Fitness, Gesundheit | Autor/in: Karl Kühne |

Prävention durch Krafttraining: Gezieltes Training in der Arthrosetherapie als wichtiger Baustein

Das Robert Koch-Institut (RKI) stuft Arthrose als die weltweit am weitesten verbreitete chronische Gelenkerkrankung ein. Gezieltes und professionell betreutes Fitness- und Krafttraining in der Therapie wirkt dem fortschreitenden Gelenkverschleiß präventiv entgegen und reduziert nachweisbar Symptome. Neueste Erkenntnisse aus Sporttherapie, Funktionsdiagnostik und anthropologischen Untersuchungen bestätigen die Erfahrungswerte von Trainern, Therapeuten sowie Sportlern.

Training in der Arthrosetherapie richtig anwenden

Die Ursachen für die Entstehung von Arthrose sind vielfältig und bisher nicht vollständig geklärt. Allgemein bekannt ist, dass die degenerativen Veränderungen des Gelenkknorpels ein wesentlicher Faktor der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Lebensqualität sind.

Neben genetisch bedingten Voraussetzungen, Altersprozessen sowie dem Geschlecht spielen diverse weitere Faktoren wie körperliche Fehl- und Überbelastungen eine ausschlaggebende Rolle.

Die Deutsche Arthrose-Hilfe e. V. beschreibt die Lage wie folgt: „Arthrose ist die häufigste aller Gelenkerkrankungen. In Deutschland leiden etwa fünf Millionen Frauen und Männer unter Beschwerden, die durch eine Arthrose verursacht werden, mit steigender Tendenz. Zwei Millionen Menschen haben arthrosebedingt täglich Schmerzen und Alltagseinschränkungen.“ Die Dunkelziffer ist weitaus höher zu beurteilen. So werden bestehende, aber nur gelegentlich, also unregelmäßig auftretende Schmerzen durch Arthrose nicht in der Statistik erfasst.

Am häufigsten betroffen sind Hände, Knie und Hüften, aber auch alle anderen Gelenke können befallen sein. Viele Betroffene haben Arthrose nicht nur an einem, sondern – laut einer umfangreichen Mitgliederbefragung der Deutschen Arthrose-Hilfe mit über 60.000 Antworten – gleichzeitig an sechs und mehr Gelenken.

Krankheitshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter

Forschungsergebnissen des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge leidet altersübergreifend jeder fünfte Deutsche mindestens einmal in seinem Leben an Arthrose und die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) steigt mit zunehmendem Alter deutlich an (JoHM 3/2017). Ab dem 60. Lebensjahr sind gut die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen.

Die vielen Arten der Arthrose treten sehr unterschiedlich auf. Während bei einer Hüftgelenksarthrose beide Geschlechter gleichermaßen betroffen sind, leiden Frauen im Alter doppelt so häufig an einer Arthrose der Knie- und Fingergelenke als Männer.

Entzündliche Gelenkknorpelerkrankungen verursachen häufig Schmerzen und führen in letzter Instanz zum künstlichen Gelenkersatz. Über vier Millionen Menschen haben allein in Deutschland bereits ein künstliches Gelenk.

Jährlich werden etwa 230.000 künstliche Hüftgelenke, 180.000 künstliche Kniegelenke sowie 24.000 künstliche Schultergelenke eingesetzt. Weltweiter Spitzenreiter im operativen Ersatz von Gelenkstrukturen sind im Übrigen Deutschland (Hüfte) und USA (Knie) (Implant Files 2018).


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Injektionen gegen Schmerzen

Bei fortgeschrittener Kniegelenksarthrose werden häufig medizinische Präparate u. a. mit Hyaluronsäure direkt in das betroffene Gelenk injiziert, um einen weiter zunehmenden Entzündungsprozess zu verhindern. Hyaluronsäure wird auch in einem Mischpräparat mit Kortison verwendet, um die Sekretion – also die Herstellung von körpereigener 'Gelenkschmiere' (Synovia) – zu unterstützen und bereits bestehende Entzündungsprozesse zu überbrücken.

Als problematisch ist diese Vorgehensweise anzusehen, wenn man die Arthrose als chronisch degenerative Gelenkerkrankung genauer verstehen möchte. Die Ursache des Knorpelverlustes wird bei dieser Art der Therapie kaum beachtet.

Leider wirkt sich Kortisol (körperlich transferiertes Cortison) kontraproduktiv auf körpereigene Heilungs- und Aufbauprozesse aus, was wiederum weitere Degenerationsprozesse in einer Abwärtsspirale mit sich bringen kann.

Der Knorpelverschleiß stellt demnach ein fortschreitendes Problem dar, das mit Spritzen, Nahrungsergänzungen oder Medikamenten nur kurzfristig überbrückt bzw. ignoriert werden kann.


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Untersuchungen bekräftigen Handlungsfelder der Sporttherapie

Wissenschaftliche Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit bestätigen langjährige Erfahrungswerte von Trainern und Leistungssportlern.

An der Universität Münster wurden Knorpelstrukturen von körperlich aktiven und inaktiven Mäusen analysiert. Genauer betrachtet wurden hierbei die sogenannten Fibrillen, kleinste Fasern innerhalb der Knorpelstrukturen – dicht an dicht angeordnet im funktionalen Komplex mit den Knorpelzellen.

Die körpereigenen Prozesse dieser Muskelfasern sind vergleichbar, auch wenn sie wesentlich kleiner als die des Menschen sind. Vergleichbar ist auch der Einfluss, den die Muskeln auf das Gelenk respektive den Gelenkknorpel haben.

Saubere Knorpelstrukturen durch Bewegung

Die aktive Gruppe der Versuchsmäuse hatte die Möglichkeit, auf einem Laufrad ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzugehen, während die Mäuse der Vergleichsgruppe inaktiv bleiben mussten. Die Untersuchungen ergaben einen signifikanten Unterschied innerhalb der Ordnung und Ausrichtung der Knorpelfibrillen. Die Knorpelstrukturen der aktiven Mäuse waren sauber, strukturiert und ordentlich, während die Strukturen der inaktiven Vergleichsgruppe verwahrlost, ungeordnet und voller mineralisierter (teilweise verknöcherter) Knorpelfasern waren.

Nach den Untersuchungen kann zusammengefasst werden, dass psychische Stressfaktoren und Bewegungsmangel eine Entgleisung der natürlichen Zellordnung innerhalb der Knorpelzellen zur Folge haben, die sich negativ auf die Bewegungsfähigkeit und den Ernährungszustand der Knorpel auswirkt.

Bewegungsmangel fördert Arthrose

Maßgeblich beteiligt am Knorpelverschleiß der inaktiven Mäusegelenke waren die antennenähnlichen Rezeptoren an der Oberfläche der Knorpelzellen. Diese empfangen die körperliche Unterbelastung und schicken diese als Negationsafferenz (Negativerfahrung) weiter an das Gehirn.

Dort werden diese zusammen mit zusätzlichen negativen Empfindungen wie u. a. Stress in einem komplexen Ursache-Wirkungs-Mechanismus verarbeitet.

Dem Prinzip „Use it or lose it“ folgend wird der durch Bewegungsmangel unnötig gewordene Mineralienverbraucher, die Knorpelsubstanz, abgekapselt, da offenbar kein Bedarf an der Weiterentwicklung benötigter Strukturen (Knorpel) besteht.

Die Knorpelzellen beginnen sogar damit, vormals nicht mineralisierte Bereiche aufgrund des nun energetischen Missverhältnisses zu mineralisieren und somit entartete Strukturen aufzubauen. Der hyaline Gelenkknorpel beginnt an manchen Stellen zu verschwinden, an anderen wiederum entstehen im schlimmsten Falle unerwünschte Verknöcherungen und Zysten. Entzündungen und Schmerzen können sich manifestieren und schlimmstenfalls chronifizieren.

Alte Knochen bestätigen neue Erkenntnisse

Ein weiteres wissenschaftliches Projekt gibt ähnliche Hinweise. Im Rahmen einer Studie des Museu Nacional de História Natural e da Ciência in Lissabon wurden die Knochen von Menschen untersucht, die in den letzten zwei Jahrhunderten verstorben waren. Gegenstand der Untersuchung war die Frage nach der Langlebigkeit der Gelenkknorpel in Zusammenhang mit der Berufsgruppe, der die Verstorbenen zugeordnet werden konnten.

Die Ergebnisse weisen auf einen direkten Zusammenhang zwischen immer wiederkehrenden körperlichen Belastungen, routinierten Bewegungsabläufen und gleichbleibenden Gelenkknorpeln hin. Einfacher ausgedrückt, es war die Berufsgruppe der Landwirte, die auch im hohen Lebensalter noch überwiegend normal dicke Gelenkknorpel aufwiesen.

Im Gegensatz dazu zeigte die Berufsgruppe der Tagelöhner bereits im jungen Lebensalter eine hohe Arthroseprävalenz auf. Diese Berufsgruppe zeichnet sich vor allem durch körperliche Überlastung in Kombination mit Stress durch Arbeitslosigkeit und Existenzangst aus.

Was also unsere Knorpelzellen zum Substanzerhalt stimuliert, kann durch das Beispiel des historischen Landwirtes übertragen werden: Die regelmäßige Bewegung entspricht der täglichen körperlichen Arbeit, routinierte Belastungsmuster bedeuten keine körperliche Überforderung und nicht zuletzt gibt es einen periodisierten Wechsel im Anforderungsprofil, also jahreszeitabhängige Belastungswechsel.


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Krafttraining als wirkungsvolle Gegenstrategie

Die Übertragung dieser Ergebnisse auf die heutige Zeit lässt einen direkten Vergleich mit dem Training im Fitness- oder Gesundheitsstudio bei korrekter und intensitätsgesteuerter Trainingsplanung zu.

Krafttraining stellt die wirkungsvolle Gegenstrategie zu der beschriebenen Problematik und den gelenkinternen Abbauprozessen dar.

Mit natürlicher und komplett durchgeführter Gelenkbewegung (ROM), unter dosierter Belastung, beginnt ein 'Umdenken' in den Zellen des Knorpels.

Die mentale Komponente, also der Spaß an der Bewegung bei gleichzeitigem Kraftaufwand im Krafttraining, schafft den langfristigen Zuwachs an stabilisierender Muskulatur durch positives Adaptationsverhalten. Einfacher gesagt: Wenn Bewegung Spaß macht, wächst der Körper.

Qualifizierte Betreuung bei Arthrose

Die professionelle Betreuung in Fitness- und Gesundheitsanlagen ist aus Sicht der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin für Betroffene effektiv: „Eine Einweisung durch geschultes Personal im Fitnessstudio durch Physiotherapeuten oder Trainer ist sinnvoll, um ein individuell auf die Ausgangslage und Beschwerden zugeschnittenes Programm zusammenzustellen. Danach können Betroffene ergänzend auch zu Hause oder im Studio trainieren.“

Fazit

Regelmäßiges Krafttraining mit einer sinnvollen Intensitätssteuerung und periodisch wechselnden Trainingsmethoden wirkt sich positiv auf die Gelenkgesundheit und insbesondere auf die Knorpelstrukturen aus.

Neben Fitnesstraining bietet kaum eine andere Sportart diesen planbaren Mehrwert sowie den präventiven Nutzen bei fortschreitendem Gelenkverschleiß. Regelmäßiges Krafttraining stärkt den Knorpel und kann sogar die schonendere und zielführendere Option gegenüber Spritzen oder – schlimmstenfalls – einer Operation mit Risiken und Nebenwirkungen darstellen.

Qualifizierte Trainer und Sporttherapeuten können auf jeden Arthrosepatienten individuell eingehen und so je nach Krankheitsbild individuell zugeschnittene Trainingspläne entwickeln. Das führt zu mehr Lebensqualität der Betroffenen und einem gesunden und körperlich leistungsfähigen Älterwerden.

Über den Autor

Karl Kühne, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, verfügt über langjährige Erfahrung als Coach von Wettkampfsportlern und als Therapeut von Patienten verschiedener Sportarten und medizinischer Fachbereiche.
Er ist seit vielen Jahren als Dozent und Tutor für die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie die BSA-Akademie tätig. Seine Aufgabenbereiche umfassen die Trainingslehre, Gesundheitsförderung und Sporttherapie.

Fachwissen für das Training bei Arthrose

Mehr zum Thema 'Fitnesstraining bei Arthrose' finden Sie in folgenden Artikeln:


Auszug aus der Literaturliste

Deutsche Arthrose-Hilfe e. V. (2020). Hilfe für gelenkkranke Menschen. Zugriff am 03.04.2020.
Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin (2020). Arthrosetherapie – Sport ist das Mittel der Wahl. Zugriff am 03.04.2020.
Fuchs J., Kuhnert R., Scheidt-Nave C. (2017). 12-Monats-Prävalenz von Arthrose in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2(3): 55–60. DOI 10.17886/RKI-GBE-2017-054
Milella, M., Cardoso, F. A., Assis, S., Lopreno, G. P. & Speith, N. (2015). Exploring the relationship between entheseal changes and physical activity: A multivariate study. American journal of physical anthropolo-gy, 156(2), 215–223.
Jurmain, R., Cardoso, F. A., Henderson, C. & Villotte, S. (2011). Bioarchaeology's Holy Grail: The recon-struction of activity. A companion to paleopathology, 531–552.

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