Management, Markt | Autor/in: Jochen van Recum & Sascha Tetzlaff |

Neues Mindset für mehr Erfolg: Praxisimpuls für ein erfolgreiches Changemanagement

Ganzheitliche Gesundheit im Fokus: Wie Sie mit dem Changemanagementmodell von John P. Kotter Mitarbeiter:innen zu einem positiven Mindset verhelfen, sie motivieren und so Patient:innen auch langfristig binden können, zeigen Jochen van Recum und Sascha Tetzlaff anhand praxisnaher Impulse.

Change-Prozesse bei Mitarbeitenden und Patient:innen erfolgreich etablieren

Grundsätzlich verfolgen Therapeut:innen und Patient:innen in der Praxis häufig sehr ähnliche Ziele. Die Patient:innen möchten möglichst schnell wieder gesund werden, die Therapeut:innen wollen die Betroffenen dabei bestmöglich unterstützen und eine zielführende Genesung erreichen. Dennoch gibt es in dieser Beziehung ein Dilemma.

Innovationspotenzial erkennen & Patient:innen langfristig binden

Den Therapeut:innen ist – anders als vielen Betroffenen – bewusst, dass eine kurzfristige Behandlung zur Genesung und insbesondere auch zur Prävention von weiteren Erkrankungen i. d. R. nicht ausreicht.

So stellt ein ergänzendes bzw. anknüpfendes Training im Selbstzahler:innenbereich (Tetzlaff, 2020) für viele Patient:innen eine sinnvolle Ergänzung dar, die langfristig positive Gesundheitseffekte erzielen kann.

Eng getaktetes Tagesgeschäft

Leider fehlt im fordernden und eng getakteten Tagesgeschäft oftmals die Zeit und auch das nötige „Argumentations- und Verkaufs-Know-how“, um diese Zusammenhänge umfassend klarzumachen und vor allem die eigenen Zusatzangebote zielführend zu vermarkten.

Dadurch geht den Physiotherapiepraxen wertvolles Umsatz- und Kund:innenbindungspotenzial verloren – doch das muss nicht so bleiben!

Theorie meets Praxis: So gelingt der Change-Prozess

Um für ein neues positives Mindset sowie ein ganzheitliches Verständnis von Zusatzleistungen und deren Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg zu sorgen, kann das Changemanagementmodell von John P. Kotter (2009 & 2013) Führungskräften bei der Umsetzung wertvolle Dienste leisten (vgl. Abb. 1).

Was es in den einzelnen Phasen dieser Veränderungsprozesse alles zu berücksichtigen gilt, machen die folgenden detaillierteren Ausführungen deutlich. Sie können Betreiber:innen dabei als wertvolle Orientierung dienen und liefern gleichzeitig hilfreiche Umsetzungstipps, wie man Fallstricke vermeiden und den Prozess aktiv begleiten kann.

1. Dringlichkeit erzeugen

Wer den Status quo durchbrechen und vorhandene Denk- sowie Verhaltensweisen im eigenen Arbeitsumfeld neu ausrichten möchte, muss allen Beteiligten zuallererst zu verstehen geben, welche Bedeutung der angestrebte Wandel für sie und das Unternehmen hat (Kotter, 2009).

Die Dringlichkeit sollte sich dabei nicht nur auf existenzbedrohende Szenarien fokussieren. Ziel muss es sein, alle Mitarbeiter:innen von Anfang an miteinzubeziehen und „abzuholen“. Grundsätzlich wollen Therapeut:innen bestmöglich helfen, jedoch hören viele Patient:innen systembedingt nach dem Ende der Therapie auch mit dem Training wieder auf und investieren nicht weiter in ihre Gesundheit.

Dagegen hat zumindest ein Teil der Therapeut:innen häufig kein probates „Gegenmittel“ und ist zu Recht frustriert. Angesichts demografischer Veränderungen und der Zunahme von zivilisationsbedingten Erkrankungen werden ganzheitliche Lösungsansätze und eine zielführende Prävention immer wichtiger – und genau hier können Sie und Ihre Mitarbeitenden gemeinsam wertvolle Hilfe leisten.


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Im Hinblick auf die wachsenden unternehmerischen Herausforderungen sollten Sie Ihr Produktportfolio deshalb immer in einer Wirkungskette von Maßnahmen darstellen und auch so vermarkten.

Mithilfe eines konkreten „Fahrplans zur Gesunderhaltung“ können Sie Ihren Mitarbeiter:innen so zum einen eine sinnvolle Argumentationshilfe in Form eines Leitfadens an die Hand geben und verknüpfen zum anderen gleichzeitig betriebswirtschaftliche Perspektiven mit der eigenen Berufung.

Nutzen Sie hierfür einfache Sprache und arbeiten sie mit bildhaften Metaphern wie „Gegenmittel“, „Fahrplan“ usw. Untermauern Sie die Dringlichkeit mit konkreten Fragen an die Beteiligten, z. B.: „Was, glauben Sie, passiert, wenn Sie weiterhin so vorgehen wie bisher?“ In dieser Phase werden Sie relativ schnell erkennen, welche Teammitglieder flexibel und offen und welche eher „eingefahren“ in ihren Denk- und Handlungsmustern sind.

2. Führungskoalition aufbauen

Ein Change-Prozess muss immer von allen wichtigen Entscheidungsträger:innen gewollt und unterstützt werden und sollte deshalb nicht im Sinne des Top-down-Prinzips im Alleingang durchgeführt werden.

Unterschiedliche Hierarchiestufen

Beziehen Sie von Anfang an loyale Mitarbeitende aus unterschiedlichen Hierarchiestufen in Ihre Planung sowie Umsetzung mit ein, hören Sie aktiv zu und agieren Sie im Umgang mit allen Beteiligten sensibel und wertschätzend.

Motivierend kommunizieren

Durch transparente Informationen, eine motivierende Kommunikation und einen aktiven Austausch mit allen Beteiligten können Sie frühzeitig Barrieren und Vorbehalte (Schumann, 2020) aus der Welt schaffen und Sie sichern sich für die weitere Umsetzung ein breites Engagement und die Unterstützung Ihres Teams.

3. Vision entwickeln

Die nächste Herausforderung besteht darin, dem Team das große Ganze klar verständlich zu vermitteln. Deshalb bedient man sich in der Führungspraxis häufig einer zentralen Vision, gemäß dem Grundsatz des Philosophen Friedrich Nietzsche: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ (Zitat gekürzt).


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Gerade wenn es darauf ankommt, dem eigenen Handeln einen Sinn zu geben, sind gemeinsame Visionen und Ziele ein innerer Katalysator bzw. Motivator, der dem Team Sicherheit, Vertrauen und Mut für das Beschreiten neuer Wege gibt.

Hierzu ein paar einfache Leitfragen für Ihr ganz persönliches Vision-Statement (sign:up, 2021):

  • Was möchten wir als Unternehmen mit unserem Handeln erreichen?
  • Warum tun wir gerade das und nichts anderes?
  • Für wen tun wir das? Was zeichnet uns dabei besonders aus?
  • Wie können wir dadurch unsere Zukunft sichern und gleichzeitig einen positiven Beitrag für unsere Kund:innen und auch die Allgemeinheit leisten?
  • Welchen Beitrag muss jede:r Einzelne dazu beisteuern?

Ein Beispiel: Wir wollen, dass in zwei Jahren jede:r Patient:in zusammen mit uns sein:ihr persönliches Ziel über die Therapie hinaus erreicht, weil das unseren Beruf und unser Verständnis von einer ganzheitlichen Betreuung charakterisiert und wir damit unseren Patient:innen mehr Lebensqualität schenken.

4. Die Vision/Das Konzept visualisieren

Über die visuelle Darstellung wird die Vision in einem weiteren Schritt dann im Unterbewusstsein der beteiligten Personen manifestiert. Da wir Bilder deutlich schneller wahrnehmen als Texte und wir uns an einprägsame Bilder besonders gut erinnern, ist es sinnvoll, die eigene Vision auch bildhaft in allen Köpfen fest zu verankern.

Nutzen Sie für die Umsetzung deshalb auch motivierende Bilder, Fotos, Illustrationen und Grafiken (bspw. in Form einer Roadmap o. Ä.), die die zentralen Inhalte und Aussagen Ihrer Vision auf einen Blick zusammenfassen.

Tägliche Erinnerung an Vision

Am besten platzieren Sie diese Vision in Form eines Posters an einem zentralen Ort Ihrer Praxis und erinnern somit Ihr Team in der täglichen Arbeit immer wieder unterbewusst daran.

Inhalte motivierend vermitteln

Eine weitere sehr wirksame und häufig angewandte Methode, um diese Inhalte motivierend zu vermitteln, ist das Storytelling (Adlmaier-Herbst, 2021; Sammer, 2019). Verbinden Sie Ihre Visionen und Ziele doch mit einer authentischen Erfolgsgeschichte und ermöglichen Sie neuen Teammitgliedern so einen schnellen Einstieg in das große Ganze.

5. Mitarbeiter:innen befähigen

Damit Ihr Change-Prozess fortschreiten und gelingen kann, müssen zeitraubende Organisationsstrukturen, unökonomische Arbeitsabläufe und eingefahrene Prozesse sukzessive hinterfragt und angepasst werden. Bei Bedarf sollten Sie Ihr Praxismanagement optimieren und für adäquate Verstärkung beispielsweise durch dual Studierende sorgen (Kreis, 2021).

Individuelle Patient:innenbedürfnisse

Die oberste Prämisse muss dabei lauten, dass Sie alle Ihre Mitarbeitenden stärkenorientiert einsetzen und ihnen vor allem die Zeit, das Know-how und die richtigen Tools an die Hand geben, um auf die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen bestmöglich einzugehen.


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Achten Sie darauf, an allen entsprechenden Touch-points im Rahmen der Therapie schon frühzeitig immer wieder Brücken zum Selbstzahler:innenbereich sowie zu den Zusatzangeboten zu schlagen.

Das gelingt aber nur, wenn Sie ständig in die Weiterbildung und Schulung Ihres Personals investieren und für das existenzielle Thema „Beratung und Verkauf“ sensibilisieren.

6. Quick Wins: Erfolge erzielen/aufzeigen

Nichts ist frustrierender als das Gefühl, dass es innerhalb des Change-Prozesses nicht vorangeht und keine sichtbaren Ergebnisse erzielt werden. Häufig machen Führungskräfte in dieser Phase den Fehler, dass sie die Ziele zu weit stecken und den Erfolg ausschließlich an „harten“ Kennzahlen festmachen.

Wertschätzung zeigen

Um auch kleine Fortschritte aufzuzeigen und wertzuschätzen, sollten Sie Ihrem Team immer wieder Rückmeldung und motivierendes Feedback geben (Malik, 2013). Bleiben Sie auch hier in den Köpfen und somit im Interessenkreis der Mitarbeiter:innen.

Erfolgsgeschichten teilen

„Es ist der Herr Müller, der jetzt wieder laufen kann, nein, sogar wieder Golf spielen kann, weil ihr ihm das durch langfristiges Training im Gerätepark und die zusätzlichen Leistungen ermöglicht habt“ – Nutzen Sie so viele persönliche Erfolge wie möglich und stellen Sie die Kennzahl bei der Führung mehr in den Hintergrund.

Das ist Ihr ganz persönliches „Schulterklopfen“ für jede:n Mitarbeiter:in.

7. Veränderung antreiben

In der Praxis wird nach den ersten Erfolgen häufig allzu schnell der Veränderungsprozess als implementiert und verinnerlicht angesehen – dem ist aber nicht so. Treiben Sie deshalb mit dem gleichen Fokus und derselben Ernsthaftigkeit wie in den ersten Monaten den Prozess weiter an und gehen Sie als Vorbild voran!

Team mitnehmen

Nehmen Sie das Team mit und festigen Sie die neuen Denk- und Handlungsmuster. Argumentieren Sie dabei weniger mit Umsatz und Kosten, sondern arbeiten Sie mit der Passion und der Berufung Ihrer Mitarbeitenden.


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Nach den ersten positiven Erfahrungen mit dem Modell können Sie jetzt aufzeigen, warum dieser Ansatz auch im Kund:innenkontakt wertvolle Dienste leisten kann:

„Nutzt das Change-Modell auch bei euren Patient:innen. Sie müssen die Dringlichkeit und den Nutzen für ihre Gesundheit erkennen. Auch sie sollten eine Vision haben, brauchen Unterstützer:innen, die ihnen auf diesem Weg zielführend helfen. Nur wenn Sie und Ihr Team diesen Mindset verinnerlichen und auch authentisch nach außen tragen, können Sie langfristig erfolgreich agieren und Menschen emotional überzeugen (Tetzlaff, 2021).

Das gelingt am besten, wenn alle von dem, was sie täglich tun, überzeugt sind!

8. Veränderung verankern

Erst wenn Sie es schaffen, die Innovationsbereitschaft im gesamten Team insbesondere auch nach Rückschlägen dauerhaft hochzuhalten und den Wandel als festen Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur zu verinnerlichen, haben Sie den Change-Prozess erfolgreich durchlaufen.

Erfolg ist kein Zufall

Aber geben Sie Acht: Das einzig konstante in der Unternehmensführung ist der Wandel – Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Mitarbeiter:innen den Erfolg und die Veränderung unmittelbar miteinander assoziieren und nicht ungewollt oder zufällig in Verbindung bringen.

Aspekte regelmäßig aufgreifen

Deshalb sollten Sie in jedem Meeting und jedem Feedback- bzw. Jahresgespräch diese Aspekte immer wieder aufgreifen und thematisieren. Sobald Sie Rückfälle in alte Muster feststellen, heißt es nachjustieren, sensibilisieren und erneut visualisieren!


Fazit

Scheuen Sie sich nicht vor Veränderungen, sondern gehen Sie diese gemeinsam mit Ihrem Team an. Für eine gelebte Innovations- und Veränderungskultur (Rolli, 2021) brauchen Sie im Rahmen der Mitarbeiter:innenführung Weitblick, Empathie und vor allem Durchhaltevermögen, denn Veränderungsprozesse sind kein Sprint, sondern ein fortlaufender Prozess, der nie zu Ende geht.

Gemeinsame Vision & Veränderungsspirit

Der Erfolg Ihres Vorhabens steht und fällt mit dem Rückhalt und der Unterstützung Ihrer Mitarbeitenden. Nutzen Sie die vorgestellten Praxisimpulse und sorgen Sie so für eine gemeinsame Vision und einen positiven Veränderungsspirit.


Über die Autoren

Jochen van Recum ist Sportökonom und Physiotherapeut. Er leitete über zehn Jahre ein Fitnessstudio und ein Gesundheitszentrum sowie zwei Physiotherapiepraxen. Seit 2016 arbeitet er als pädagogischer Mitarbeiter und Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie als Referent an der BSA-Akademie.

Sascha Tetzlaff, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, verfügt über langjährige Branchenerfahrung im Zweiten Gesundheitsmarkt in den Bereichen Fitness und Physiotherapie. Er ist als pädagogischer Mitarbeiter und Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) im Fachbereich Management tätig.


Auszug aus der Literaturliste

Kotter, J. P. (2013). Leading Change – Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern. München: Verlag Franz Vahlen.
Kreis, M. (2021). Wachsende Anforderungen an das Praxismanagement: Kundenbindung und Mitarbeiterqualifikation im Fokus. medical fitness and healthcare, 02/2021, 62–63.
Sammer, P. (2019). What´s your Story? Leadership Storytelling für Führungskräfte, Projektverantwortliche und alle, die etwas bewegen wollen. Heidelberg: O'Reilly.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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