Management | Autor/in: Jörg Loth, Ralf Recktenwald |

Chancen in der Preisgestaltung: Dynamisch und personalisiert (Teil 2)

Nachdem in der vergangenen Ausgabe (fMi 5/2017, 50 ff.) die dynamische Preisgestaltung diskutiert wurde, erfolgt nun eine Vertiefung der Chancen und Einsatzmöglichkeiten der personalisierten Preisbildung.

dynamic pricing

Nachdem in der vergangenen Ausgabe (fMi 5/2017, 50 ff.) die dynamische Preisgestaltung diskutiert wurde, erfolgt nun eine Vertiefung der Chancen und Einsatzmöglichkeiten der personalisierten Preisbildung. Auch in diesem Artikel wird der Fokus der Betrachtung auf die Fitness- und Gesundheitsbranche gelegt.

Personalisierte Preisbildung
Häufig werden die dynamische und personalisierte (auch individuelle) Preisbildung kombiniert eingesetzt. Bei der personalisierten Preisbildung werden individuelle Merkmale oder bestimmte Verhaltensweisen des potenziellen Kunden für die Preisbildung herangezogen. Ziel des Verkäufers ist es auch hier, die individuelle Zahlungsbereitschaft des Kunden bestmöglich einzuschätzen. Der Verkäufer wird dabei nicht nur versuchen, dem Verbraucher den günstigsten Preis anzubieten. Vielmehr ist es gerade beabsichtigt, von einzelnen, potenziell zahlungskräftigen Kunden höhere Preise abzuverlangen. Auch die personalisierte Preisbildung ist kein Instrument der letzten Jahre. Vielmehr ist grundsätzlich die Art der Preisbildung in Deutschland seit Jahren akzeptiert: So werden z. B. für bestimmte Personengruppen (Kinder, Rentner, Schüler/Studierende) die Eintrittspreise zu Veranstaltungen ebenso reduziert, wie die Tourismusbranche bei Kindern altersgestaffelte Preise verlangt. Personenindividuelle Tarife nach der jährlichen Fahrleistung, dem Wohnort oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sind auch im Bereich der KFZ-Versicherung seit Jahren gängige Praxis. Ebenso gängig sind Rabatte für Erstkunden oder Wiederkaufanreize für registrierte Kunden.

Seit einiger Zeit verdichten sich jedoch Berichte, nach denen Online-Händler die Zahlungsbereitschaft der User ohne deren Kenntnis entsprechend des verwendeten Endgerätes (mobil vs. Desktop), dem Surfverhalten (z. B. Häufigkeit eines Seitenaufrufes, Anwählen der Seite über eine Suchmaschine vs. direkt über die URL) oder dem verwendeten Betriebssystem ableiten und für das identische Produkt bzw. die Dienstleistung unterschiedliche Preise fordern. Ob solche Vorgehensweisen einer rechtlichen Bewertung (z. B. dem Diskriminierungsverbot, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) standhalten, insbesondere unter Beachtung der einschlägigen Datenschutzbestimmungen, und inwieweit die Kunden durch die mangelnde Transparenz verunsichert werden und somit von einem Kauf in Gänze absehen, ist in Folgeuntersuchungen zu analysieren.

Personalisierte Preisgestaltung in der Fitness- und Gesundheitsbranche
Bei den Mitgliedschaftsverträgen bzw. den Tageskarten für das Einzeltraining werden bereits aktuell unterschiedliche Tarife für bestimmte Personengruppen angeboten. So zahlen Jugendliche, Studierende, Rentner und teilweise individuell vom Studio festgelegte Zielgruppen geringere Beiträge bzw. Preise. Auch die Laufzeit des Mitgliedschaftsvertrages beeinflusst bei ansonst gleichem Leistungspaket die Höhe des monatlichen Beitrages. Neue und weitere Anwendungsbereiche werden im Folgenden skizziert:

- Beitrag entsprechend dem individuellen Nutzerprofil
Ein weitestgehend neuer Ansatz ist die Bemessung des monatlich bzw. beim Einzeltraining zu zahlenden Beitrags nach dem individuellen Profil des Trainierenden. Durch die Erhebung der Vitaldaten (z. B. Größe, Gewicht, Blutdruck, Blutzucker, BMI) sowie der Risikofaktoren (z. B. verhaltens-, lebensstilbedingte und persönlichkeitsgebundene Risikofaktoren) sowie dem Status (Anfänger vs. Fortgeschrittener) soll der voraussichtliche Trainingsbedarf und somit auch die Betreuungsintensität für das Studio – kurzum der individuelle Aufwand – ermittelt werden. Demnach zahlen Trainierende mit vermutetem geringem Aufwand einen günstigen, während „aufwändige“ Personen einen hohen Beitrag zahlen. Es ist davon auszugehen, dass die Umsetzung dieser Form der personalisierten Preisbildung mittelfristig umfänglich Einzug in die Fitness- und Gesundheitsbranche halten wird. Aktuell werden bei den Kunden in dem sensiblen Gesundheitsbereich vermutlich Bedenken hinsichtlich der Weitergabe dieser persönlichen Daten bestehen. Ebenso wird aller Voraussicht nach ein opportunistisches Verhalten der Kunden zu Informationsasymmetrien im Sinne der Principal-Agent-Theorie führen.

- Erwerb von Trainingsbonuspunkten und Couponing
Bei dieser Form der personalisierten Preisbildung erhält der Kunde in Abhängigkeit von seiner individuellen Trainingshäufigkeit Bonuspunkte auf seinem Kundenkonto gutgeschrieben. Die Bonifizierung kann auch durch weitere Parameter skaliert werden, wie z. B. der Trainingsintensität, der Vermittlung von Probetrainings und Neukunden sowie der Nutzung bestimmter Angebote des Studios. Die Festlegung der Parameter muss der Betreiber im Einklang mit seiner strategischen Unternehmensausrichtung vornehmen. Die Trainingsbonuspunkte können ab einer bestimmten Anzahl im jeweiligen Studio oder in den teilnehmenden Partnerkettenstudios für Sortimentsprodukte oder für eine Rabattierung der künftigen Trainingsbeiträge genutzt werden. Alternativ können die Trainingsbonuspunkte auch für Präventionskurse verwendet werden. Dieses Bonus- und Couponingsystem kann durch den Einbezug externer Partner erweitert werden.

(Rabattcoupon am Beispiel des Lebensmittelhandels in Zusammenarbeit mit dem Payback-Bonusprogramm)

Für die Fitness- und Gesundheitsbranche kann sich z. B. eine Kooperation mit dem Sporteinzelhandel anbieten. Das Einlösen der Boni kann hierbei für den Erwerb von Sport- und Trainingsartikel erfolgen. Durch dieses Trainingsbonuspunktesystem wird nicht nur den Kunden des Fitness-Studios ein Mehrwert geboten. Bei der skizzierten externen Einbindung weiterer Partner besteht auch die Chance einer vertieften Vernetzung des Studios in der Region. Es versteht sich von selbst, dass solche Kooperationen individuell verhandelt und in einem Vertrag fixiert werden müssen. Fischer spricht im Zusammenhang mit solchen Modellen von einer „Netzwerk-Payback-Systematik“. Aber auch durch die Digitalisierung bestehen zukünftig weitere Felder für den Couponingeinsatz, z. B. durch spezielle Apps.

- Mitarbeiter von Kooperationsunternehmen
Für Mitarbeiter von kooperierenden Unternehmen können individuelle Trainingsgebühren und Vertragskonditionen festgelegt werden. Danach erhalten Mitarbeiter der Unternehmen, mit denen das Studio bzw. die Kette eine Kooperation vereinbart hat, Rabattierungen auf die jeweiligen Trainingspreise. Eine solche Kooperation kann eine Win-win-Situation für alle Beteiligten darstellen: Das Fitness- bzw. Gesundheitsstudio kann durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen z. B. im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) seinen Bekanntheitsgrad steigern, die Auslastung erhöhen und zusätzliche Mitglieder gewinnen. Das beteiligte Unternehmen kann durch die Durchführung von Präventionsmaßnahmen sein BGM-Engagement ausbauen und sich auf diese Art und durch die für seine Mitarbeiter rabattierten Trainingskonditionen als attraktiver Arbeitgeber präsentieren.


Fazit
Nachdem im ersten Teil die Chancen und Umsetzungsmöglichkeiten einer dynamischen Preisgestaltung dargestellt wurden, zeigen diese Ausführungen, dass gleichermaßen attraktive Einsatzmöglichkeiten für die personalisierte Preisbildung in der Fitness- und Gesundheitsbranche bestehen. Der Einsatz dieser Instrumente stellt jedoch höhere Anforderungen an das Preismanagement im Rahmen der Preisstrategie dar. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die beiden hier erörterten Preisbildungsoptionen bei den Kunden noch immer Skepsis und Abwehrreaktionen auslösen. Vermutlich ist die Akzeptanz, dass der Trainingspartner für das gleiche Leistungspaket durch diese Formen der Preisbildung einen wesentlich günstigeren Preis bezahlt hat, noch nicht sehr weit ausgeprägt. Es darf andererseits nicht übersehen werden, dass durch die dynamische und personalisierte Preisbildung für die Fitness- und Gesundheitsbranche erhebliche Differenzierungsvorteile in einem äußerst agilen Markt geschaffen werden können. Dies betrifft sowohl den isolierten als auch den kombinierten Einsatz der beiden Preisbildungsinstrumente. Die fortschreitende Digitalisierung wird die Einführung und den Ausbau dieser Instrumente zunehmend unterstützen.

Prof. Dr. Jörg Loth
Prof. Dr. Jörg Loth ist Professor für Ökonomie an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und Vorstand der IKK Südwest. 

Ralf Recktenwald
Ralf Recktenwald ist Direktor eines internationalen Managementdienstleisters, Interim Manager und nebenberuflicher Dozent an der ADG Business School an der Steinbeis-Hochschule Berlin. 

Mehr: Chancen in der Preisgestaltung: Dynamisch und personalisiert (Teil 1)

Auszug aus der Literaturliste
Fischer R. (2016): Neue Instrumente zum Aufbau preisbezogener Alleinstellungsmerkmale. In: BODY LIFE, Nr. 1, S. 80-82. Die verbraucherpolitische Perspektive: aktuelle Entwicklungen im Online-Handel (2016). In: ZBW-Wirtschaftsdienst, Jg. 96, Nr. 12. Loth, J./Recktenwald, R. (2016): Chancen der Sortimentsoptimierung in der Fitness- und Gesundheitsbranche. Stuttgart: Steinbeis. Für eine vollständige Liste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 06/2017 Leseprobe & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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