Management | Autor/in: Jürgen Wolff |

Frank Vogelgesang: „Es geht darum, Kompetenzen hervorzuheben“

Mitgliedergewinnung und -bindung in Zeiten von COVID-19: Mit Frank Vogelgesang (Inhaber Motivitas Fitness GmbH) haben wir in einem Interview über zielführende Strategien und Ansatzpunkte gesprochen, um trotz Pandemie neue Mitglieder zu gewinnen und diese durch eine kund:innennahe und qualifizierte Betreuung langfristig für das Training im Studio zu begeistern.

Frank Vogelgesang im Interview über Mitgliedergewinnung während Corona

Hinweis: Eine Einführung ins Thema 'Mitgliedergewinnung und -bindung in Zeiten von COVID-19' können Sie hier in unserem Artikel 'Nähe, Empathie, Know-how' nachlesen.


Frank Vogelgesang ist ursprünglich gelernter Krankenpfleger, spezialisiert auf den Bereich Onkologie und EDV in der Pflege. Durch diese Spezialisierung gelangte er ins Qualitätsmanagement, woraufhin er sich entschloss, aus der akuten Medizin in die Prävention zu wechseln und ein Studium der Fitnessökonomie zu absolvieren.

Studienbegleitend war er als selbstständiger Berater für Studios und Physiotherapiepraxen tätig. 2013 eröffnete er gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter Mike Schommer das Motivitas, um seine jahrelange Erfahrung in die Praxis zu überführen.

fM: Mit welchen Herausforderungen haben Sie unter dem Eindruck der Pandemie bei der Neukund:innengewinnung und der Mitgliederbetreuung aktuell besonders zu kämpfen?

Frank Vogelgesang: Das ist sehr vielschichtig. Da ist zunächst die Verunsicherung der Kund:innen über das vorhandene Infektionsrisiko. Unsere Aufgabe ist es, diese Verunsicherung in Vertrauen und Sicherheit umzuwandeln. Ein großes Problem ist das „Grundrauschen“ in den klassischen Medien und Social Media.

Es gibt so viele unterschiedliche Informationen und Meinungen zum Infektionsgeschehen und zur Pandemie, dass es unglaublich schwer ist, sich Gehör zu verschaffen.

Wir beobachten auch ein verändertes Kund:innenverhalten. Die Mitglieder haben eine kürzere Verweildauer in den Studios als vor der Pandemie und weniger zwischenmenschliche Kontakte. Das liegt sicher am Abstandsgebot und den Atemschutzmasken, aber zusätzlich haben viele noch Musik in den Ohren.


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Der Community-Faktor ist spürbar zurückgegangen. Wir haben dieses Phänomen noch nicht abschließend analysiert, nennen es aber „Kontaktvermeidungsstrategie“.

Darüber hinaus stellen wir eine zunehmende Trägheit der Kund:innen fest. Das ist wahrscheinlich den Lockdowns geschuldet. Die Kund:innen haben ihren „roten Faden“, ihren Trainingsrhythmus und damit auch einen Teil ihrer Motivation verloren.

Die Folgen dieser veränderten Trainingsroutine werden wir noch lange spüren. Vielleicht befinden wir uns in einem Übergang von der Corona- in eine „Diabetes-Pandemie“.

Durch welche Maßnahmen nehmen Sie Ihren Mitgliedern in diesen schwierigen Zeiten die Verunsicherung?

An allererster Stelle sind wir für die Kund:innen da und hören ihnen zu. Man muss möglichst mit allen, die im Studio sind, ins Gespräch kommen, Präsenz zeigen und auch Antworten auf spezifische Fragen geben können. Die offene, transparente und kund:innennahe Kommunikation ist dabei ausschlaggebend.

Wir haben immer eine:n Mitarbeiter:in, der:die nicht in Betreuungsterminen gebunden ist, sondern aktiv jede:n Kund:in anspricht und die Zeit hat, sich intensiv um die persönlichen Belange zu kümmern. Kümmern ist hier das Stichwort.

Wir schaffen so intensive Kontakte und eine familiäre Atmosphäre über den reinen Kund:innenstatus hinaus und festigen unser Image als verantwortungsvolle Gesundheitsexpert:innen. Die Mitglieder verinnerlichen, dass sie uns wichtig sind.

Ganz wichtig ist die klare und transparente Umsetzung der angeordneten Maßnahmen in der Pandemie. In den Tagen nach dem ersten Lockdown wurde so viel über die Sinnhaftigkeit der behördlichen Vorgaben gesprochen, dass eine Diskussion darüber immer in eine Abwärtsspirale führte.

Daraus haben wir gelernt und solche Diskussionen vermieden. Wir haben die Aussagen von Virolog:innen oder Politiker:innen nicht bewertet, sondern die Maßnahmen umgesetzt und die positiven Effekte – z. B. die Vorteile von Luftreinigungsanlagen – objektiv gegenüber unseren Mitgliedern kommuniziert, weil es sie schützt.


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Nicht zuletzt ist die Wissensvermittlung als Teil der engmaschigen Betreuung entscheidend. Wir merken, dass wir unseren Expert:innenstatus ausbauen müssen. Es gibt viele selbsternannte Expert:innen auf YouTube oder Instagram, gegen die wir uns mit unseren Fachkenntnissen ja leicht behaupten können.

Wir sind gut ausgebildet und können unser Know-how mit unseren Kund:innen teilen. Durch die persönliche Wissensvermittlung erhalten wir bei ihnen einen besonderen Stellenwert, weil sie immer wieder Aha-Momente erleben und sich ernstgenommen fühlen. Sie schätzen, dass wir sie mit spezifischem Fachwissen beraten.

Welche Verkaufsargumente sind für Sie in der jetzigen Situation besonders wichtig, um zeitnah wieder möglichst viele Neukund:innen zu gewinnen?

Wir stellen fest, dass Hygiene, Sauberkeit und Luftqualität wichtige Verkaufsargumente sind – also ein sicheres Trainingsumfeld. Es macht sich auch bezahlt, dass wir ein Testzentrum im Hause haben und die Kund:innen, die sich testen müssen, keine zusätzlichen Wege haben.

Unsere Mitglieder finden wenig Trainierende und viel Raum klasse. Wir halten uns an die Vorgabe: fünf Kund:innen pro Quadratmeter. Das wird elektronisch überwacht.

Sehr gut kommt unser hybrides Angebot an. Wir bieten Online-Kurse – sowohl live als auch on demand – und arbeiten gerade an Online-Seminaren z. B. zu Ernährungsthemen, zu „Aktiv leben nach Krebs“ und auch zu BGM und Prävention.

Ganz neu sind unsere flexiblen Aboangebote, damit die Kund:innen keine Laufzeitverträge mehr abschließen müssen. Das ist nicht ungefährlich, aber wir machen die Erfahrung, dass bei den flexiblen Mitgliedschaften die wenigsten Kündigungen eingehen.

Und wir haben ein Leistungsversprechen: Wenn wir z. B. aufgrund eines Lockdowns unsere Leistung nicht erbringen können, ziehen wir auch keine Mitgliedsbeiträge ein. Dieses Versprechen kommunizieren wir und es kommt sehr gut an.

Durch welche Maßnahmen kann der Status der Studios als professionelle Fitness- und Gesundheitsdienstleister:innen weiter untermauert und auch ihre Kernkompetenzen noch zielführender vermarktet werden?

Wir haben uns im Gesundheitsmarkt auf vier Wissensgebiete spezialisiert: Herz-Kreislauf-System, Bewegungsapparat – insbesondere Rücken und Arthrose – Sport bei Krebs und Stoffwechselerkrankungen, hier vor allem Diabetes. Diese Spezialisierung kommunizieren wir intensiv nach außen.


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Wir können auch andere relevante Themen bedienen, aber es geht uns darum, unsere Kompetenzen hervorzuheben. Dadurch haben wir uns auch überregional einen Namen gemacht. Das ist ein wesentlicher Faktor, weil die Menschen für ein Fitnessstudio vielleicht nur zehn Minuten Fahrzeit auf sich nehmen würden, für eine:n Spezialist:in nehmen sie einen längeren Weg in Kauf.

Welche Rolle spielen dabei Ihrer Erfahrung nach Netzwerke und Kooperationen mit Krankenkassen, Kommunen, Unternehmen usw.?

Im Saarland kooperieren wir sehr eng mit den regionalen Krankenkassen IKK Südwest und AOK Saarland. Das ist ein „Game Changer“ für die Wahrnehmung der Kund:innen. Sie honorieren das und sehen uns als ernstzunehmende Expert:innen.

Präventionsangebote und z. B. unsere Kurse „Aktiv leben nach Krebs“ und „Sport mit Krebserkrankung“ werden von beiden Kassen beworben und wir werden auf den Websites als Gesundheitsexperte erwähnt.

Eine weitere immens wertvolle Verbindung besteht zur DHfPG, mit der wir gemeinsam verschiedene Projekte betreiben. In der Außendarstellung sind diese Projekte für uns Qualitätsbooster, weil die DHfPG überregional für hervorragende Ausbildung im Gesundheitsbereich steht und ihre externe Kommunikation klasse arbeitet.

Das ist auch ein Grund, warum wir mit unserem Studio an der 'Fitmach-Aktion: fit & gesund im Saarland'  teilnehmen. So können wir dazu beitragen, dass die Menschen zu regelmäßigem körperlichem Training motiviert und langfristig dafür begeistert werden. Das hilft uns dabei, durch das vorhin erwähnte „Grundrauschen“ zu kommen und besser wahrgenommen zu werden.


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Außerdem sind wir in verschiedenen Netzwerken aktiv. Besonders wertvoll ist für uns die Arbeitsgemeinschaft QFiSa, ein Zusammenschluss von acht inhaber:innengeführten Qualitäts- und Gesundheitsstudios im Saarland.

Wie beurteilen Sie die mittel- bis langfristigen Wachstumschancen durch das gestiegene Gesundheitsbewusstsein innerhalb der Bevölkerung – für Ihr Unternehmen und für die gesamte Branche?

Gesundheits- und Präventionstraining hatte lange ein leicht angestaubtes Image und wurde eher mit Krankheit verbunden als mit Wohlbefinden oder der Investition in ein gesünderes Leben.

Der „Coolness-Faktor“ kommt aus der klassischen Fitnessbranche, doch für den durchschlagenden Erfolg einer Positionierung als Gesundheitsexpert:innen brauchen wir mehr positives Lebensgefühl.


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Durch die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre wird sich das Image der Branche wandeln, weil die Menschen verstanden haben, wie wichtig Training zur Prävention ist. Bezieht man dann die Altersentwicklung unserer Bevölkerung mit ein, dann sind die Entwicklungs- und Wachstumschancen richtig gut.

Welche Maßnahmen haben Sie geplant, um nachhaltig von dieser Entwicklung zu profitieren?

Wir werden unseren Weg weitergehen und immer nach Möglichkeiten Ausschau halten, um besser zu werden. Dafür beobachten wir den Markt sehr genau.

Um möglichst viel „Manpower“ für die Betreuung unserer Mitglieder freizusetzen, werden wir viel Energie in die Digitalisierung und Automatisierung von Verwaltungsprozessen investieren. Unser Ziel ist zum einen, noch intensiver in die Wissensvermittlung für unsere Kund:innen zu gehen, um unseren Expert:innenstatus weiter aufzubauen.

Zum anderen wollen wir durch den persönlichen Kontakt verhindern, dass unsere Mitglieder wieder ihren „roten Faden“ verlieren. Die digitalen Tools werden dabei helfen, wenn der Kontakt persönlich nicht möglich sein sollte.

Weiter investieren werden wir in die Qualifikation und Spezialisierung unserer Mitarbeitenden. Jedes Teammitglied kommt als Rohdiamant mit einem ausgezeichneten breiten Basiswissen zu uns und findet im Laufe der Zeit sein:ihr Fachgebiet. Daran arbeiten wir, weil die Spezialisierung jedes:jeder Einzelnen den Expert:innenstatus unseres Unternehmens weiterentwickelt.


 

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