein. Eine sinnvolle Möglichkeit ist die Einführung eines „Therapievertrags“ zwischen Therapeut und Patient, der sowohl Maßnahmen in der Praxis als auch Eigenübungen zu Hause festlegt und ein Commitment schafft. Dieser sollte schriftlich mit einer bereits vorgefertigten Vorlage effizient gestaltet werden und zur Eigenleistung motivieren. Eine Integration in die Praxis-App könnte hierbei eine optimale Lösung sein, da sie im Rahmen des Praxismanagements auch zusätzliche Möglichkeiten bietet: etwa Erinnerungen an Termine und Übungen, Dokumentation, Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), Empfehlungen sowie die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern.

Die praktische Leistungsbeurteilung im Therapieverlauf ist herausfordernd, da Therapeutinnen und Therapeuten keine direkte Kontrolle über das Verhalten der Patientinnen und Patienten außerhalb der Praxis haben. Durch individuelle Zielvereinbarungen, Selbstreporting, Indikatorensteuerung und soziale Verstärkung kann der Therapieerfolg dennoch messbar gemacht und besser gesteuert werden. Dieses kybernetische Prinzip (Malik, 2019) nutzt Indikatoren und Rückkopplungsschleifen, um den Therapieerfolg nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll zu beeinflussen.

Leistungsbeurteilung über Zielerreichung und Motivation

In der klassischen Managementtheorie wird Leistung oft an Zielvereinbarungen festgemacht. Übertragen auf die Physiotherapie bedeutet das, dass Therapeut und Patient gemeinsam Ziele nach der SMART-Formel – spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert – formulieren (Tetzlaff, 2024). Doch der Fokus auf rein funktionale Ziele wie „Schmerzfreiheit“ greift zu kurz.

Gezielte Aufklärung, SMART-Ziele mit Storytelling und eine motivierende Kommunikation sind wichtig für den langfristigen Therapieerfolg.

Hier ist ein weiterer Blick mithilfe narrativen Managements gefragt: Wird ein Ziel in eine persönliche Geschichte eingebettet, steigert dies die Motivation und die Identifikation mit dem Prozess. Storytelling macht das Ziel greifbar und emotional aufgeladen (Lohau, 2024) –
ein Prinzip, das aus dem modernen Management bekannt ist und auch in der Therapie nachweislich wirkt.Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit. Ut elit tellus, luctus nec ullamcorper mattis, pulvinar dapibus leo.

Beispiele für Zielformulierungen mit und ohne Storytelling:

  • konventionelles Ziel: „Ich gehe in drei Monaten nach der Knieverletzung wieder schmerzfrei.“
  • narratives, motivierendes Ziel: „Ich führe im August 2025 meine Tochter ohne Krücken zum Altar und spiele danach mit meinen Enkeln im Garten Federball.“
Ein älterer Mann in Sportkleidung sitzt in einem hellen Behandlungsraum. Ein jüngerer Mann unterstützt ihn freundlich dabei, seinen rechten Arm anzuheben – vermutlich im Rahmen einer physiotherapeutischen Übung. Beide lachen, im Hintergrund ist eine Fensterfront zu sehen. Links unten befindet sich das fM-Logo.

Das funktionale Ziel endet oft mit der Schmerzfreiheit, und die Motivation, weiter an sich zu arbeiten, lässt danach häufig nach. Das zweite, narrative Ziel hingegen verknüpft die Therapie mit einem emotionalen Warum und verlängert so die intrinsische Motivation weit über die eigentliche Behandlung hinaus. Es eröffnet zugleich neue Möglichkeiten, um über weiterführende Selbstzahlerangebote wie Fitness- oder Gesundheitsprogramme das Ziel langfristig zu sichern.

Kommunikation und Indikatoren: Erfolgsfaktoren zur Steuerung außerhalb der Praxis

Das Problem der „Blackbox“ zwischen den Therapieterminen in der Praxis lässt sich nicht allein durch objektiv messbare Parameter wie Muskelkraft oder Beweglichkeit vollständig steuern. Diese Indikatoren geben zwar wichtige Hinweise auf das Übungspensum der Patientinnen und Patienten, zeigen jedoch nur einen Teil der Realität. Gezielte Fragen und Rückmeldeschleifen liefern wichtige Informationen, um das Engagement der Patienten umfassend bewerten zu können. Wie in der Führung von Mitarbeitenden bieten offene Fragen, aktives Zuhören und der bewusste Einsatz von Coaching-Techniken die Möglichkeit, verborgene Informationen und Motivationsbarrieren aufzudecken.

Daher sollten Praxisteams regelmäßig in Gesprächsführung, Motivationstechniken und Coaching geschult werden, um sowohl objektive Daten als auch qualitative Erkenntnisse aus Patientengesprächen für eine wirksame Steuerung des Therapieprozesses zu nutzen. Der Erfolg hängt maßgeblich von der richtigen Kommunikation ab – falsche Fragestellungen, Tonlagen oder Gesten (Aufforderungen mit erhobenem Zeigefinger o. Ä.) können die Eigeninitiative hemmen und im schlimmsten Fall sogar demotivieren.

  • Eine effektive und motivierende Gesprächsführung setzt auf offene Fragen statt Ja-/Nein-Fragen. Während „Haben Sie die Übungen gemacht?“ defensive Reaktionen hervorruft, liefert „Wie haben Sie die Übungen in Ihren Alltag integriert?“ wertvolle Einblicke und hilfreiche Informationen.
  • Positive Verstärkung und Wertschätzung fördern die Motivation. Statt nur Fehlverhalten zu korrigieren, sollten Fortschritte anerkannt werden („Ich sehe, dass Sie sich Mühe geben – wo können wir die Übung noch besser anpassen?“).
  • Aktives Zuhören und Spiegeln durch Paraphrasieren („Habe ich richtig verstanden, dass Ihnen die Übung schwerfällt, weil …?“) signalisiert Wertschätzung und reduziert Widerstände.
  • Vermeidung von Schuldzuweisungen, denn zielführende Fragen wie „Welche Unterstützung brauchen Sie, um die Übung regelmäßig einzubauen?“ helfen, Hindernisse zu überwinden.

Lesetipp: Mehr über den Motivational-Interviewing-Ansatz und seine Rolle in der nachhaltigen Bewegungsförderung erfahren Sie im Artikel „Motivierende Beratung – Von der Therapie zum langfristigen Training“ (Schmidt, 2023).

Verständnis und Vertrauen als wichtiger Motivationsbooster

„Nur wer das Warum kennt, erträgt auch das Wie, so Nietzsche“ (zitiert nach Hirschmann, 2016, S. 200). Physiotherapeuten sollten daher verstärkt auf edukative Elemente in der Therapie setzen. Eine Erklärung der Hintergründe und der Relevanz spezifischer Übungen steigert das grundlegende Verständnis und damit auch die Bereitschaft, aktiv mitzuwirken bzw. selbstständig zu Hause die spezifischen Übungen durchzuführen. Um dies zu erreichen, braucht es vor allem …

  • eine gezielte Aufklärung über die Therapieziele statt Small Talk,
  • eine Erklärung der Zusammenhänge zur besseren Eigenmotivation sowie
  • eine Verknüpfung mit den individuellen Lebenszielen.

Der Motivational-Interviewing-Ansatz ist ein hilfreiches Kommunikationstool, das Therapeutinnen und Therapeuten sowie Praxisbetreibenden in diesem Zusammenhang wertvolle Dienste leistet (Messner, 2018). Effektiv eingesetzt, steigert solch ein strukturierter Gesprächsführungsleitfaden nicht nur die Eigenmotivation der Patientinnen und Patienten, sondern auch den Therapie- und den langfristigen Unternehmenserfolg.

Leistungsbeurteilung und Motivation mithilfe digitaler Unterstützungstools Die positive Verstärkung stellt einen interessanten und hilfreichen Ansatz dar, wie er in modernen Managementmodellen und digitalen Trainings-Apps genutzt wird. Ziel dieser Methode ist die Steigerung der Trainingshäufigkeit mittels Gamificationansätzen und Belohnungssystemen. Studienergebnisse zeigen (Milkman et al., 2021), dass kleine verhaltensbasierte Anreize, wie Erinnerungen oder Belohnungen, die Motivation und damit die Trainingshäufigkeit und Eigeninitiative nachweislich erhöhen können. Beispiele dafür sind:

  • Verhaltensbasierte und gamifizierte Anreize: Gamificationansätze mit Fortschrittsbalken oder Erfolgsstufen sowie Belohnungssysteme können entsprechende Anreize schaffen (Speicher, 2022).
  • Level-ups, bei denen der Patient bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl in ein neues Level aufsteigt, beispielsweise von „Therapieanfänger“ zu „Fortgeschrittener“. Dies könnte mit exklusiven Übungsvideos oder Bonusinhalten, die nach Erreichen bestimmter Meilensteine als Zugang zu fortgeschrittenen Übungen oder Expertentipps kombiniert werden, verknüpft werden.
  • Mini-Challenges für zu Hause: Patientinnen und Patienten haben die Möglichkeit, sich selbst zu Hause kleine Herausforderungen/Ziele zu setzen (sieben Tage in Folge trainieren) – dabei sollten Einsatz und Trainingsfleiß belohnt werden und positive Anreize, Lob und Bestätigung nicht zu kurz kommen.
  • Feedbackschleifen mithilfe visueller Elemente: Visualisierte Ziele und Erfolge werden vom Gehirn effektiv verarbeitet, da mentale Vorstellungen ähnliche neuronale Muster wie reale Reize auslösen (Haynes & Rees, 2006; Baier & Rucker, 2013). Visualisierungstechniken fördern die Motivation und eine höhere Übungsdisziplin – besonders in Kombination mit narrativem Management. Persönliche Geschichten und Bilder aus der Vergangenheit oder KI-generierte Zukunftsszenarien machen die Zielsetzung emotional greifbar und verstärken so die Wirkung.

Therapie erfolgreich beendet – jetzt erst recht dranbleiben!

Laut Führungsexperte Prof. Dr. Fredmund Malik (2019) sollten Erfolge sichtbar gemacht und wertgeschätzt werden. Genau hier liegt der Schlüssel: Wertschätzung für das Erreichte steigert die intrinsische Motivation, erleichtert den Übergang in weiterführende Angebote und stärkt die langfristige Bindung an Praxis und Zusatzleistungen.

Ein Abomodell – eigenständig oder in Kooperation – sichert die Fortschritte und erhöht die Zufriedenheit und Lebensqualität der Patienten (Tetzlaff, 2020 & 2021). Ergänzende Hybridmodelle mit Check-ins oder Online-Beratungen stärken zusätzlich die Patientenbindung und das Praxisimage.

Fazit

Der Managementgrundsatz „Strategie statt Zufall“ optimiert den Therapieerfolg, indem er die „Blackbox“ außerhalb der Praxis klarer strukturiert und so für mehr Transparenz und Motivation sorgt. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert die aktive Einbindung der Patienten. Durch qualifizierte und empathische Therapeutinnen und Therapeuten, klare Zielsetzungen, gezielte Kommunikation und motivierende Anreize kann die Eigenverantwortung gesteigert werden.

Digitale Tools fördern langfristige Trainingsgewohnheiten. Ein ganzheitlicher Ansatz stärkt die Patientenbindung und eröffnet neue wirtschaftliche Potenziale für Praxen.

Auszug aus der Literaturliste

Baier, J. & Rucker, A. M. L. (2013). Effect of Goal Orientation on Therapy Motivation and Results in Physiotherapeutically Treated Patients with Musculoskeletal Disorders. Physioscience, 9 (04), 161-168.

Latham, G. P. & Locke, E. A. (2002). Building a practically useful theory of goal setting and task motivation. American Psychologist, 57 (9), 705-717.

Malik, F. (2019). Führen – Leisten – Leben. Wirksames Management für eine neue Welt. Frankfurt a. Main: Campus Verlag.

Messner, T. (2018). Motivational Interviewing in der Sport- und Bewegungstherapie – ein Ansatz zur Förderung der intrinsischen Motivation. B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 34 (4), 186–193.

Schmidt, F. (2023). Motivierende Beratung als Mittel zur Bewegungsförderung. medical fitness and healthcare, 01, 36–38.

Speicher, M. (2022). Gamification in der Fitness- und Gesundheitsbranche. fitness MANAGEMENT international, 5 (163), 92–94

Tetzlaff, S. (2020). Selbstzahlerbereiche als Erfolgsmodell. medical fitness and healthcare, 02, 40–42.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte: literatur@fitnessmanagement.de

Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:

van Recum , J. (2025). Patientenmotivation und nachhaltiger Therapieerfolg. medical fitness and healthcare, 01/2025, 60-63.

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