Gesundheit | Autor/in: Florian Schmidt |

Deutschland 2018 – Das Land der Sitzer und Denker

"Sitzen ist das neue Rauchen", so Eckhart von Hirschhausen. Wie aktiv sind wir Deutschen?

Zwischen Bewegungsmangel und sportlicher Aktivität – Welchen Vorteil bietet Fitnesstraining?

Sitzen, das neue Rauchen?
„Sitzen ist das neue Rauchen“. So kommentiert der bekannte Mediziner und Comedian Eckhart von Hirschhausen durchaus süffisant die aktuellen gesundheitlichen Entwicklungen hinsichtlich Bewegungsmangel und zunehmender körperlicher Inaktivität. Wie aktiv sind wir Deutschen und welche Rolle spielt körperliche Aktivität im Rahmen unseres Alltags?

Internationale sowie nationale epidemiologische Studien zeigen, dass körperliche Inaktivität und Bewegungsmangel tendenziell zunehmen und damit verbunden immense Kosten für die Gesundheitssysteme entstehen. Die negativen gesundheitlichen Effekte des Rauchens dürfen aber nicht ohne Weiteres mit den resultierenden Folgen langen Sitzens gleichgesetzt werden. Rauchen ist nach Bluthochdruck erwiesenermaßen mit seinen gesundheitsschädlichen Wirkungen der Risikofaktor Nummer 1. Sitzen ist, anders als das Rauchen, isoliert betrachtet nicht per se gesundheitsschädlich. Britische Forscher konnten in einer aktuellen Studie zwar nachweisen, dass längeres tägliches Sitzen (6 Stunden +), die Lebenserwartung um 20 Prozent verringern kann, aber diese Befunde sollten deutlich differenzierter betrachtet werden. In Anbetracht eines durchschnittlichen 8-Stunden-Arbeitstages sind eine Vielzahl der Berufstätigen einem erhöhten Risiko körperlicher Inaktivität ausgesetzt, sofern sie sich in ihrer Freizeit nicht ausreichend bewegen. Umso wichtiger wäre gerade für diese Berufstätigen ein Ausgleich im Rahmen ihrer Freizeitaktivitäten. Eine umfassende gesundheitsorientierte Lebensführung ist eng verknüpft mit einem ausreichenden Maß an körperlicher Aktivität in Alltag, Beruf und Freizeit.

Im Sinne eines umfassenden Public-Health-Verständnisses sollten diese Aspekte deshalb immer im Gesamtkontext eines komplexen Wirkungsgefüges betrachtet und Kunden diese Zusammenhänge verdeutlicht werden.

Folgen mangelnder körperlicher Aktivität
Insbesondere in den hoch industrialisierten Nationen erreichen lediglich 10-20 Prozent der Erwachsenen die Basisempfehlungen hinsichtlich eines gesundheitswirksamen Aktivitätsniveaus. Bedenkt man, dass in diesen Ländern sowohl ökonomische, soziale als auch gesellschaftliche Entwicklungen mit Überernährung und Adipositas einhergehen, wird ein strukturelles Problem verschiedenster Wirkungsfaktoren deutlich, die sich untereinander beeinflussen. Körperliche Inaktivität ist eine der Hauptursachen und ein potenzieller Risikofaktor für die Manifestation unterschiedlicher chronischer Erkrankungen (wie bspw. Rückenschmerzen, Diabetes Mellitus Typ 2, Adipositas sowie diverse kardiovaskuläre Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Innerhalb dieses umfassenden Wirkungsgefüges spielt zunehmend auch Stress und mangelnde Bewegung am Arbeitsplatz sowie in der Freizeit eine wichtige Rolle.

Die Suche nach dem richtigen Aktivitätsniveau
Übergeordnet wird unter körperlicher Aktivität jede willentliche, gezielte Bewegung der Skelettmuskulatur verstanden, die mit einem erhöhten Energiebedarf im Vergleich zum Grundumsatz einhergeht. Für die Beurteilung des körperlichen Aktivitätsniveaus ist der damit erzielte Energiemehrverbrauch entscheidend. Wann liegt aber nun überhaupt konkret Bewegungsmangel vor?

Laut den Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung (2016) liegt er dann vor, wenn zu den allgemeinen körperlichen Basisaktivitäten im Alltag keine weitere Bewegung mit moderater bzw. hoher Intensität hinzukommt. In diesem Kontext spielen Anstrengungsgrad, Mindestdauer sowie Gesamtaktivität pro Woche eine weitere entscheidende Rolle, um das Aktivitätsniveau zu beurteilen. Folgt man unter anderem den Ausführungen des American College of Sports Medicine (ACSM) kann für die Beurteilung des individuellen Aktivitätsniveaus zwischen sog. Basisaktivitäten (körperliche Alltagsbewegungen etc.), gesundheitswirksamer körperlicher Aktivität und gezieltem sportlichem Training unterschieden werden. Eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass entgegen vieler Schlagzeilen unter dem Begriff „Bewegungsmangel“ weit mehr zu verstehen ist als nur die sportliche Komponente. Vielmehr werden alle körperlichen Aktivitäten unseres beruflichen Alltags, des täglichen Lebens (Haushaltsarbeit etc.) sowie der Freizeit subsumiert, was eine umfassende Beurteilung des persönlichen Aktivitätsniveaus überhaupt erst möglich macht. Abhängig vom jeweiligen Aktivitätsausgangsniveau sind folglich auch die Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie die positiven Effekte auf die Gesundheit zu beurteilen. Hier nimmt Sport eine wichtige Rolle ein.

Positive Effekte regelmäßiger körperlicher Aktivität
Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Gesamtsterblichkeitsrisiko um bis zu 30 Prozent senken kann. Im Vergleich zwischen körperlich Aktiven vs. Inaktiven zeigt eine umfassende Betrachtung des aktuellen Forschungsstandes, dass insbesondere zusätzliche sportliche Aktivität einen positiven Einfluss auf weitere Faktoren wie bspw. Immunsystem, Blutdruck, Knochendichte und Psyche hat. Dieser Zusammenhang wird in der öffentlichen Darstellung des Öfteren vernachlässigt bzw. nicht ausreichend genug differenziert dargestellt, was zu Unsicherheit führt.

Empfehlungen aus der Praxis
Um dem Mangel an körperlicher Aktivität im Alltag vorzubeugen, existieren in der Praxis verschiedenste nationale sowie internationale Empfehlungen. Die Guidelines der ACSM empfehlen bspw. eine „Gesundheits-Minimaldosis“ von mindestens 30 Min. körperlicher Aktivität pro Tag bzw. 150 Min. mittlerer/moderater Aktivität pro Woche. Ähnlich auch die Empfehlungen der WHO von mindestens 10.000 Schritten pro Tag. Diese evidenzbasierten Empfehlungen orientieren sich an umfangreichen Studienergebnissen. Sie sind als grundlegende „Leitlinien zur Gesunderhaltung“ zu verstehen und geben generelle Empfehlungen bezüglich eines Minimalmaßes an körperlicher Aktivität für unterschiedliche Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, ältere Menschen). Neben diesen Minimal-Empfehlungen sollten nach Möglichkeit jedoch zusätzliche Bewegungs- und Sporteinheiten über die Woche verteilt ergänzt werden, um weitere positive Effekte zu erzielen. Alle Aktivitäten über die Mindestempfehlungen von 150 Min. pro Woche, haben einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen.

Alltag lastet uns nicht (mehr) aus!
Die Studienergebnisse der Techniker Krankenkasse von 2016 stehen beispielhaft für eine Reihe von Studien, die körperliche Inaktivität belegen. Durchschnittlich verbringen die Befragten (unabhängig ob berufstätig oder nicht) täglich ca. 6,5 Stunden im Sitzen. Mit 21 Prozent verbringt jeder Fünfte sogar neun oder mehr Stunden im Sitzen.

Vom Jäger und Sammler zum „Homo Bürolensis“
Der heutige Arbeitsalltag vieler Berufstätiger ist von langen Sitzperioden geprägt. Vier von zehn Befragten arbeiten ausschließlich im Sitzen und zwei Drittel verbringen laut TK-Studie zwischen fünf und mehr Stunden ihres beruflichen Alltags in sitzender Position. Auch in der Freizeit spiegelt sich ein ähnliches Bild wider (vgl. Abb. 1). Angesichts der Befunde wird deutlich, dass eine Mehrzahl der Deutschen aufgrund ihres Alltags und der damit verbundenen körperlichen Aktivität die Minimal-Empfehlungen über bloße „Bewegung im Alltag“ nur schwer bis gar nicht erreichen. Durch Alltagsbewegung auf über 10.000 Schritte zu kommen (entspricht einer Gehstrecke von 6-8 km), ist möglich, aber oftmals aufgrund knapper Zeitressourcen besonders für Berufstätige wenig pratikabel bzw. nur schwer ohne zusätzliche sportliche Aktivität realisierbar.

Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung
Viele der angesprochenen gesellschaftlichen Entwicklungen gehen zu Lasten des individuellen Aktivitätslevels. Somit spielt gerade für bisher körperlich Inaktive die Integration von Bewegung in den (Berufs-)Alltag (z. B. Bewegung am Arbeitsplatz oder vermehrtes Treppensteigen) eine wichtige Rolle. Hier sind mehrere kürzere Bewegungseinheiten von ca. 10 Min. täglich als sinnvoll zu bewerten, denn jede zusätzliche Bewegung ist ein Anfang.

Öffentlich kursiert weitverbreitet die Meinung, dass „es besser sei, sich jede Stunde 5 Min. zu bewegen, als sporadisch 3-mal im Monat das Fitness-Studio zu besuchen.“ Dieser Aspekt wird im medialen Diskurs oftmals nur unzureichend beleuchtet, denn der gesundheitliche Nutzen je nach Häufigkeit, Umfang, Intensität und Art der jeweiligen körperlichen Aktivtät unterscheidet sich erheblich. Es ist unbestritten, dass ausreichende körperliche Alltagsaktivität mit moderater Intensität einen positiven Gesundheitsnutzen hat.

Eigenes Aktivitätsniveau wird häufig überschätzt
Die Integration von zusätzlicher Bewegung in den Alltag stellt besonders für bisher körperlich Inaktive den ersten Schritt dar, um das eigene Aktivitätsniveau zu steigern. Diese Steigerung geht mit einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes sowie des persönlichen Wohlbefindens einher und kann gleichzeitig Motivation für weitere Aktivität sein. Um diese anfänglichen positiven Gesundheitseffekte zu stabilisieren bzw. langfristig zu steigern, müssen Umfang und Intensität gesteigert werden (vgl. Abb. 2). Dies gelingt am effektivsten durch zusätzliches Fitnesstraining. Hierbei sind Regelmäßigkeit sowie das richtige Maß entscheidend. Kunden sollte verdeutlicht werden, wie sie Bewegungsmangel aktiv in der Praxis begegnen können und welchen positiven Nutzen Fitnesstraining leisten kann.

Langfristiger Erfolgsfaktor: strukturiertes Fitnesstraining
Strukturierte Trainingsprogramme erzielen nachweislich langfristig gesehen deutlich positivere Effekte, insbesondere dann, wenn bereits Risikofaktoren und Probleme im Bewegungsapparat vorliegen. Ein Blick auf die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Umfang der körperlichen Aktivität und dem zu erzielenden gesundheitlichen Nutzen verdeutlicht den Kernaspekt aktueller Debatten. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung muss an dieser Stelle je nach Ausgangsniveau, individuellem Fitness- und Gesundheitszustand, vorliegenden Risikofaktoren sowie Erkrankungen differenziert beurteilt werden. Genau dieser Zusammenhang wird aber im medialen Diskurs deutlich vereinfacht dargestellt.

Vorteil Fitnesstraining – eine Aufwand-Nutzen-Relation
Ein zielgerichtetes regelmäßiges Fitnesstraining nach vorgegebenen evidenzbasierten Trainingsempfehlungen, mit spezifischer Trainingssteuerung sowie professioneller Betreuung garantiert langfristig die positivsten Verbesserungen der individuellen Fitness sowie des Gesundheitszustandes. Regelmäßiges gerätegestütztes Krafttraining stellt einen elementaren Schutzfaktor für die Gesundheit dar und hat erwiesenermaßen bei chronischen Rückenschmerzen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine protektive Wirkung. Durch gezieltes Fitnesstraining können effektiv und zeitlich effizient alle motorischen Hauptbeanspruchungsformen (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Koordination) trainiert werden. Angesichts der Aufwand-Nutzen-Relation und eines knappen Zeitbudgets, bietet systematisches Fitness- und Gesundheitstraining gegenüber „Bewegung im Alltag“ daher entscheidende Vorteile. Des Weiteren gewährleistet ein umfangreiches Netz an qualitativ hochwertigen Fitness- und Gesundheitseinrichtungen eine optimale Trainingsinfrastruktur, um witterungsunabhängig, zeitlich flexibel und vor allem auch sicher unter professioneller individueller Betreuung zu trainieren. Je nach den persönlichen Zielen des Kunden können, auf der Grundlage von evidenzbasierten Empfehlungen, spezifische Trainingsprogramme zusammengestellt werden, um langfristig die Gesundheit gezielt zu verbessern. Qualifizierte Trainer können eine Überforderung aufgrund falscher bzw. zu hoher Belastung schon zu Beginn minimieren und durch eine gezielte Trainingsbetreuung auch langfristig die Motivation des Kunden sichern.

Fazit
Sportliche Aktivität in Form von Fitness- und präventivem Gesundheitstraining spielt eine elementare Rolle im Rahmen einer körperlich aktiven, selbstbestimmten Lebensführung. Ein bewusster aktiver Lebensstil impliziert die optimale Kombination aus vermehrter alltäglicher Bewegung (auch im Beruf), angepasster Ernährung und zielgerichtetem Training. Diese Aspekte sollten nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

Insbesondere Fitness- und Gesundheitsanbieter können durch ihr umfangreiches Service- und Dienstleistungsangebot ihren Kunden diese interdisziplinäre Verknüpfung bieten. Sie leisten somit nicht nur einen elementaren Beitrag im Kampf gegen Bewegungsmangel und körperliche Inaktivität, sondern haben entscheidende Verkaufsargumente auf ihrer Seite, um neue Kunden zu gewinnen und langfristig zu binden.

www.dhfpg-bsa.de

Florian Schmidt
Florian Schmidt absolvierte nach einem Hotelmanagementstudium in der Schweiz und mehreren Jahren Berufserfahrung im Hotelmanagement zusätzlich ein Master-Studium in Sportwissenschaft an der Universität des Saarlandes UdS. Während seines Studiums arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie und Sportsoziologie. Er ist als Dozent, Wissenschaftsredakteur und Tutor für die DHfPG/BSA-Akademie tätig.

Auszug aus der Literaturliste
Rütten, A & Pfeifer, K (Hrsg.) (2016). Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Erlangen-Nürnberg: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Techniker Krankenkasse (Hrsg.) (2016). Beweg dich Deutschland – TK Bewegungsstudie. Hamburg: Selbstverlag.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de

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