Fitness, Gesundheit, Markt | Autor/in: David Köndgen |

Henrik Gockel: Fitnessstudio trotz Schließung erfolgreich durch die Corona-Krise steuern

Viele Studiobetreiber machen sich Gedanken wie es in der Corona-Pandemie weiter geht. Einer hat einen ganz konkreten Plan und ist zuversichtlich: Henrik Gockel, Geschäftsführer der PRIME TIME fitness GmbH mit Anlagen in Frankfurt, München und Hamburg – im fitness MANAGEMENT Interview.

Live-Webinar 'Survival in Coronazeiten' mit PRIME TIME fitness Geschäftsführer Henrik Gockel

'Survival in Coronazeiten' unter diesem Titel bot die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) ein kostenfreies Live-Webinar mit Henrik Gockel an. Das 60-minütige Online-Seminar wurde in Form eines geführten Live-Interviews übertragen. Hier können Sie sich die Aufzeichnung des Webinars ansehen.

Dabei beantwortete Henrik Gockel eine Auswahl an Fragen, die Interessierte individuell im Chat stellen konnten. Ausgewählte Fragen und Antworten können Sie hier nachlesen.


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In Zeiten der Corona-Pandemie sind die Fitnessstudios in Deutschland behördlich geschlossen. Dieser Zustand bereitet vielen Studiobetreibern große Sorgen. Der DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen hat einen Appell an die Politik gerichtet, eine Wiedereröffnung nach Ostern zu ermöglichen. (Lesen Sie auch: Offener Brief an Angela Merkel)

Wir haben mit PRIME TIME fitness Geschäftsführer Henrik Gockel über die aktuelle Situation in der Corona-Krise gesprochen. Im fitness MANAGEMENT Interview erklärt er, wie er nicht nur seine Fitnessstudios sondern auch alle Mitarbeiter und Studenten als auch seine Mitglieder erfolgreich durch die Corona-Krise manövriert. Zudem gibt er einen Ausblick wie die Zeit nach der Krise organisiert wird.

fM: Herr Gockel, Sie sind für 11 Fitnessstudios im ganzen Bundesgebiet und für 150 Mitarbeiter verantwortlich. Wie fühlt es sich an, wenn plötzlich flächendeckend der Studiobetrieb eingestellt werden muss?

Henrik Gockel: Ich war am 18. März 2020 abends bei der Schließung der Frankfurter Clubs vor Ort, habe alle Clubs besucht und mit Mitgliedern und Mitarbeitern gesprochen. Es war eine merkwürdige Abschiedsstimmung in eine ungewisse Zukunft.

Insbesondere im Westend, der erste unserer Clubs, der dieses Jahr 10-Jähriges feiert, war die Stimmung sehr bedrückt. 120 Monate jeden Tag von 6-24 Uhr offen, fast 3.600 Tage und dann von einem auf den anderen Tag auf unbestimmte Zeit geschlossen.

fM: Welche Sofortmaßnahmen haben Sie ergriffen?

Henrik Gockel: Den Tag nach der Schließung hatten wir alle Clubs mit mindestens einer Person über die gesamte Öffnungszeit besetzt, damit Mitglieder vor Ort über die Schließungen informiert werden konnten.

Wir arbeiten in den Clubs mit drei Abteilungen: Vertrieb, Training und Member Service. Mit den Bereichsleitern wurde direkt eine Telefonkonferenz anberaumt in der wir die Arbeiten verteilten.

Es wurden dann Teammeetings durchgeführt, denn die Schließungen an den meisten Standorten waren zwei Tage vorher bekannt. Einige Trainer und Vertriebsmitarbeiter wurden direkt in den Urlaub geschickt, insbesondere sollte Resturlaub abgebaut werden.

Andere, die handwerklich begabt oder vorgebildet sind, wurden dem zentralen Operations- und Maintenance Team zugeordnet. Weitere Trainer wurden dem Projekt Live Home-Workouts zugeteilt, die anderen telefonierten als erstes die Mitglieder des Personal Trainings und danach alle Mitglieder durch, um individuelle Home Trainingspläne zu erstellen.

Unser Mitglieder Service bearbeitete alle eingehenden Telefonate und die Mails. Die Club Manager koordinierten die Arbeiten und sprangen, wo Hilfe benötigt wurde, ein. Zur übergeordneten Koordination haben wir jeden Tag 5- bis maximal 30-minütige Conference Calls mit den Club Leitern aber auch mit den zentralen Abteilungen wie Finance, HR und Marketing, um alle Aufgaben und Ergebnisse zu koordinieren und kommunizieren.

fM: Mit welchen Maßnahmen sichern Sie die Liquidität in Ihren Unternehmen ab?

Henrik Gockel: Wir wissen alle, dass die 'Wirtschaftswelt' nach dem Pareto Prinzip funktioniert. 20 Prozent der Maßnahmen erzeugen 80 Prozent der Wirkung. Unsere Personalkosten liegen inklusive Overhead und Personal Training bei rund 40 Prozent, die Raumkosten bei etwa 25 Prozent, Leasing, Zinsen und Tilgung bei circa 10 Prozent.

Der Rest sind viele kleine Einzelbestandteile wie etwa auch Studiengebühren. Wir waren und sind nach wie vor überzeugt, dass es eine V-Krise und keine L-Krise ist. Das heißt: Einbrüche während der Zeit der Schließung holen wir dann schnell wieder auf sobald die Clubs wieder offen sind.

Als erste Maßnahme haben wir uns von allen Mitarbeitern inklusive Management die Zustimmung zur Kurzarbeit eingeholt. Auch gegenüber unseren Banken habe ich persönlich gleich einen kompletten Verzicht meiner Bezüge bis zur Wiedereröffnung kommuniziert und umgesetzt.

Wir haben trotz der Schließung Mitte März die Märzgehälter inklusive Boni schon am 23. März 2020 voll ausbezahlt, um ein Gefühl der Sicherheit herzustellen. Der nächste Zahllauf ist dann erst wieder Ende April.

Zugleich haben wir versprochen, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, wenn die Krise im zeitlichen Rahmen von zwei bis drei Monaten beendet ist. Wir haben so viel in unsere Mitarbeiter investiert und bei einer V-Krise brauchen wir sie bald wieder dringend.

Bis Ende April 2020 werden rund 70 bis 80 Prozent unserer Mitarbeiter in Kurzarbeit sein. Gleichzeitig haben wir eine Schätzung unserer Einnahmen gemacht und rechnen für April noch mit mindestens 60 Prozent des 'normalen' Umsatzes.

Natürlich müssen wir monatlich die Balance aus Abbuchungen, Rücklastschriften und Mitarbeitereinsatz zur 'virtuellen' Mitgliederbetreuung finden. Personalkosten können wir sukzessive über Kurzarbeit prinzipiell bis auf 0 Euro 'herunterfahren'.

Gleichzeitig haben wir alle Vermieter informiert. Die neuen Gesetze geben hier Spielräume zur Stundung von bis zu drei Monaten. Da beides zusammen bei uns etwa 65 Prozent der Kosten ausmacht, sind wir sozusagen bis über den Mai hinaus 'safe'.

Leasing und Tilgungen sind ein weiterer Punkt, gegebenenfalls staatliche Beihilfen, Zuschüsse oder KFW-Kredite. Das schauen wir parallel an.

Weitere Maßnahmen die wir beantragt haben, ist die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit der Kurzarbeit und auch Steuervorauszahlungen können angepasst oder zurückgeholt werden. Klares Mandat an alle Mitarbeiter 'im Einsatz' ist, Einnahmen hoch zu halten und alle Einsparungen an den 'Big 3': 

  1. Personal/Kurzarbeit
  2. Miete
  3. Dauerschuldverhältnisse (Leasing + Tilgung)

umzusetzen beziehungsweise vorzubereiten.

An alle Studenten im Urlaub und/oder Kurzarbeit ging zudem der klare Auftrag, die Zeit intensiv für das Studium zu nutzen, sich auf Präsenzphasen vorzubereiten oder an ihren Abschlussarbeiten zu arbeiten. Das Studium geht ja weiter und wir zahlen auch die Studiengebühren weiter. Die Zeit muss also zum Lernen genutzt werden. 

fM: Welche Rolle spielt die Kommunikation mit dem Kunden, dem Vermieter und den Mitarbeitern in einer derartigen Krisensituation?

Henrik Gockel: Kommunikation ist das 'A und O' für alle Stakeholder besonders für die Kunden und zwar immer und immer wieder. Gerade die Mitarbeiter brauchen etwas 'Eingewöhnung' in die neue Situation.

Menschen mögen keine Veränderungen und dies ist eine extreme, von außeneinwirkende Veränderung mit gravierenden persönlichen Folgen. Der duale Student, der bei Kurzarbeit nur 60 Prozent seines Gehaltes erhält, könnte vor finanziellen Herausforderungen stehen. Da muss man sprechen.

Der eine wohnt zu Hause und da ist es weniger schlimm, der andere hat sich ein 'eigenes' Leben aufgebaut und ist auf das Geld angewiesen. Wir gehen dann auch mit jedem einzelnen seine persönlichen Kosten durch und finden pragmatische Lösungen.

Wegen 100 oder 200 Euro lasse ich sicher niemanden hängen, solange wir uns das irgendwie leisten können. Prinzipiell ist dies auch so bei den Vermietern. Ich habe einen langen Brief beziehungsweise eine E-Mail individuell an jeden einzelnen Vermieter geschrieben.

Da wir mit allen Vermietern ein gutes Verhältnis haben, habe ich auch persönliche Geschichten in die Schreiben integriert. Bei den Vermietern arbeiten Menschen und die bekommen pro Tag 30 solcher Briefe. Da möchte mit einer authentischen, persönlichen Aussage herausstechen.

fM: Haben Sie Mitarbeiter oder dual Studierende gekündigt?

Henrik Gockel: Kategorisch NEIN. Denn, die Mitglieder zahlen nicht weiter ihre Beiträge wegen mir als Unternehmer, sondern alleine, damit die Mitarbeiter ihren Job behalten und das Center nach Schließung mindestens genauso wieder öffnet, wie es geschlossen wurde.  

Mitglieder um Geld 'anbetteln' und Mitarbeiter entlassen ist ein No-Go und schließt sich aus. 

fM: Wie planen Sie die Phase nach der Zeit der gesetzlich verordneten Studioschließungen?

Henrik Gockel: Vollgas! Wir werden, wenn der Termin zur Wiedereröffnung absehbar ist, die meisten Mitarbeiter mindestens eine Woche vorher aus der Kurzarbeit aktivieren und dann laufen die Telefone heiß.

Natürlich versenden wir Mails und Videos und andere Massenkommunikation, aber wir wollen Termine buchen und die Mitglieder persönlich einladen. Die Mitglieder sind zurzeit gut erreichbar und freuen sich sehr, etwas von ihrem Club, in dem sie einen guten Teil ihrer kostbaren freien Zeit verbringen, zu hören.

Fazit: Persönliche, professionelle und authentische Kommunikation mit dem Kunden ist in dieser Phase enorm wichtig. 

fM: Wie schätzen Sie die mittelfristige Perspektive der Fitnessbranche nach dieser Krisensituation ein?

Henrik Gockel: Quasi am Tag der Verkündung der Studioschließungen kamen auch die brandaktuellen Ergebnisse der DSSV-Eckdaten-Studie 2020 heraus. Vergleichbar mit dem IFO Index gaben 80 Prozent der Studioinhaber an, dass 2020 noch besser für sie laufen wird als 2019.

Das sehe ich hundertprozentig genauso. Wir erleben durch das Virus einen 'exogenen Schock' mit mehreren Erkenntnissen:

  1. Gesunde Menschen sind widerstandsfähiger und besser vorbereitet als kranke.
  2. Medizin kann nur in begrenztem Umfang helfen.

Das heißt: jeder wird verstehen, dass er selbst etwas tun muss, um die sagenhafte evolutionäre Entwicklung, den menschlichen Körper, zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass zukünftig durch schlechten Lebensstil erworbene Krankheiten genauso wenig toleriert werden, wie wenn sich jetzt jemand nicht an die Ausgangsregeln hält.

fM: Vielen Dank für das Interview!


 

Auch wir als führender Fachverlag und offizielles Organ des DSSV bieten Ihnen als Studiobetreiber relevante Informationen, die Ihnen und Ihren Mitgliedern einen direkten Mehrwert bieten.

Corona-Hilfe: Übersichtswebseite für Studios

Hierfür haben wir Ihnen einen wertvollen Überblick zu aktuellen Hilfsangeboten – darunter auch viele digitale Angebote – der Fitnessindustrie gebündetl und in unserer Rubrik 'Corona-Hilfe' verlinkt. Diese Informationsseite wird regelmäßig aktualisiert – also klicken Sie am besten täglich rein.

DSSV als Anlaufstelle für Studiobesitzer

Eine Übersicht mit allen rechtlichen Fragen rund um Studioschließungen hat der DSSV erstellt. Sie erhalten diese relevanten Informationen auch wenn Sie kein DSSV-Mitglied sind. Eine persönliche Fachberatung ist jedoch nur für DSSV-Mitglieder möglich.

Viele Tipps für die Dauer des Shutdowns finden Sie unserem Artikel 'Shutdown, und nun?'.

Corona-Solidarität: Stay Strong – Stay Together!

Vereint die Corona-Krise bewältigen: Unter dem Slogan 'Stay Strong – Stay Together!' appellieren Entscheider und Studiobetreiber an die Solidarität und Loyalität untereinander. (Lesen Sie auch: Zusammenhalt während der Corona-Krise)